Sizilien im Netzwerk des Widerstandes und der Solidarität der Europäischen Karawane 2020
Nach vier intensiven Tagen voller Konferenzen, Debatten und Initiativen – in Bilbao, Valencia, Norditalien und auf Sizilien – geht die Europäische Karawane 2020 zu Ende – eine Initiative, die von Caravana Abriendo Fronteras und Carovane Migranti gefördert wurde.
Ein Ereignis der Anprangerung, der Sensibilisierung und der Bezeugung, das sich vom 26. bis zum 30. August an verschiedenen Grenzen Europas zugetragen hat, sei es in Präsenz oder virtuell: Von der Balkanroute zu den Grenzen im Mittelmeer, vom Hafen von Bilbao zu dem von Burrania, von Saluzzo bis Campobello di Mazara, von Oulx und Briancon zu den Waffen- und Kriegsfabriken, vom Zentrum in Gradisca zum Hotspot von Pozzallo. Das Ziel der Europäischen Karawane 2020 war die Anprangerung des Krieges gegen Migrant*innen, der Verletzung ihrer Rechten, der Unterdrückung und der Ausbeutung derer, die die zunehmend militarisierten Europäischen Grenzen überschreiten.
Auch Sizilien hat als südeuropäische Grenzinsel an der Karawane 2020 teilgenommen.
Als Verbündete und Aktivist*innen für die Rechte der Migrant*innen und gegen die Militarisierung Siziliens haben wir uns an den Grenzorten Siziliens begeben, Orte der Ausbeutung und der Ausgrenzung. In Zeiten der Pandemie, die die Verletzung der Menschenrechte “rechtfertigt” und leichter macht, sind wir Zeug*innen von Abschiebungen, schlechten Aufnahmebedingungen und Diskriminierung geworden. Wir haben über die vom Sicherheitswahn getriebene, rassistische Unterdrückung, und über die Militarisierung unserer Länder und Häfen diskutiert, die mit systematischer Gewalt gegen die Grenzüberschreitende einhergeht.
Im Zusammenhang mit den europäischen Initiativen haben wir das Asylrecht, die Gesetzeslage, den Gesundheitsschutz der Migran*innen in Zeiten der Pandemie, die Kriminalisierung von NGOs und Rettungsschiffen, die illegale Anwerbung und Ausbeutung von Tagelöhner*innen, und die in Ermangelung legaler und sicherer Migrationswege im Mittelmeer Verschwundenen zum Thema gemacht.
Der Beitrag Siziliens hat sich in einer Reihe beispielhafter Initiativen an bedeutungsvollen Orten gezeigt. In Catania bei einer Pressekonferenz haben wir die Politik von Frontex, die Abschiebungen und die von Europäischen Regierungen finanzierten Rechtsverletzungen in Libyen und im Mittelmeerraum angeprangert. In Pozzallo haben wir das System der Hotspots kritisiert, vom Kampf gegen die Militarisierung und gegen das MUOS* gesprochen, und ein Treffen mit dem Bürgermeister abgehalten, um die Notwendigkeit guter Aufnahmebedingungen zu unterstreichen. Im Ghetto von Campobello di Mazara haben wir die Ausbeutung der ausländischen Arbeiter*innen thematisiert und wir haben gefeiert, dass jetzt in den Aufnahmezentren für Migrant*innen, dank der Arbeit der lokalen Verbände, Wasser zugänglich ist. Außerdem haben wir in diesen Tagen Videobeiträge geteilt, die die Anlandungen auf Lampedusa, das Ghetto von Cassibile und die Initiativen in Palermo für eine Regularisierung der Migration, zeigen.
Wir hatten die Gelegenheit, uns mit den Mitgliedern von Carovane Migranti zu treffen, die mit wichtigen Initiativen an der italienisch-französischen Grenze und der Balkanroute beteiligt sind. Eine Situation der aktiven Solidarität, die sich nicht von der Gleichgültigkeit und dem Schweigen um die Unterdrückung der Migrant*innen abschrecken lässt und die weiterhin unermüdlich für die Toten und für die Verschwundenen nach der Wahrheit und nach Gerechtigkeit verlangt, wie ein Megafon, dass die Stimmen derer verstärkt, die gegen die Gewalt an den Grenzen Europas und auf der ganzen Welt kämpfen.
Stimmen Einzelner, sind während der Karawane zu solidarischen Chören geworden, Stimmen vom Norden und vom Süden, haben sich vereint, um die Europäischen Mauern niederzureißen. Während des Flashmobs im Frontex-Hauptquartier in Catania, auf Sizilien, haben wir eine Mauer aus Karton zerstört, die die Festung Europa darstellte, um symbolisch unser Engagement gegen die Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Migrant*innen zu zeigen.
Sowohl auf Sizilien als auch in Europa gehen die Sicherheitsansätze immer mehr in Richtung Grenzsicherung. Unser Engagement diesbezüglich bleibt klar: wir fordern Anspruch auf Bewegungsfreiheit, Schaffung guter Aufnahmebedingungen, Förderung und Öffnung legaler und sicherer Migrationswege, die die Politik des Todes stoppen und die Selbstbestimmung der Migrant*innen ermöglicht.
Um diese Vorhaben voranzutreiben ist es heute mehr denn je nötig, die Solidarität zwischen Europa und dem Mittelmeerraum zu stärken, auch indem am Karawanenprojekt mitgewirkt wird und indem es bekannt gemacht wird. Die Themen und Kämpfe, die uns an den italienischen, nordafrikanischen, spanischen, französischen und baskischen Grenzen vereinen werden weiterhin ein transnationales Netzwerk des Widerstands aufrechterhalten.
Damit Sizilien eine Karawane der Rechte und der Gerechtigkeit ist, eine offene und solidarische Insel, das Tor zu einem gastfreundlichen Europa für alle.
Silvia Di Meo
Borderline Sicilia
*MUOS: Mobile User Objective System
Aus dem Italienischen übersetzt von Franziska Lorusso