Das ist keine Aufnahme

Vita.it – Sein Name war Anwar. Der 20-jährige eritreische Junge, wurde bei einem Fluchtversuch aus dem Asylzentrum Villa Sikania in der Provinz Agrigento von einem Auto angefahren und starb. Bereits 2019 hatten Borderline Sicilia und Asgi* der Präfektur die besorgniserregenden sanitären Bedingungen und das Fehlen von Mindestaufnahmestandards gemeldet. Don Mussie Zerai: „In dem Land, das ihn bewahren, ihm Sicherheit gewähren und beschützen sollte, fand er stattdessen den Tod“.

villa sikaniaEs gibt nicht nur den Hotspot von Lampedusa. Das vieldiskutierte Zentrum der Insel, das nach den letzten Anlandungen 1300 Bewohner*innen erreicht hat, soll in kurzer Zeit geräumt werden. Von der Regierung sind dazu zwei prächtige Quarantäneschiffe zur Insel geschickt worden. In Siculiana, derselben Provinz Agrigent, starb ein 20 Jahre alter eritreischer Junge, der von einem Auto angefahren wurde, als er versuchte aus Villa Sikania zu fliehen und von Polizisten wegzulaufen, die ihn verfolgten und verwundet wurden.

Während des gesamten Nachmittags hatten die Migrant*innen, die Einwohner*innen des Zentrums, aus verschiedenen Gründen auf den Dächern protestiert, unter anderem wegen der verlängerten „präventiven“ Quarantänezeit von 14 Tagen und wegen der Bedingungen, die dem Asp* und der Präfektur von Agrigento bereits 2019 von dem Verein Borderline Sicilia und Asgi gemeldet worden waren.

Die im Juli 2019 eingereichten Beschwerden betrafen die ernste Gesundheits- und Hygienesituation im Asylzentrum [CAS, derzeit COVID-Zentrum, Anm. der Red.] und die Nichteinhaltung der Mindestaufnahmestandards. Bereits 2019 hatten Borderline Sicilia und Asgi Überbelegung, Promiskuität, fehlende sanitäre Einrichtungen, fehlende Kinderbetten und sogar Bettwanzen festgestellt. Eine Situation wie die der Zentren für Migrant*innen auf Sizilien, die, wie Vita im März berichtete, nicht den Anforderungen entsprach, um der Ausbreitung möglicher ansteckender Krankheiten entgegenzuwirken. „Wir haben in verschiedenen Zentren auf Sizilien – zu Zeiten von Covid19 – Zustände von Überbelegung, längerer Inhaftierung vorgefunden, wobei die Verlegung in andere Regionen, sehr langsam erfolgt“, erklärt Paola Ottaviano, eine der Gründer*innen von Borderline Sicilia. „Es ist klar, wenn man die 14 Tage der präventiven Quarantäne nicht einhält, handelt es sich um eine unrechtmäßige Inhaftierung“, fügt Anna Paola Ammirati von Asgi hinzu.

Für Don Mussie Zerai, einen eritreischen Priester, der bereits für den Friedensnobelpreis nominiert wurde, hätte der Tod des jungen Mannes vermieden werden können. „Ich frage mich, warum niemand auf den Protest der Migrant*innen hörte, die am frühen Nachmittag auf die Dächer gestiegen waren. Es handelt sich um einen Tod, der so viel Schmerz bereitet, ein Junge von nur 20 Jahren, der auf diese Weise stirbt, nachdem er die Gefangenenlager in Libyen und die Überquerung des Mittelmeers überlebt hat. In dem Land, das ihn bewahren, ihm Sicherheit gewähren und beschützen sollte, fand er stattdessen den Tod“, fügt Don Mussie hinzu, der auch sein Mitgefühl den verwundeten Polizisten zum Ausdruck bringt. „Ich frage mich jedoch, ob es keinen anderen Weg gab, diese Angelegenheit zu lösen. Warum haben diese Migrant*innen protestiert? Jemand sagt, dass die Migrant*innen Covid bringen, und dann werden sie alle in den überfüllten Zentren gesteckt, wer denkt da an ihre Gesundheit? Und haben sie nicht das Recht, an ihre Gesundheit zu denken?“

Auch das Zentrum Astalli hat die Institutionen aufgerufen, nach dem Tod des jungen Mannes der das Erstaufnahmezentrum verlassen hatte, in dem er sich seit dem 1. August zusammen mit 200 anderen Migrant*innen aufgehalten hatte. „Es handelt sich um ein Leben, das nicht durch einen tragischen Unfall, sondern durch das Fehlen einer angemessenen Aufnahme- und Betreuungspolitik für die, in Italien ankommende Migrant*innen beendet wurde“, sagte Camillo Ripamonti, Präsident des Zentrum Astalli, der eine sofortige Änderung der Sicherheitsdekrete und die Reform des Dubliner Vertrags forderte.

Anwar war 20 Jahre alt und starb in der Nacht, von einem Auto angefahren, das mit voller Geschwindigkeit fuhr, bei dem Versuch, aus dem Zentrum zu entkommen, das ihn hätte aufnehmen sollen. Und das kann man sicherlich nicht als Aufnahme bezeichnen.

Alessandro Puglia

*Asgi: Associazione per gli studi giuridici sull’immigrazione – Verein für juristische Studien zur Immigration
*Asp: Azienda Sanitaria Provinciale Di Agrigento – Gesundheitsbehörde der Provinz Agrigento

Aus dem Italienischen übersetzt von Caroline Ausserer