Gegensätzliche Stimmen aus Pian del Lago
Drei Wochen nach unserem Besuch im Aufnahmezentrum von Pian del Lago hatten wir die Gelegenheit, auch die Stimmen der Migranten, die dort untergebracht sind und die wir draußen getroffen haben, einzufangen. Es schien uns interessant, diese Stimmen denen der Mitarbeiter gegenüber zu stellen.
Ein erster wichtiger Aspekt sind die Sprachkurse: Die Mitarbeiterin des Zentrum hatte uns die wichtigen Neuerungen erklärt, durch die die Kurse in verschiedene Niveaus eingeteilt werden und mit denen jedem ermöglicht wird, teilzunehmen. Auch ein ad hoc Kurs für Frauen sei vorgesehen, da diese Probleme in gemischten Klassen hätten. Die Version der Migranten unterscheidet sich sehr von diesen Aussagen: Sie sagen, dass es seit Wochen, eher seit Monaten keinerlei Sprachkurs innerhalb des Zentrums gibt. Die meisten Migranten sprechen mit uns ausnahmslos englisch und einige von ihnen haben uns sogar gefragt, wo man denn einen Kurs machen könnte.
Der Sprachkurs ist eines der wichtigsten Instrumente, um den Migranten Autonomie zu verleihen. Daher ist ein solches Angebot eines der Dinge, die der Betreiber für die Summe, die er täglich für einen Migranten erhält, anbieten muss.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Krankenstation. Während der Leiter – mit dem wir während unseres Besuches sprachen – uns versicherte, dass die Öffnungszeiten, die an der Tür angebracht sind, nur dazu dienten, die Migranten „zu erziehen“, auch zu den angebotenen Zeiten vorstellig zu werden, sei die Krankenstation jedoch immer geöffnet. Die von uns befragten Gäste meinten jedoch, dass das die wirklichen Öffnungszeiten seien. Es erscheint uns offensichtlich, dass die Zusammenlegung der beiden Krankenstationen, auch wenn man uns erklärte, dass das der Vereinfachung diente, zu Einschränkungen und zudem zur Kostensenkung geführt hat.
Weiterhin beschweren sich die Bewohner des Zentrums über die mangelnde, manchmal ganz fehlende Versorgung mit Seife. Sie sagten uns auch, dass die Schlafräume nur einmal in der Woche gereinigt werden, und dass sie, wenn sie nach Putzmitteln fragen, um sie selber zu reinigen, diese nicht erhalten würden.
Sie berichten uns auch, dass sie es nicht wagten, die Mitarbeiter vehementer zu fragen, da sie Angst davor hätten, dass das dann auf ihr Asylverfahren zurückfällt. Die Migranten denken, dass die Mitarbeiter die Macht hätten, der Kommission die Namen derer weiterzugeben, „die sich schlecht benehmen“, und dass die Ausländerbehörde das dann der Asylkommission mitteile, welche dann diese Beschwerde mit in die Bewertung ihres Asylfalles einfließen lasse. Dieser Irrglauben schränkt die Migranten in der Durchsetzung ihrer Rechte ein.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, den uns die Bewohner, die wir trafen, nannten, war der Zustand der Bäder. Sie sagen uns, dass nur die Toiletten, die sich auf der Westseite des Lagers in den gemauerten Häusern befinden, benutzbar seien. Die im östlichen Teil (bei den Containern) seien nicht benutzbar: sie seien sehr dreckig und würden stinken, der Boden sei ein immerwährender Sumpf. Da wir bei unserem Besuch die Wohnbereich nicht anschauen durften können wir nicht sagen, wie die sanitären Anlagen aussehen.
Sehr schlecht sprachen die Migranten vom Essen und von der Wasserversorgung (Flaschen), sie erhielten nun nur noch 2 Liter (statt vom vormaligen Betreiber 4 Liter) am Tag. Man muss jedoch dazu sagen, dass in der Mensa Wasserbehälter mit Trinkwasser stehen, an denen sich die Migranten bedienen dürfen.
Die Kleidung stelle nach Aussagen der Migranten ein weiteres Problem dar: seit Monaten werde keine Kleidung mehr verteilt und einige von ihnen zeigen uns ihre kaputten Schuhe und die viel zu leichte Kleidung für die winterliche Jahreszeit.
Mit der Kälte ist es nun auch viel komplizierter, die 5 Kilometer vom Heim bis in die Stadt zu laufen, da man auch bedenken muss, das diese Personengruppe nicht die Möglichkeit hat, sich in der Innenstadt in ein Café zu setzen, um etwas Wärmendes zu sich zu nehmen, denn das Taschengeld beträgt 2,50 € am Tag und wird in Marken verteilt, die nur an den Automaten im Heim selber zu nutzen sind.
Die Art und Weise, wie Getränke, Essen und Putzmittel (nicht) verteilt werden sowie die mangelnde Möglichkeit Bargeld zu erhalten und die Tatsache, dass die Automaten im Heim dem Betreiber gehören, verschafft diesem einen weiteren Profit, indem er das Taschengeld einstreicht.
Kurz, die beiden Stimmen der Bewohner und der Mitarbeiter von Pian del Lago scheinen nicht so sehr übereinzustimmen. Wir können natürlich nicht genau sagen, wo die Wahrheit liegt. Wir können aber, einige sichtbare Tatsachen wie die Kleidung und die Sprachkurse betrachtend, bestätigen, dass es Mängel in der Beitreiberschaft des Heimes gibt. In Bezug auf die anderen Dienstleistungen sind wir der Meinung, dass die Verschlechterung, die die Flüchtlinge beklagen, auf die Kostensenkung durch den Betreiber Auxilium auf 25 Euro/Tag pro Migrant, 10 Euro weniger, als der vormalige Beitreiber, zurückzuführen sind.
Inzwischen ist es auch bekannt, dass Auxilium das Heim vergrößern will. Es zeigt sich jedoch, dass die Erweiterung – für die es noch keine gerichtliche Entscheidung gibt – nicht nur den Umsätzen des Betreibers nützen würde, sondern den Bedürfnissen der Migranten effektiv entgegenstehen könnte.
Giovanna Vaccaro
Borderline Sicilia Onlus
Aus dem Italienischen von Judith Gleitze