Mafia Capitale, das Geschäft mit den Migranten im Visier. Hausdurchsuchungen in der Provinz Catania, in Mineo und in Piazza Armerina
Repubblica.it – Neue Blitzaktion der ROS (Spezialeinheit der Carabinieri gegen organisiertes Verbrechen), angeordnet von der Staatsanwaltschaft in Rom. Die Telefon-Abhöraktionen enthüllen das System der Korruption rund um die Veraltung des CARA* von Mineo und belangen den Ex-Präsidenten der Provinz Catania, Giuseppe Castiglione, den Bürgermeister von Mineo und die Führungsspitze des CARA. Beschuldigt wird auch der Unternehmer von Piazza Armerina, Silvio Pranio.
Im Zusammenhang mit der neuen Blitzaktion der Staatsanwaltschaft Rom und der ROS zur „Mafia Capitale“ wurden in Catania, Mineo und Piazza Amerina Hausdurchsuchungen durchgeführt. Im Zentrum der Untersuchungen der Staatanwälte und der Ermittler steht die Auftragsvergabe für die Verwaltung des CARA von Mineo. 44 Festnahmen wurden in ganz Italien durchgeführt; keine davon auf Sizilien, wo aber die Ermittler gleichwohl nach Belegen für das System der Korruption suchen, das durch die Abhöraktionen ans Licht gekommen ist.
Die Ermittler der ROS und der Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft von Catania, die schon seit geraumer Zeit eine Akte zu der Auftragsvergabe eröffnet haben, sind heute Vormittag in den Büros der Provinz Catania und des Konsortiums „Sol Calatino“ erschienen, um Dokumente zu beschlagnahmen und die Hypothese der Staatsanwaltschaft zu überprüfen. Wie die Staatsanwälte von Catania erklärten, ist „die Auftragsvergabe für die Verwaltung des Cara von dem Ausschreibenden (dem Ex-Präsidenten der Provinz Catania) zugunsten des ATI (ein zeitweiliger Zusammenschluss verschiedener Unternehmen), geführt von der Kooperative Sisifo, strukturiert worden. So geht es aus den Untersuchungen der Staatsanwaltschaft Rom hervor, die die dauerhafte Koordinierung der Untersuchungen innehat“. Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmung von PCs hat es auch in der Führungsspitze des Konsortiums „Sol Calatino“, bei Paolo Ragusa und Giovanni Ferrera sowie bei der Bürgermeisterin von Mineo, Anna Aloisi gegeben. Zu den vermuteten Straftaten gehören unter anderem Auktionsstörung, gefälschte Rechnungen und betrügerisches Verschieben von Geldern.
Im Mittelpunkt der Ermittlungen steht Luca Odevaine, der schon während des ersten Abschnitts der Untersuchung „Mafia Capitale“ verhaftet wurde. Er gehörte zum „Kreis der nationalen Koordinierung der Aufnahme für Antragsteller und Inhaber von internationalem Schutz“. In den vergangenen Wochen hat er vor dem Untersuchungsrichter in Rom zugegeben, dass er üppige Schmiergelder kassiert hat, um die Ausschreibung für das CARA von Mineo „abzusichern“. Verschiedene „sizilianische“ Namen kommen in den zig abgehörten Telefonaten immer wieder vor, in denen Odevaine von der Auftragsvergabe von über 10 Millionen Euro für das CARA von Mineo spricht. Unter anderem der Name des Unterstaatssekretärs im Landwirtschaftsministerium, Guiseppe Castiglione, in seiner Funktion als Ex-Präsident der Provinz Catania (also der Auftraggeber) und Giovanne Ferrera, Präsident des Konsortiums. Beide stehen auf der Liste der Beschuldigten.
Den Staatsanwälten zufolge, stand Odevaine auf der Gehaltsliste von Massiomo Carminati, dem Chef der „cupola nera“ von Rom, weil er in der Lage war, die Zuweisung der Migranten aus dem CARA von Mineo in andere Aufnahmezentren von „befreundeten“ Unternehmern zu steuern.
„Luca Odevaine“, schreiben die römischen Staatsanwälte, „ hat eindeutig, kraft der Rolle, die er trickreich mit Erfolg gepflegt hat, seine Fähigkeit, die Ströme der Migranten, die durch Mineo gelaufen sind, in andere Aufnahmezentren zu lenken, die Träger seiner eigenen Interessen waren, dem Steuerberater (Salvator Buzzi, Bezugsperson von Carminati, ndr) anvertraut“. So sagte Odevaine: „Das heißt natürlich: Da ich an dieser nationalen Tafel saß und diese beständige Beziehung zum Minister hatte … war ich in der Lage die Ströme, die von unten ankamen, ein wenig zu lenken, auch weil sie oft durch Mineo kamen.“
Auf der Liste der Beschuldigten der Staatsanwaltschaft Rom steht auch der Unternehmer Silvio Pranio. Er ist angeklagt, seine Freundschaft mit Odevaine ausgenutzt zu haben, um sein Hotel in ein Aufnahmezentrum umzuwandeln. Und er hatte Erfolg damit.
Aus dem Italienischen von Rainer Grueber
*CARA – Centro di accoglienza per richiedenti asilo: Aufnahmezentrum für Asylsuchende