„Wir machen unser Mittelmeer zum Friedhof“
süddeutsche.de – Maltas Premier Muscat fühlt sich von der EU im Stich gelassen. Er
fragt verbittert: „Wie viele müssen sterben, bevor etwas geschieht?“
Beim zweiten Flüchtlingsunglück vor Lampedusa innerhalb einer Woche
kamen mindestens 34 Menschen ums Leben.
Malta hat die EU nach dem zweiten Bootsunglück vor Lampedusa
nach einer Woche wegen der Flüchtlingstragödie vor Lampedusa zum
Handeln aufgerufen. Malta fühle sich von der EU „im Stich gelassen“,
sagte Ministerpräsident Joseph Muscat am Samstag in einem BBC-Interview.
Inmitten der Debatte um Konsequenzen aus der Bootskatastrophe vor
Lampedusa sind erneut Dutzende Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken.
Mindestens 27 Schiffbrüchige kamen ums Leben, als ihr überfülltes Boot
mehr als 110 Kilometer vor der Insel kenterte, wie die maltesische
Regierung mitteilte. Die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtete
von 34 Toten, darunter zehn Kinder.
Etwa 150 Schiffbrüchige seien von einem maltesischen Schiff
aufgenommen worden. Die italienische Küstenwache zog ihrerseits etwa 50
Flüchtlinge aus dem Wasser und schickte wie die maltesische Seite
mehrere Boote und Helikopter zur Unglücksstelle, die fast schon in
libyschen Gewässern liegt.
Sein Land werde auf eine Änderung der Einwanderungsbestimmungen für Nahost-Länder drängen, so Muscat. „Bisher hören wir von der EU
nur leere Worte“, sagte der Premier, dessen Land direkt von der
Flüchtlingskrise betroffen ist. 22 Leichen wurden nach Lampedusa
gebracht, vier weitere Tote seien auf dem Weg nach Malta, meldete Ansa.
„Ich weiß nicht, wie viele Menschen noch sterben müssen, bevor etwas
geschieht. Wie die Dinge im Moment stehen, machen wir unser eigenes
Mittelmeer zum Friedhof.“
Ein überlebender Vater erzählte dem italienischen Journalisten Fabrizio Gatti,
dass er nach dem Unglück auf dem Rücken schwamm und sich seine kleine
Tochter auf den Bauch setzte. Sein anderes Kind konnte er jedoch nicht
mehr retten. „Mein Kind ist mir aus den Händen gerutscht und ertrunken“, zitiert ihn Gatti in seinem Blog.
Nach Angaben der maltesischen Marine war das Schiff in
stürmischer See gekentert, als sich die Flüchtlinge an einem Ende des
Bootes versammelten, um ein Militärflugzeug auf sich aufmerksam zu
machen. Per Satellitentelefon konnten sie einen Notruf absetzen. Die
nächtlichen Rettungsarbeiten wurden jedoch durch starke Winde erschwert,
wie ein Marinesprecher erklärte.