Piazza Armerina: wie die Aufnahmeverwaltung fremdenfeindliche Ressentiments schüren kann
Seit der Veröffentlichung unseres Berichts zur Führung der Aufnahmeeinrichtungen in der Provinz Enna sind gerade einmal zwei Wochen vergangen und im Laufe von wenigen Tagen hat sich die Situation komplett geändert. Seit letzter Woche ist in der Tat die Umsetzung der Auftragsvergabe nach der Rangliste der Bewerber für die Ausschreibung für den Zeitraum von Januar bis Juli 2015 begonnen worden. Da das entsprechende Vergabeabkommen am 31. Dezember des letzten Jahres abgelaufen ist, folgt daraus, dass die Einrichtungen der Provinz, denen in Folge der Ausschreibung der Auftrag vergeben wurde, auf Basis der Verlängerung des oben genannten Abkommens arbeiten. Durch das Abkommen wurden in den letzten Tagen auch einige Bewohner*innen umgesiedelt, weil ihre Aufnahme widerrufen wurde.
Wenn auch einige Asylsuchende von diesen Versetzungen profitieren konnten, da sie in Einrichtungen der Provinz unterkamen, die zweifelhafte Aufnahmebedingungen bieten, so haben diese für andere nur Unbehagen gebracht. Sie sind durch die Versetzung gezwungen, den Ort, an dem sie lange lebten, für eine andere Unterbringung in derselben Provinz zu verlassen.
Dennoch sind die einzigen Proteste, die stattgefunden haben, jene der Anwohner*innen der Piazza Armerina, die schon immer gegen die Unterbringung der Migrant*innen in einem kleinen Wohnhaus, das in der Wohngegend „Santa Croce“ liegt, Widerstand leisten. Die betreffende Einrichtung wird von der Kooperative „Sud Service“ geführt, der zusammen mit dem Verein „Solidarietà“ der erste Platz der Rangordnung zuerkannt wurde und demnach die Aufnahme von 101 Migrant*innen übernimmt. Insgesamt hat der Verwaltungsbezirk 150 Notaufnahmen für die Gemeinde von Piazza Armerina vorgesehen. Die Kooperative „Sud Service“ hat die jüngsten Erfahrungen mit Aufnahmestellen im Territorium gemacht und verwaltet seit circa einem Jahr 20 Aufnahmeplätze innerhalb eines Agriturismo, das fünf Kilometer vom bewohnten Stadtzentrum entfernt ist.
Die von einem Bürgerkomitee geführten Proteste begannen vor mehr als einem Jahr, als bekannt wurde, dass in diesem Gebäude 85 Migrant*innen untergebracht werden sollten. Auf die zahlreichen Proteste folgten Treffen zwischen Präfektur, Bürger*innen und der Leitung des Zentrums. Die Parteien schienen ein Einverständnis erreicht zu haben, als man sich in einem Bürgerrat letzten Januar auf die Unterbringung einer maximalen Anzahl von 25 Migrant*innen in der Einrichtung „Santa Croce“ geeinigt hatte.
Aus diesem Grund hat am 15. März der Einzug von sechzig Asylsuchenden in die Struktur eine negative Reaktion der Bürger*innen hervorgerufen. Die Migrant*innen stammten aus anderen Zentren in der Provinz und deren Aufnahme wurde widerrufen. Die negative Reaktion ist nun deutlich in großen Buchstaben auf den Bannern zu lesen, die das Bürgerkomitee in der Gegend um das neue Aufnahmezentrum aufgehängt hat: „Keine Invasion des Stadtbezirkes“, „Verhätschelte Migrant*innen, vergessene Bürger“, „Bezirksvorstand: viele Versprechen, wenige Fakten“, „Keine Ghettos“.
Die Konsequenzen dieser Zusammentreffen zwischen Institutionen, sowohl jenen privaten und jenen öffentlich-bürgerlichen, tragen wie immer die Migrant*innen, die diese Willkommensphrasen an ihren Türen fanden und für die es sicherlich schwierig wird, sich so in ein soziales Umfeld zu integrieren, in dem sie ihren Alltag normal ausleben wollen.
Das Komitee „Legalità: Quartiere Santa Croce“ (dt.: „Legalität: das Viertel Santa Croce“) hatte bereits letzten Januar, als auf öffentlichem Wege die Nachricht durchgesickert war, dass mehr Migrant*innen Einzug erhalten werden, als vereinbart war, eine Pressemitteilung herausgegeben. Dessen Inhalt war von besorgniserregenden populistischen und alarmierenden Tönen geprägt. Man sprach dabei in unangemessener Weise von Illegalen und Invasionen und glossierte mit der Androhung, Barrikaden zu errichten, wenn diese nötig werden sollten. Diese Veröffentlichung hat von offizieller Seite der Institutionen keine Antwort bekommen. Weder wurden Prozeduren zur sozialen Mediation in die Wege geleitet, die das gegenseitige Kennenlernen der einzelnen Interessengruppen unterstützen würden, noch Treffen organisiert, um den Bürger*innen den juristischen Status der Asylsuchenden näher zu bringen.
Ein anderer Ton wurde in der Pressemitteilung des Komitees vom 28. Februar angeschlagen. Darin wurde die Wichtigkeit davon hervorgehoben, die Bürger*innen in Entscheidungen mit einzubeziehen, die das Viertel direkt betreffen. Und auch in der Meldung vom 6. März, mit der das Komitee einen friedlichen Protest am 12. März ankündigte, wobei bekräftigt wurde, dass man nicht gegen die Aufnahme dieser bedürftigen Personen sei (in dem Fall, dass sie Flüchtlinge sind, und nicht Illegale), sondern gegen die Bildung großer Aufnahmezentren, die Ghettos hervorbringen würden.
Die selbe Pressemitteilung enthielt außerdem Folgendes: „Wir denken, es ist falsch, eine so große Zahl an Menschen in eine einzige Struktur in nur einer Gemeinde zu konzentrieren, denn aufgrund der Schwierigkeiten, die wir alle kennen, wird es beinahe unmöglich sein, diesen armen Menschen eine Beschäftigung zu garantieren, und dies würde in der Unmöglichkeit resultieren, sie tatsächlich in das Sozialleben der Gemeinde zu integrieren.“
So unangenehm es auch erscheinen mag: eine große Anzahl an Migrant*innen in kleinen Stadtzentren zu konzentrieren ohne die notwendigen Vorkehrungen für die Partizipation der Bürger*innen zu treffen, ist oft der erste Grund für feindselige Einstellungen von Seiten der örtlichen Bevölkerung. Daher muss man die Zahl der Aufnahmen in Proportion zur Bevölkerung sehen, wenn man auf mehr soziale Interaktion und Inklusion der Migrant*innen hinarbeiten möchte. Es ist kein Zufall, dass die Kapazität der SPRAR*-Projekte auf die Zahl der Bewohner*innen der Gemeinden, die sie leiten, abgestimmt wird.
Im Gegensatz dazu kann die Verwaltung der Aufnahmeeinrichtungen, wenn sie nicht gewisse essentielle Parameter in Betracht zieht, ein Antrieb werden für die Verschärfung von Misstrauen, Unsicherheit und Entfremdung der Bürger*innen gegenüber der Migrant*innen. Diese Gefühle können in den schärfsten Fremdenhass münden.
Der Fall der Piazza Armerina ist einer von vielen, die sich in den kleinen und großen Stadtzentren auftun, die in die Aufnahme von Migrant*innen verwickelt sind. Es ist wichtig aufzudecken, dass die Verwaltung, wenn sie nicht Informationen, die Miteinbeziehung der Bevölkerung, und die Einführung von Mediationsaktivitäten gewährleistet, sozialen Spannungen Vorschub leistet. Dies stellt ein Hindernis für die Inklusion der Migrant*innen in der Region dar und bildet somit einen Kontext, in dem das Konzept des „Wir“ und „Ihr“ nur bestärkt wird.
Es ist also schwer verständlich, dass die Präfektur von Enna, die monatelang die Tauglichkeit der Zentren testeten ein Modell gewählt hat, das die verstreute Aufnahme auf verschiedene Zentren opfert, und die Räumung einiger kleinerer Zentren in der ganzen Provinz vorsieht.
Giovanna Vaccaro
Borderline Sicilia Onlus
*SPRAR:
Sistema di protezione per rifugiati e richiedenti asilo: Schutzsystem
für Asylsuchende und Geflüchtete, kommunales Aufnahmesystem auf
freiwilliger Basis
Übersetzung aus dem Italienischen von Sophia Bäurle