NEWSLETTER Siciliamigranti – Juli 2012

B4p im Mittelmeer – Ein Resumee
Stoppt das Sterben von MigrantInnen auf See! Für Freiheit und Solidarität im Mittelmeerraum
Dieser Slogan hat die Aktion b4p charakterisiert. Die Idee dazu ist vor einem Jahr bei einem antirassistischen Kongress im italienischen Cecina geboren worden. Aktivisten aus verschiedenen afrikanischen und europäischen Ländern haben an den Aktivitäten an beiden Ufern des Mittelmeeres von b4p im Juli 2012 teilgenommen. Nach einjähriger Vorbereitung ist der Schoner OLOFERNE, Symbol des Kampfes gegen das Sterben der Migranten, von Cecina Richtung Palermo, Pantelleria, Monastir und Lampedusa aufgebrochen.
Die Fahrt der OLOFERNE wurde in Italien maßgeblich vom ARCI organisiert, während die Vereine Borderline Sicilia und borderline-europe gemeinsam mit dem Antirassistischen Forum Palermo eine Aktionswoche mit Debatten und Filmen in Palermo vorbereiteten und auch an den Abschlussveranstaltungen auf Lampedusa organisatorisch beteiligt waren. Die OLOFERNE legte am 5.7. in Palermo an, die Besatzung, u.a. der Koordinator der Aktion, Nicanor Haon, beteiligte am internationalen Diskussionsabend in Santa Chiara. Am 6.7. gab es eine Gedenkfeier am Meerufer in der palermitanischen Innenstadt und zwei Boote mit Aktivisten, die auf See mit Kerzen der Toten gedachten. siehe Artikel La Repubblica

Am 7.7. fuhren die circa 80 internationalen Aktivisten mit zwei Fähren nach Tunis, um an den Aktionen in Tunis und Monastir teilzunehmen. Unter ihnen auch Vertreterinnen von borderline-europe und sizilianische Aktivisten. Auf der Fähre gab es Gelegenheit, mit den Passagieren über die Aktion zu diskutieren und den Sinn und Zweck von b4p zu erläutern.
Eine Delegation, der auch eine Vertreterin von borderline-europe angehörte, reiste für zwei Tage in das Flüchtlingslager Shousha an der libyschen Grenze, am 13.7. gab es dann einen b4p gewidmeten Tag der Debatten und Workshops in Monastir.
Die letzte Etappe der OLOFERNE war die Insel Lampedusa. Borderline Sicilia/borderline-europe und die lokale Gruppe ASKAVUSA („Barfuß“) sowie eine Vertreterin von Migreurop haben das Willkommen des Schoners organisiert. Das Projekt „Watch the med“ www.watchthemed.crowdmap.com wurde von Lorenzo Pezzani vorgestellt, am 19.7. gab es eine weitere Gedenkfeier für die Toten auf See, borderlone-europe und zwei ehemalige Flüchtlinge, die auf Lampedusa angekommen waren, verlasen die Todesfälle dieses Jahres im Kanal von Sizilien. Dabei wurden von der OLOFERNE und einem weiteren lampedusanischen Boot vor der Küste in Sichweite Blumen ins Meer gestreut.
„Am 19. Juli liefen auf Lampedusa die letzten Aktionen von Boats4people auf See. In den kommenden Wochen werden die UnterstützerInnen und AktivistInnen von Boats4people eine Auswertung der Aktionsreihe vornehmen und die Zukunft des Projekts besprechen. Die Mittelmeerüberquerungen von Boats4people waren ein Erfolg. Nichtsdestotrotz waren die letzten Wochen von zahlreichen tragischen Vorfällen gekennzeichnet. Sie bewiesen aufs Neue, dass die Schließung der EU-Grenzen tödliche Folgen hat.“ Pressemitteilung Nr. 10 b4p

Aus unserer Sicht ist b4p eine wichtige Aktion gewesen, um eine Netzwerk zwischen den beiden Ufern des Mittelmeeres zu schaffen, aber es war auch nur ein erster Schritt eines Prozesses, der entwickelt und gestärkt werden muss. Noch gibt es viele Kritikpunkte an dem, was wie wo organisiert wurde und wie das internationale Netzwerk agiert hat.
In den kommenden Wochen wird es in verschiedenen Regionen Auswertungen der Aktionen geben, ob und wie es dann weitergeht, bleibt abzuwarten.
http://139.59.164.81/2012/07/13/lampedusa-zwischen-boats4people-und_13/
http://139.59.164.81/2012/07/16/lampedusa-zwischen-boats4people-und/
http://139.59.164.81/2012/07/17/die-oloferne-kommt-den-toren-der/
http://139.59.164.81/2012/07/20/lampedusa-zwischen-b4p-und-filmfestiva/
http://139.59.164.81/2012/07/23/boats4people-in-sizilien-und-tunesien/

Auch dieses Jahr wieder: LampedusaInFestival
Mit der Beendigung der Aktion b4p wurde „LampedusaInFestival“ eröffnet, ein Kurzfilmfestival mit den diesjährigen Themen Migration und Demokratie. Filme, Debatten, Buchvorstellungen und die Vorführung von Filmen, die der lampedusanische Verein ASKAVUSA im Vorfeld ausgewählt hatte, bildeten das Programm. Bordeline Sicilia und borderline-europe haben die Durchführung des Festivals gemeinsam mit anderen Freiwilligen-Gruppen organisiert.
Das erste Mal bestand die Jury der Sektion Migration/Erinnerung fast nur aus Migranten: der Vorsitzende der Jury war Dagmawi Ymer (selbst vor Jahren in Lampedusa angelandet und nun Filmemacher in Italien), er vertrat die AMM – das Archiv für die Erinnerung der Migranten, weitere Juroren waren Zakaria Mohamed, Ali Hevi Dilara, Mohamed Ba und Salvatore Billeci. Der diesjährige Preisträger ist der Film VERA von Francesca Melandri. Die Geschichte einer kroatischen Jüdin, die mit 15 ihre gesamte Familie verliert. Nun züchtet sie mit ihren 87 Jahren ganz allein Vollblutpferde auf dem Lande in der Nähe von Rom. Sie erzählt ohne Bitterkeit über den Horror des Holocaustes, zeitgleich verfolgen die Zuschauer – und Vera – die Geburt eines neuen Lebens, eines Fohlens. Die Sektion „Demokratie“ wurde geleitet von Peitro de Rubeis für die Jugendbewegung Lampedusa, Juroren waren der Journalist Stefano Liberti sowie Costanza Ferrini, Maria Teresa De Sancitis, Mariangela Barbanente. Premiert wurde der Film MINOTAWRA: SI ESPORTA CAMBIAMENTO (Mino-Tawra: Änderungen werden exportiert) von Kamikairy Fares, ein Film über die tunesische Revolution.

http://www.lampedusainfestival.com/opere-vincitrici.html

– Neuigkeiten aus Lampedusa: Interview mit dem stellvertretenden Bürgermeister Damiano Sferlazzo
– Neue Anlandungen an der sizilianischen Ostküste
– Flüchtlingsaufnahme im Rahmen des Notstands Nordafrika in Gefahr: der Zivilschutz tritt von den eingegangenen Verpflichtungen zurück
– Beobachtung der Verletzungen des Rechts auf Verteidigung: gute Nachrichten

NEUIGKEITEN AUS LAMPEDUSA: INTERVIEW MIT DEM STELLVERTRETENDEM BÜGERMEISTER DAMIANO SFERLAZZO
Nach Abschluss des Festivals und als die letzten Aktivisten die Insel verlassen haben, sind wieder neue Migranten angekommen.
Lesen Sie hier: http://siciliamigranti.blogspot.it/2012/07/sbarco-lampedusa-approda-natante-con-41.html
Lesen Sie hier: http://siciliamigranti.blogspot.it/2012/07/guardia-costiera-soccore-al-largo-di.html
Doch leider wird der Juli wegen der hundertsten Tragödie auf dem Meer in Erinnerung bleiben: jenes Boot, das mit 55 Menschen an Bord in Lampedusa hätte ankommen sollen, von denen es jedoch nur einen einzigen Überlebenden gegeben hat, der im letzten Moment vor der tunesischen Küste gerettet wurde.
Lesen Sie hier: http://siciliamigranti.blogspot.it/2012/07/fuga-dalla-libia-54-morti-in-mare-si.html
Anfang des Monats wurde das Zentrum Contrada Imbriacola in Lampedusa wieder eröffnet, obwohl die Insel weiterhin als „unsicherer Hafen“ gilt. Um die aktuelle Situation auf der Insel besser zu verstehen, auch aufgrund des kürzlichen Wechsels der Regionalregierung, haben wir den stellvertretenden Bürgermeister Damiano Sferlazzo interviewt.
Lesen Sie hier: http://siciliamigranti.blogspot.it/2012/07/intervista-damiano-sferlazzo.html

NEUE ANLANDUNGEN AN DER SIZILIANISCHEN OSTKÜSTE
Im Juli gab es an der Küste in der Gegend von Ragusa und Siracusa neue Ankünfte. Der Hangar im Hafen von Pozzallo wurde einige Tage wegen Renovierungsarbeiten geschlossen, und daher wurden die angekommenen Migranten in eine städtische Turnhalle oder nach Portopalo di Capo Passero gebracht, wo sogar der Fischmarkt für die ersten Identifizierungen genutzt wurde.
Lesen Sie hier: http://palermo.repubblica.it/cronaca/2012/07/23/news/immigrazione_in_62_sulla_barca_a_vela_sbarco_nella_riserva_di_vendicari-39588455/
Lesen Sie hier: http://siciliamigranti.blogspot.it/2012/07/sbarco-di-quaranta-migranti-pozzallo.html
Lesen Sie hier: http://siciliamigranti.blogspot.it/2012/07/nuovo-sbarco-pozzallo-in-66-sono-giunti.html#more
Lesen Sie hier: http://siciliamigranti.blogspot.it/2012/07/sbarco-di-cinquanta-migranti-nella.html
Lesen Sie hier: http://livesicilia.it/2012/07/21/sbarco-nel-siracusano-bloccati-14-migranti

Fotos von der Ankunft des 10. Juli Pozzallo

FLÜCHTLINGSAUFNAHME IM RAHMEN DES NOTSTANDS NORDAFRIKA IN GEFAHR: DER ZIVILSCHUATZ TRITT VON DEN EINGEGANGENEN VERPFLICHTUNGEN ZURÜCK
Die 500 Millionen Euro, die für die Sicherstellung der Zahlungen für die Aufnahme der Migranten im Rahmen des sogenannten Notstands Nordafrika – der per Verordnung bis zum 31. Dezember 2012 verlängert wurde – bereitgestellt wurden, sind noch nicht freigegeben worden. Seit Monaten werden in einigen Regionen die Zahlungen für den Unterhalt der Aufnahmegebäude nicht mehr vorgenommen, was schwerwiegende Auswirkungen auf die Bilanzen der Vereine und Kooperativen, die in den letzten Monaten Beträge vorgestreckt haben, ohne dann ihre Mitarbeiter und Lieferanten zahlen zu können, und vor allem auf die Migranten hat, die sich von einem Tag auf den anderen auf der Straße wiederfinden könnten. Diese paradoxe Situation verschont nicht einmal die unbegleiteten Minderjährigen, von denen die meisten Asylbewerber sind.
Lesen Sie hier: http://siciliamigranti.blogspot.it/2012/07/dove-sono-finiti-i-fondi-dellemergenza.html

Die Stadt Mazzarino (CL), Teilnehmer des Projekts vom Schutzsystem für Asylsuchende und Flüchtlinge SPRAR für die Aufnahme und Integration von unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbern, das von der Kooperative „I Girasoli“ geleitet wird, hat am vergangenen 31. Juli an die Nationale Abteilung des Zivilschutzes geschrieben und Erklärungen bezüglich einer am vergangenen 5. Juli vom Träger für die Region Sizilien verschickten Mitteilung hinsichtlich der bereits für die Aufnahme getragenen Kosten verlangt, die durch die von der Regierung bereitgestellten Mitteln abgedeckt werden sollten. Insbesondere hat die regionale Abteilung des Zivilschutzes darauf hingewiesen, dass die Sätze für die in dem genannten Zentrum untergebrachten Minderjährigen nur für den Zeitraum ab dem Tag der Einreichung des Formulars C3 (formeller Antrag auf internationalen Schutz) bis zum 18. Geburtstag der Asylbewerber gezahlt werden. Daher befindet sich das Zentrum des SPRAR in Caltanissetta, das aufgefordert wurde, „die gesamten Unterlagen“ zu den in den vergangenen Monaten gestellten Erstattungsanträgen, die zum Teil auf Grundlage der ursprünglichen Vereinbarungen beglichen wurden, noch einmal durchzusehen, nicht nur in der misslichen Lage, für die bisher vorgestreckten Beträge keine Erstattung zu erhalten, sondern ist auch noch Geld schuldig, da der Betreiber nach den Berechnungen des Zivilschutzes mehr erhalten hat, als ihm auf Grund der „neuen“ Bestimmungen zusteht! Dies weicht vom Inhalt der zwischen den Parteien unterzeichneten Vereinbarung ab, in der die Aufnahme nach den Richtlinien des SPRAR, die Möglichkeit zur Verlängerung des Aufenthalts der Minderjährigen bis zu sechs Monaten nach Erreichen der Volljährigkeit und die Gewährung von Leistungen entsprechend den planmäßig laut Ministerialbestimmungen in den Aufnahmezentren für Asylantragsteller (Cara) erbrachten Leistungen festgelegt sind: im Wesentlichen die Abdeckung des gesamten Aufnahmezeitraums der minderjährigen Asylbewerber ab dem Tag der Unterbringung bis zum Tag ihrer Entlassung. Es zeichnet sich ein langer Kampf ab zwischen denjenigen, die sich wie die Kooperative „I Girasoli“ jeden Tag dafür einsetzen, den minderjährigen Asylbewerbern eine konkrete Möglichkeit der sozialen Integration zu bieten, auch unter nicht unerheblichen wirtschaftlichen Opfern, und dem monströsen Geldvertilger Zivilschutz, der darum bemüht ist, die Löcher einer ruchlosen Verwaltung der staatlichen Mittel zu stopfen. Der Verdacht verhärtet sich, dass der bereits in den anderen Regionen ausgebrochene Sturm nun auch in Sizilien ankommt.
Lesen Sie hier: http://siciliamigranti.blogspot.it/2012/04/il-prossimo-scandalo-della-protezione.html

In der Zwischenzeit hatte der Bürgermeister der Stadt Riace, die gemeinsam mit anderen Städten in Kalabrien ein Muster für die vorbildliche Flüchtlingsaufnahme darstellt, einen Hungerstreik begonnen, um das Schweigen über diese Angelegenheit zu brechen, den er inzwischen beendet hat.
Lesen Sie hier: http://www.asgi.it/home_asgi.php?n=2309&l=it
Lesen Sie hier: http://www.anci.it/index.cfm?layout=dettaglio&IdDett=37766

Am 25. Juli hat der Abgeordnete Pezzotta dem Parlament eine Fragestunde zum Problem der Ablehnungen der Kommission für Tausende von Personen, die 2011 aus Libyen angekommen sind, vorgelegt, ohne jedoch die Gewährung der Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, sondern Programme zur begleiteten Zurückschiebung nach Libyen zu verlangen. Die Antwort der Ministerin Cancellieri, die aus verschiedenen Gründen beunruhigend ist, spielt auch auf die finanzielle Frage an und verweist auf die Bereitstellung der 500 Millionen, ohne jedoch den Grund für die ausbleibende Auszahlung des Betrags zu nennen.
Lesen Sie hier: http://documenti.camera.it/leg16/resoconti/assemblea/html/sed0672/stenografico.htm#sed0672.stenografico.tit00060.sub00030.int00040
Hier finden Sie die Anmerkungen von Prof. Fulvio Vassallo Paleologo von der Universität Palermo: http://www.meltingpot.org/articolo17952.html

BEOBACHTUNG DER VERLETZUNGEN DES RECHTS AUF VERTEIDIGUNG: GUTE NACHRICHTEN
Wir können auf einen ersten Erfolg der Turiner Anwältin, Barbara Cattelan, verweisen, die sich in den vergangenen Monaten mit der Frage nach der gerichtlichen Zuständigkeit der Berufungen gegen die von der Polizei Agrigent verfügten verzögerten Zurückschiebungen an der Grenze in Lampedusa befasst hat.
In dieser Angelegenheit ist das Büro des Friedensrichters in Agrigent mittlerweile seit einigen Jahren einheitlich darauf eingestellt, sich für nicht zuständig zu erklären, ebenso wie das Verwaltungsgericht Sizilien. Das Büro des Friedensrichters hatte diese Position sogar im Fall der Berufung gegen Zurückschiebungen bestätigt, bei denen die Polizei Agrigent den ordentlichen Richter als zuständige Gerichtsbehörde bezeichnet hatte.
Nach jahrelanger Auseinandersetzung zwischen den im Bereich Einwanderungsrecht aktiven Anwälten über die Notwendigkeit und die Zweckmäßigkeit, ein Verfahren zur Zuständigkeitsfrage (d.h. einen Antrag, um zu bestimmen, ob der Verwaltungs- oder der ordentliche Richter in dieser Sache zu entscheiden hat) vor dem Kassationsgerichtshof anzustrengen, und dutzenden Versuchen, mit den deutlichsten Begründungen, die in den Tausenden eingereichten und abgewiesenen Berufungen enthalten waren, ein umgehendes Ergebnis zu erreichen, hat der Anwalt Cattelan in den ersten Monaten des Jahres 2012 in Zusammenarbeit mit Borderline Sicilia Onlus einen Musterfall ausgewählt, der dem Kassationsgerichtshof vorgelegt werden soll.
Vergangene Woche hat der Oberste Gerichtshof, der die von Anwältin Cattelan vorgebrachte Frage für bedeutsam erachtet, eine öffentliche Verhandlung für den kommenden 23. Oktober anberaumt. Der Verein Borderline Sicilia Onlus dankt ganz herzlich all jenen, die sich Tag für Tag dafür einsetzen, dass die Menschenrechte ohne Diskriminierungen allen Menschen zuerkannt werden, und insbesondere dem Anwältin Cattelan, dass sie daran geglaubt hat, dass der Rechtszustand wiederhergestellt werden kann.

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Aus dem Italienischen von Renate Albrecht.