Wie Pontius Pilatus – Sizilien nach dem „Notstand Nordafrika“
Am 31.Dezember waren in den wie Pilzen aus dem Boden geschossenen Unterkünften des „Notstands Nordafrika“ in Sizilien noch 1.175 Migranten untergebracht, hinzukommen 187 unbegleitete minderjährige Asylsuchende.
Im Januar 2013 ging die Leitung vom Zivilschutz an die Präfekturen (Regierungspräsidien) über, die die Zentren innerhalb von zwei Monaten auflösten. In diesen zwei Monaten versuchten sie mit Hilfe der Ausländerbehörden die Fristen für die Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis mittels der schnellen internetgestützten Vestanet 3 – Prozedur zu verkürzen. Eine verkürzte Prozedur, um den italienweit 22.000 abgelehnten Asylsuchenden einen „Übergangsaufenthalt“ zu geben und ihnen den Weg ins Klageverfahren zu versperren. Die Behandlung derer, die sich nicht auf diesen „schnellen Aufenthalt“ einlassen konnten (oder wollten) und derer, die es taten, konnte unterschiedlicher nicht sein. Auch diejenigen, die jede Möglichkeit hatten, ihre Rechte in Anpsruch zu nehmen, haben schließlich aufgegeben, um ein „laisser-passez“ und die 500 versprochenen Euro zu erhalten, die der Staat den „Gästen“ der Zentren in Aussicht gestellt hatte, damit sie diese verlassen und sonstwo ihr Glück suchen.
20 Tage statt (circa) ein Jahr für die Antwort auf die (Asylanfrage) – welche Entscheidung da zu treffen war, ist eindeutig, denkt man daran, dass die Zentren so oder so geschlossen hätten und die Migranten in jedem Falle ein Dach über dem Kopf und Geld zum Leben hätten suchen müssen.
Das Ergbenis dieses Behördenaktes ist katastrophal. Viele der knapp 1.200 Flüchtlinge (die unbegleiteten Minderjährigen nicht eingeschlossen) sind im Nichts verschwunden, sehr wahrscheihnlich zum Wohlgefallen der zuständigen Behörden. Die Migranten sind mit einem humanitären Aufenthaltstitel und 500 € in der Tasche aus Italien „geflüchtet“, um zu Verwandten oder Freunden in anderen europäischen Staaten zu gehen, oder aber sie haben einfach ihr Glück außerhalb Siziliens in der Hoffnung, eine Arbeit zu finden, bei der sie nicht in der Landwirtschaft ausgenutzt werden, gesucht.
Dieses Vorgehen wurde natürlich von einigen europäischen Staaten, in denen die Migranten angekommen sind, nicht gebilligt. Italien wurde beschuldigt, das Gewicht des Notstandes auf andere Staaten geladen zu haben.
Nur sehr wenige Fälle besonders schutzbedürftiger Personen haben eine Zuflucht in kleinen, noch geöffneten Einrichtungen gefunden (so z.B. Inhaber eines humanitären Schutztitels mit minderjährigen Kindern, um ihre Kinder weiterhin zu begleiten.)
Es gibt auch nich einige wenige Glückliche, die in Einrichtungen verblieben sind, deren Betreiber nicht den Mut hatten, sie einfach auf die Straße zu setzen. Diese versuchen, sie sozial zu integrieren, aber die Probleme sind vielfältiger Art, denn noch heute warten einige Zentren aufgrund bürokratischer Fragen innerhalb des Zivilschutzes auf die Zahlung der angefallenen Kosten.
Die Betreiber der Zentren lassen nun immer mehr verlauten, dass es große Schwierigkeit mit den Akteuren des Notstandes gab (Institutionen, Behörden, Ausländerbehörden, Präfekturen), die in den meisten Fällen nur Unsicherheiten und Unklarheiten geschaffen haben. Das hat die Intergrationsbemühungen zwischen den in den Unterkünften wohnenden Migranten und der lokalen Bevölkerung quasi unmöglich gemacht, und viele der Betreiber sind trotz des mangelnden Verdienstes froh, dass der Notstand vorbei ist.
Alberto Biondo
Borderline Sicilia ONLUS
aus dem Italienischen von Judith Gleitze