Sie nennen sie die Frauen von Lampedusa. Und sie sind noch immer guter Hoffnung
Von Marta Bellingreri für ciss (Internationale Zusammenarbeit Süd – Süd)
Im Mai haben sie sie die Frauen von Lampedusa genannt. Die schwangeren Frauen, angelandet auf Lampedusa, überführt ins städtische Krankenhaus von Palermo. Jetzt sind sie schon seit einiger Zeit nicht mehr im Krankenhaus, denn ihre Kinder sind in den Monaten Mai und Juni geboren, als wir sie zum ersten Mal getroffen haben: Man nennt sie die Frauen von Lampedusa. Aber sie sind noch immer guter Hoffnung.
Nein, es ist keine neuerliche Schwangerschaft, die sie warten lässt. Aber der Weg ist wirklich wie eine lange Geburt mit schmerzhaften Wehen. Es handelt sich um das Warten auf die Kommission zur Identifizierung, entweder zur Verweigerung des Status als Flüchtling oder zur Erlaubnis aus humanitären Gründen. Aber die Geburtswehen dieser Entbindung sind noch schmerzhafter, weil noch nicht alle Frauen wieder mit ihren Männern vereint sind seit ihrer Anlandung auf Lampedusa.
Seitdem, seit ihrer Niederkunft, haben Ehemänner ihre in Italien geborenen Söhne noch nicht gesehen. Stillen Frauen ohne die Zärtlichkeit des Vaters. Zum Glück nicht Hemy; sie hat ihren Ehemann seit dem 10. Juni an ihrer Seite; einen Monat nach der Anlandung haben sie sich wieder getroffen; er wurde nach einem Monat von Lampedusa überführt als seine Frau schon im Krankenhaus war. Zum Glück ist er angekommen, weil Hemi ihren Jungen verloren hat; genau an dem 10. Juni, als er geboren wurde, wurde ihr auch der Tode mitgeteilt. Und in diesem Moment kam der Vater von Lampedusa aus an. Dieser Vater hat seinen Sohn nicht einmal gesehen. Er hat ihn nur drei Tage später gemeinsam mit seiner Frau auf einen unbekannten Friedhof in einer fast unbekannten Stadt begleitet, Palermo. Bekannt durch unvergessliche Umstände; gute Gründe, sie zu hassen, von dort zu fliehen. Vielleicht aber hassen Hemy und ihr Mann Palermo nicht. Sie kehren gerne dorthin zurück, wenn sie Geld an die Seite gelegt haben, um die Sachen zu kaufen, die sie in Trapani nicht finden: Künstliche Harre zum Einflechten und den ganzen „hair-style“ der nigerianischen Händler in der Hauptstadt Siziliens. Nach Palermo sind sie gekommen, um uns nach drei Monaten wiederzusehen. Aber diesmal hatten sie kein Geld. Wie hätte ich die Fahrkarte für den Autobus bezahlen sollen?
Ich habe ein bisschen gebraucht, um das zu verstehen, aber es war einfacher als man denkt: „Du kaufst den Kredit, ich verkauf den Kredit.“ Einfach ein Telefonguthaben kaufen und die Nummer dieses Guthabens verschicken, dass sie sie in dem Zentrum, in dem sie wohnt, verkaufen kann, um Bargeld zu haben, und dann die Fahrkarte für den Bus kaufen und nach Palermo fahren. Für den, der Zweifel haben mag, wie sich die Migranten mit Geld versorgen. Manchmal reicht es schon, ein Telefonguthaben zu verschenken. Und der Autobus ist angekommen.
Das letzte Mal als ich Hemy gesehen habe, hatte sie die Hoffnung, ihren Mann bald zu sehen und erwartete ihr Baby, in Libyen gezeugt, das schon das Mittelmeer überquert hatte. Jetzt hat sie ihren Mann an ihrer Seite, aber ihr kleiner Prinz hat nur wenige Stunden gelebt. Hemy und ihr Mann haben von der Kommission nur ein Jahr internationalen Schutz bekommen, „sie vergeuden ihre Kräfte“, hat der Anwalt kommentiert. Aber wird dieses Jahr für das neue Leben von Hemy reichen und für den Anwalt, um die Ursachen des Todes zu entdecken, die Hemy im Krankenhaus nicht mitgeteilt worden sind? Hemy kehrt nach Palermo zurück und will verstehen, vor allem aber will sie Prince besuchen, auf einem Friedhof, von dem sie nicht weiß, wo er liegt.
Bless dagegen fehlen die Neugeborenen nicht, weil sie zwei davon geboren hat, die berühmten Zwillinge im Stadtkrankenhaus. Auf dem Land der Provinz Palermo, saubere und frische Luft, ideal für zwei Kinder … ohne Vater. Darum kümmern sich die Präfekturen und sie scheinen noch langsamer zu sein als die Kommissionen, denen keiner von den beiden jemals begegnet ist, weil der Vater noch in Mailand ist. Geschichten vom normalen Warten in Italien, wenn es ihnen dann besser geht sind sie Asylsuchende, die immer noch keinen Antrag stellen konnten, ohne Familie, aber in ‚guter Hoffnung‘ auf das ’süße‘ italienischen Leben.
Joyce ist in Neapel im „Hotel Garden“ untergebracht. Ein paar Schritte von der Zentralstation entfernt, in einem diskreten Hotel, bereits seit Monaten benutzt zur Aufnahme, bezahlt vom Minister, um Nigerianer und Pakistaner zu parken. Die aber seit Mai keinen Fetzen Papier in der Hand haben, dass man sagen kann, dass es außerhalb des Hotels Garden Spuren ihrer Anwesenheit gäbe. Im Gegensatz zu Bless, die die Anfrage, so scheint es, wirklich niemals hat machen können, so sehr sie die Zwillinge im Arm hat und es keine Eile gibt, haben die Flüchtlinge im Garden im neapolitanischen Rummel die Kommissionen getroffen. Vor zwei Wochen. Aber nur die Ehemänner. Und selbstverständlich muss die Antwort noch kommen. Aber die Kommissionen waren höflich und haben ihnen zugehört. Aber in der Liste der dramatischen Ereignisse, die sie von Nigeria über Libyen nach Italien gebracht haben, alles muss natürlich der Kommission erzählt werden, hat Elas, der Ehemann von Joyce, die Dinge, die sich gerade ereignet haben, noch gar nicht verdaut. Er war nicht (mehr) in Libyen, aber er war noch im Krieg. Sogar in zwei Kriegen: Dem Krieg in Libyen und dem Krieg gegen die Migranten, der sich gegenwärtig abnutzt zum Schaden von Menschen, eingeschlossen in einem Zentrum wenige Meilen von der Küste Libyens entfernt, auf der berühmtesten Insel Italiens auf der Mittelmeerroute, Lambadusa. Elas erzählt, dass er einen Monat und eine Woche hinter einem Tor verbracht hat, jenseits dessen er niemanden treffen konnte. Er erinnert sich nur an den Namen einer Person in diesen anderthalb Monaten: Daria. Italien ist für Elas ein Land des Wartens. In jenem Monat hat er gewartet, um einen Doktor zu sehen, in dem Zentrum, dass doch für seinen Empfang vorgesehen war. Nach drei Stunden kam er dann vielleicht. Heute wartet er, weil er seine Anwesenheit auf diesem Boden gesetzlich anerkannt sehen will, den er flüchtend zum ersten Mal erreicht hat. Nach wie vielen Monaten?
Im Garden gibt es zahlreiche Überraschungen: Ich hatte Joyce besucht, Grice gesehen, die Tochter, die im Stadtkrankenhaus geboren wurde; einige Tage, nachdem ich sie kennengelernt hatte, habe ich ihren Mann kennengelernt, der im Mai noch auf Lampedusa war. Aber dort im Krankenhaus bin ich auch Fayza begegnet, der pakistanischen Zimmernachbarin. Sie war vor einer Woche angekommen und hatte schon geboren. Aber manchmal fühlt sie sich noch einsamer als die Nigerianerinnen, die hoffen, sich wenigstens in einem improvisierten englisch-italienisch Anliegen Gehör verschaffen zu können. Fayza, Urdu (die Sprache Pakistans) und ihr Neugeborener Edres waren wirklich die Unfähigkeit an Kommunikation, auch weil Fayza keine Lust hatte, irgendjemanden anzulächeln. Jetzt gibt sich Fayza Mühe, einige Worte in Italienisch zu sprechen, hat bei sich den Ehemann, die Schwiegermutter, den Neffen. Ich habe entdeckt, dass ich mehrmals am Telefon mit dem Ehemann von Fayza gesprochen hatte, aber ohne zu wissen, dass er in irgendeiner Weise mit jener Pakistanerin ohne Lächeln im Stadtkrankenhaus verbunden war. Der Ehemann von Fayza ist auch der Onkel von Hamza, einem schüchternen Sechzehnjährigen, der mit ihnen am 19. Mai angekommen ist, der aber bis Mitte Juli auf Lampedusa bleiben musste. Aufgrund seiner Anfrage ist er zu seinem Onkel verlegt worden. Zwei Monate der persönlichen Freiheit beraubt, dafür, dass er eine Anfrage gemacht hat. Der Onkel hat auch die Nummer gespeichert wie „Lampedusa“, während er für mich der Onkel von Hamza war. Ich habe auch entdeckt, dass die Schwiegermutter, die die Überfahrt am 19. Mai gemeinsam mit diesen Familienmitgliedern gemacht hat, eine alte pakistanische Frau ist, die sich in Neapel besser eingewöhnt hat als andere Asylbeantragende: Vielleicht, weil sie schon in einem anderen Land alt geworden ist und nicht hier darauf wartet.
Hemy, Belss, Joyce, Fayza, Jummy sind Frauen mit Erwartungen. Mit Ehemann aber ohne Kind, ohne Mann aber mit Zwillingen, mit der noch offenen Wunde der Demütigung durch eine unverdiente Gefangenschaft, aber auch umgeben und nahe aller Familienangehöriger, mit denen sie gemeinsam losgefahren sind.
Der einzige der Umstände, wegen dessen eine Erwartung dieser Art in einem fremden Land eine frohe sein kann.
Die Namen der Frauen und der Ehemänner sind geändert.
(Aus dem Italienischen von Rainer Grüber)