ZEUGENBERICHTE AUS DER HÖLLE IN MILO
“Wir werden hier schlechter als Schweine behandelt. Wir können einfach nicht mehr.” Dies ist die Aussage eines jungen Migranten über das Identifikations- und Abschiebezentrum (CIE) in Milo, welches sich in einer ländlichen Region von Trapani befindet. Seit 3 Tagen befinden sich 240 Migranten, die meisten von ihnen aus dem Maghreb, im Durst-, Hunger- und Medikamentenstreik, um ihre Würde zu verteidigen. „Wir sind hier nichts weiter als Tiere. Wir wohnen zu zwölft in Zimmern, die eigentlich für 6 Personen bestimmt sind. Es gibt Leute, die auf dem Boden schlafen müssen.“ Und auf dem dreckigen Fußboden wird auch gegessen, wie uns der junge Häftling erzählt. Die Situation ist besorgniserregend: „Es gibt hier Epileptiker, Diabetiker und Menschen mit psychischen Problemen. Wie bringen Sie es über sich uns nach wie vor hier einzusperren? Wir sind doch auch Menschen“. Schwere Anklagen sind ebenfalls gegen die Ordnungskräfte vor Ort erhoben worden: “Sie haben uns mehrfach mit Knüppeln geschlagen, wenn jemand einen Fluchtversuch unternommen hatte. Einige sind sogar mit Knochenbrüchen ins Krankenhaus eingeliefert worden“.
Diese Szenarien im CIE von Milo sind keineswegs neu. Es wurde im vergangenen Sommer eröffnet und wird im Moment von dem Konsortium Connecting People verwaltet. Es handelt sich hierbei um eine Übergangsverwaltung, da man eigentlich auf die Übergabe an das Konsortium Oasi di Siracusa wartet. Dieser Zementblock, umgeben von gelben Sicherheitszäunen, scheint ein Ort zu sein, in dem die menschliche Würde nicht berücksichtigt wird. Die Anzahl von Selbstverletzungs- und Selbstmordversuchen ist erschreckend hoch. Die Menschen reißen sich zusammen, aber jede Minute erscheint wie eine Ewigkeit und wird tagtäglich von Neuem ertragen (Ti logori ogni giorno –> besser: jeder Tag zermübt dich mehr, ANM. Judith.) Manche haben versucht eine Rasierklinge zu verschlucken, andere haben sich die Pulsadern aufgeschlitzt und wieder andere legten sich eine Schlinge um den Hals, um schließlich doch noch von den Mitinsassen rechtzeitig gerettet werden zu können.
Vor einigen Tagen haben mehrere Insassen einen Massenausbruch versucht. Einige haben es geschafft, aber die restlichen mussten in die Hölle zurück. Und jetzt ist es noch härter als davor. Zeugen, welche von der Redattore Sociale, der italienischen Onlinezeitung, dazu befragt wurden, berichten: „68 sind geflohen. Nach der Flucht wurden diejenigen, die gefunden oder erwischt wurden für zwei oder drei Stunden nachts auf den Boden gesetzt. Sie heulten und schrien”.
Die Geschichte, die uns der Junge, der seit Monaten im CIE von Milo eingesperrt ist, ist eine Geschichte von Blut und Angst, von Würde und Beklemmung. „Hier gibt es Leute, die bereits seit neun Monaten eingesperrt sind ohne irgendetwas gemacht zu haben. Und wir wissen nicht einmal was uns in der Zukunft erwartet. Wir wissen nicht was passieren wird und wo wir hingehen werden. Das Einzige, das wir wissen ist, dass wir nicht unter solchen Bedingungen leben wollen.“
Es ist ein menschenunwürdiges, ein schreckliches Leben, von dem der junge Migrant uns erzählt. Es gibt keine Regeln und die menschliche Würde wird nicht respektiert. „Wir haben nichts. Es gibt keine Klimaanlage, die Fernseher sind allesamt kaputt, wir kriegen eine Flasche Shampoo alle zwei Monate und es gibt keinerlei Hygienestandards.“
Selbst aus einem Gefängnis wären solche Erzählungen unvorstellbar. Und diese Bedingungen, die in Milo vorherrschen, die Enge, der Schmutz und der Mangel an Freiheiten müssen Menschen ertragen, die nichts Schlechtes oder Schlimmes verbrochen haben. Sie haben lediglich die Grenzen Italiens überschritten und verwaltungstechnische Probleme mit ihrer Aufenthaltsgenehmigung bekommen.
„Helft uns. Wir sind Menschen. Vergesst das nicht“ schreit er bevor die Polizei sich auf eine Durchsuchung vorbereitet.
Morgen müssten Anwälte das Zentrum von Milo besuchen um sich vor Ort ein Bild der Lebensbedingungen der Migranten machen zu können und um die Gründe für den Streik zu erfahren, der bereits seit drei Tagen andauert.
Währenddessen hat bereits heute Nachmittag eine Delegation der Präfektur von Trapani die Tore des Gebäudes durchquert, um die derzeitige Situation besser verstehen zu können.
Giorgio Ruta, „Il Clandestino“