Newsletter BORDERLINE SICILIA Februar / März 2019
- Die Schattenzone des Mittelmeeres
- Das Ende der Aufnahme und der Beginn der Spekulation
- Die Anlaufstelle Terraferma gegen den sich ausbreitenden Rassismus
DIE SCHATTENZONE DES MITTELMEERES
Die Absicht die mit der Kriminalisierung der Rettungsschiffe der NGOs verfolgt wird ist die der Schaffung einer Schattenzone im zentralen Mittelmeer. Alle möglichen Augenzeug*innen werden ausgeschaltet und die Bootsunglücke der von Libyen kommenden Migrant*innen bleiben unentdeckt. Diese Praxis der Kriminalisierung hat bereits mit dem ehemaligen italienischen Innenminister Marco Minniti begonnen und wird nun vom aktuellen Innenminister Matteo Salvini vollendet. Die Rettungsschiffe die an der Seenotrettung gehindert werden sind das offensichtlichste Beispiel für diese Politik. Im Fall der Sea Watch III wurde das Rettungsschiff aus Sicherheitsgründen für über zwei Wochen im Hafen von Catania festgehalten. Doch trotz der Phrasendrescherei um die geschlossenen Häfen werden weiter Ankünfte gezählt, wie der Bürgermeister von Lampedusa bestätigt. Er beschwert sich darüber, dass die Insel in den letzten Monaten mit diesem Problem allein gelassen wurde.
Die Blockade der Rettungsmaßnahmen führt zwar zu einem Rückgang der Ankünfte auf dem Festland, gleichzeitig steigen allerdings die Fälle von Gewalt und die Zahl der Toten. Die Route über das zentrale Mittelmeer wird somit zur gefährlichsten Fluchtroute der Welt, bestätigt ein Bericht von Oxfam und Borderline Sicilia. Dabei soll das italienisch-libysche Abkommen allein in den letzten beiden Jahren für 5.300 Tote verantwortlich sein, sowie für systematische Fälle von Gewalt und Verletzungen der Menschenrechte. Um letztere ist es zwar still geworden, in den libyschen Lagern gehören sie aber immer noch zur Tagesordnung.
In der Schattenzone des Mittelmeeres scheint diese unmenschliche Politik, die die Rechte und die Existenz der Migrant*innen ablehnt, gerechtfertigt.
http://localhost:81/newbordde/niederlaendische-regierung-knickt-ein-sea-watch-3-auf-dem-weg-in-planmaessigen-werftaufenthalt-in-frankreich/
http://localhost:81/newbordde/das-jaccuse-des-buergermeisters-von-lampedusa-der-staat-tilgt-unsere-insel-von-der-landkarte/
http://localhost:81/newbordde/oxfam-borderline-migration-schachmatt-fuer-die-menschenrechte/
DAS ENDE DER AUFNAHME UND DER BEGINN DER SPEKULATION
Im Kampf gegen diejenigen, die auf dem Rücken der Migrant*innen mit Geld spekulieren, werden dank der neuen Aufnahme-Gesetze große Erfolge erzielt. Mit Aussagen wie dieser versucht die italienische Regierung der Öffentlichkeit falsche Hoffnungen zu machen. Die veröffentlichten Zahlen institutioneller und nicht institutioneller Organisationen widerlegen jedoch die Propaganda der Regierung. Sie zeigen an, dass das kriminelle System der Aufnahme und die Schattenwirtschaft tatsächlich vom sogenannten Salvini-Gesetz begünstigt werden. Denn die Tatsache, dass mehr „Illegale“ geschaffen werden führt dazu, dass es für die Landwirtschaft stets genügend billige Arbeitskräfte gibt und dass der Menschenhandel weiterhin ein florierender Markt bleibt.
Neben der Spekulation hält auch die Gewalt an: die Zerstörung des Aufnahmesystems schafft „Illegale“, Migrant*innen, die zur Zielscheibe von Hasskampagnen werden. Des Weiteren veranlassen Razzien noch zusätzlich das Verständnis von Migration als gleichbedeutend mit Unsicherheit.
Auf diese Art und Weise schlägt das komplexe, flächendeckende und internalisierte, System der strukturellen Gewalt gegen Migrant*innen Wurzeln.
Während die finanzielle Unterstützung für die Aufnahme gekürzt wird, bleiben die Abschiebezentren und die regelmäßigen Abschiebungen der „illegalen“ Migrant*innen in ihre Herkunftsländer weiter erhalten. Ende Januar wurde ein junger Tunesier von den Ordnungskräften schwer verletzt, als er versuchte aus dem Abschiebezentrum von Plan del Lago (Caltanissetta) zu flüchten.
http://localhost:81/newbordde/die-aufnahmepolitik-ist-am-ende/
http://localhost:81/newbordde/so-viel-zur-wahrheit/
http://localhost:81/newbordde/was-von-der-aufnahme-bleibt/
http://localhost:81/newbordde/weitere-proteste-im-abschiebezentrum-pian-del-lago-junger-tunesier-schwer-verletzt/
DIE ANLAUFSTELLE TERRAFERMA GEGEN DEN SICH AUSBREITENDEN RASSISMUS
Die unheilvolle Propaganda basiert auf vorurteilshafter Feindseligkeit gegenüber Migrant*innen und Ausländer*innen. Sie macht xenophobe Töne salonfähig und verwandelt den öffentlichen Diskurs bewusst in eine diskriminierende und rassistische Debatte. Die Verachtung der Minderheiten und des Anderen wird vom Gemeinschaftsgefühl bekräftigt, sie wuchert in der Praxis und in Narrativen, die auf Vorurteilen und Gemeinplätzen basieren.
Der letzte Bericht des Beobachtungsinstituts für Migration „Immigrant Integration Europe“ dementiert anhand von Zahlen falsche Mythen und zeigt, dass in Italien keine Invasion zugange ist. Die Migration betrifft ganz Europa, und zwar manifestiert sie sich vielmehr als innereuropäisches Phänomen: über 50 Prozent der Migrant*innen bewegen sich innerhalb der Mitgliedsstaaten, anstatt von außerhalb in die EU hinein.
Um gegen die ethnische Diskriminierung vorzugehen wurde in Bagheria eine Anlaufstelle für Migrant*innen gegründet. Bei Terraferma (italienisch für Festland, Anm.d.Üb.), so nennt sich die Anlaufstelle, finden Migrant*innen Ansprechpartner*Innen. Es werden Orientierungsmaßnahmen, soziale und juristische Beratung geboten sowie das Zusammenleben vor Ort vorangetrieben. Die Anlaufstelle soll gegen den zunehmenden institutionellen und sozialen Rassismus ankämpfen und Migrant*innen einen sowohl Zugang zu ihren Rechten verschaffen als auch sie beim Ausüben dieser Rechte unterstützen.
http://localhost:81/newbordde/es-gibt-keine-invasion-migrationsstroeme-sind-ein-innereuropaeisches-phaenomen/
http://localhost:81/newbordde/der-schatten-des-rassismus-ueber-unseren-staedten/
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Übersetzung aus dem Italienischen von Elisa Tappeiner