Ein Schrei aus dem Asylbewerberheim Mineo: “Wir wollen Freiheit, nicht Unterkunft und Verpflegung wie Gefangene”
Von Leone Venticinque für das Bürgerkomittee von Mineo “Solidarisches
Calatino” für Davvero
Mit dieser Demonstration sind wir
bei insgesamt neun angelangt, seit das Asylbewerberheim Mineo eröffnet wurde. Sind
das viele oder wenige? Die immer wiederkehrenden
gleichen Gründe für diese Revolten geben sicherlich Anlass zur Vermutung, dass von
Seiten der Verantwortlichen nicht genug getan wird, von Seiten derer, die
Besseres zu tun haben als sich die legitimen Gründe der Insassen dieser
Einrichtung anzuhören. Von Seiten
derer, die diese Einrichtung leiten und dafür bezahlt werden die Probleme zu
verhindern anstatt danach mit gebeugtem
Rücken diese zu kommentieren, wenn sie auf einmal sichtbar werden und nicht
mehr leicht zu verstecken sind.
Bis zu diesem Zeitpunkt haben wir
immer von “Gästen” gesprochen, aber wenn wir genau hinhören was sie zu sagen
haben, dann trifft die Bezeichnung “semi-Häftlinge“ wohl eher zu. Denn Häftlinge haben ebenfalls das Recht
auf Verpflegung und Unterkunft. Das ändert jedoch nicht die Tatsache, dass sie
eingesperrt sind. Hier kriegen die Asylbewerber zwar auch Unterkunft und
Verpflegung, jedoch müssen sie Monate oder Jahre auf ihre Freiheit warten und
ihr Zustand bleibt ungeklärt bis sie eine Antwort [auf ihre Asylanträge, Anm.
der Red.] erhalten, oftmals eine negative. Im Augenblick bleibt ihnen nichts anderes übrig als sich den
Aktivitäten illegaler Banden
anzuschließen oder sich zu prostituieren. Vorgewarnt vom Antirassistischen
Netzwerk von Catania und als Repräsentant des Bürgerkomittees Mineo
“Solidarisches Calatino” bin ich um circa 13 Uhr am Ort der Proteste angelangt,
welche eine Stunde zuvor begannen hatten. Erst musste man die
polizeilichen Checkpoints durchqueren, welche allen den Zugang verwehrten – vor
allem Pressemitgliedern – wegen angeblichen Gefahren und Bedrohungen für die
Öffentlichkeit. Unter den hunderten von Demonstranten, die in einer Kolonne auf
der Bundesstraße Catania-Gela Richtung Palagonia liefen, habe ich Personen
getroffe, die ich bereits davor kennengelernt hatte, entweder bei diversen
Rechtsberatungen oder bei anderen besonderen Events wie zum Beispiel der vom
Antirassistischen Netzwerk und anderen Personen, die sich für die
Menschenrechte einsetzen, im Asylbewerberheim vor kurzem organisierten. Ich konnte mich ohne Probleme in der
Kolonne einreihen und mit ihnen mitlaufen. Es gibt ein paar Videos mit
Interviews der Demonstranten auf Englisch, die meisten mit verhülltem Gesicht
oder anonym, um sich vor eventuellen persönlichen Vergeltungsakten zu schützen.
Nach einigen Kilometern und so
manchen Hindernissen auf der Straße, wie zum Beispiel große Steinbrocken, hielt
die Prozession an der Kreuzung Ramacca – Palagonia an und teilte sich in
Gruppen auf, um die Hauptstraße in beide Richtungen und ebenfalls die
Auffahrten zu blockieren. Die
Sperrung hielt so lange an, bis verschiedenste Medien und die Presse dort
angelangten und die Demonstranten ihre Forderungen stellen konnten. Ich
versuchte, meinen Teil beizutragen, indem ich, soweit mögllich, die Konflikte
mit den Ordnungshütern aber auch mit den wütenden Auto- und Lastwagenfahrern,
die sehr lange auf der Straße blockiert waren, ohne weder vornoch zurück zu kommen, zu schlichten.
Die Wut der verschiedenen Parteien artete zwar nicht aus,
jedoch waren die Demonstranten mit Steinen, Flaschen und Eisenstangen bewaffneund.bereit,
sich mit allen Mitteln Gehör zu verschaffen
Nach vielen Stunden des Protests, am späten Nachmittag,
kamen dann die ersten Fernsehjournalisten an, um über das Vorgefallene zu
berichten und die Demonstranten zu interviewen. Dies sollte für den Moment diejenigen zufriedenstellen, die schon viel zu
lange die institutionelle Gleichgültigkeit und das eigennützige Interesse der
Opportunisten ertragen haben, die in jedem Asylbewerber eine Quelle des
Geldmachens sehen, die so lange wie möglich beibehalten und ausgenutzt werden
muss, denn anderweitig wäre das gesamte Gebiet Calatinos “eine einzige
Katastrophe [ohne das Asylbewerberheim]”.
Für die Rechte der Asylbewerber, die wieder einmal ihren Mut
bewiesen haben, für ein Territorium, welches es nicht zulässt, als Parasit
abgestempelt zu werden, sondern welches dazu bereit ist auf seine eigenen
Fähigkeiten zu setzen und von menschenwürdiger Arbeit zu leben und im Namen des
Bürgerkomittees von Mineo werde ich weiterhin dazu bereit sein den Willen und
die Aktionen des Kampfes der Asylbewerber zu dokumentieren. Ihnen bleibt im
Angesicht des totalen Desinteresses seitens der verantwortungslosen Behörden
und der skrupellosen Ausbeuterei von großen und kleinen Nutznießern nichts
anderes übrig.
Auf dass das Jahr
2013 das Ende des Asylbewerberheimes markieren wird und es ersetzt wird mit
wirklichen Anlaufstellen in allen Gemeinden von Calatino mit einer
überschaubareren Anzahl im Name der Solidarität und der Integration und auch
mit der Hoffnung auf Arbeit für diejenigen, die in diesem Teil von Sizilien
wohnen.