Kampagne #overthefortress: eine zweimonatige Reise von Sizilien nach Rom auf der zentralen Mittelmeerroute und darüber hinaus
Quelle: Meltingpot.org
40 Etappen, 3400 Kilometer, ein Camper: nimm teil an der Reise und unterstütze das Crowdfunding!
Der Camper von #overthefortress schifft sich im Hafen von Igoumenitsa nach Süditalien ein um Umfragen und unabhängigen Austausch Seite an Seite mit Migrant*innen und der Gesellschaft vor Ort zu verwirklichen, um Gemeinplätze und vorherrschende Meinungen zur Diskussion zu stellen, um einer guten Aufnahmepolitik, der Solidarität und zivilem Engagement dem Weg zu bereiten.
Start am Montag, den 31. Oktober 2016 von Pozzallo (Provinz Ragusa): siehe die Veröffentlichung zur Pressekonferenz.
Zwei Monate wird die Reise dauern, von Sizilien, weiter nach Kalabrien, Apulien, Kampanien und Lazio mit finaler Etappe in Rom am 22. Dezember 2016.
Während der Reise produzieren wir multimediale Berichte, Liveaufnahmen und eine kollektive multimediale Reportage.
Nimm an den Etappen zusammen mit den Aktivist*innen aus Kampanien teil (siehe Karte)!
Informationen: overthefortress@meltingpot.org
+39 348 248 3727 (Sekretariat, Organisation),
+39 335 123 7814 (Camper).
Folge uns auf www.meltingpot.org
Ende Oktober verlässt der Camper Igoumenitsa in Richtung der apulischen Küste. Die Tour der Kampagne #overthefortress, diesen März in Ancona und Bari mit dem Ziel begonnen Idomeni, das informelle Flüchtlingscamp an der griechisch-mazedonischen Grenze zu erreichen, wird nun wieder genau hier zurück erscheinen.
Seit März hat sich die Situation der Geflüchteten, die in Griechenland festsitzen, aufgrund des Abkommens mit der Türkei und der praktisch vollständigen Schließung der Balkanroute drastisch verschlechtert.
Gezwungen in staatlichen Lagern unter menschenunwürdigen Bedingungen auszuharren sind die Hoffnungen der Geflüchteten, ein anderes europäisches Land zu erreichen, wo ihnen Schutz gewährt wird oder sich mit ihren Familien wieder zuvereinigen, wegen der konfusen und langsamen Bürokratie meist vergebens.
Für die Syrer*innen ist das relocation program ein Glücksrad, das für viele nicht in die richtige Richtung dreht. Auch für Geflüchtete aus andern Kriegs- und Krisenregionen ist der Faden der Hoffnung gerissen. Sie haben nur noch wenige Möglichkeiten: entweder sie beantragen in Griechenland Asyl und im Fall der Ablehnung werden sie in ihr Herkunftsland zurück gebracht, oder sie bezahlen einen Schlepper und riskieren an den militarisierten Grenzen von „Migrantenjägern“ festgenommen zu werden oder in einem der Länder der Balkanroute stecken zu bleiben. Die Lage hat sich auch hier derart verschlechtert, dass wegen gesetzeswidriger Festnahmen, Zwangsabschiebungen und unwürdiger Aufnahmebedingungen keiner der Migrant*innen bleiben will.
Die Balkanroute und vor allem Griechenland, sind ein riesiges Experimentierfeld für die Europäische Union, was die Bewältigung der Flüchtlingsströme betrifft. Das haben wir in den vielen Monaten durch Zeugenaussagen erfahren und in eigenen Erfahrungen erlebt. In diesem weitläufigen Gebiet wird ein Modell der Militarisierung und der Befestigung der europäischen Außengrenzen vollzogen, das das Recht auf Bewegungsfreiheit der Migrant*innen zunichte macht und das in fundamentalem Widerspruch zum internationalen Flüchtlingsrecht steht. All das dient nicht nur dazu, die Geflüchteten zurückzuhalten, sondern ebenso einer Darstellung über die bezwungene Migration, im Gegensatz zu jener im letzten Jahr die die Dublinvereinbarungen zur Diskussion gestellt hatte und dadurch Lücken in den entlang der Grenzen hochgezogenen Mauern geöffnet hatte.
Trotz der zahlreichen Zeugenaussagen über die Menschenrechtsverletzungen und Anzeigen beim Europäischen Gerichtshof und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, ist nicht damit zu rechnen, dass sich ohne massive politische Initiativen der Bewegungen auf europäischer Ebene etwas ändern wird, oder dass Vereinbarungen wie jene mit der Türkei in Frage gestellt werden. Hat doch die europäische Union auch mit Afghanistan erneut Abkommen vorgeschlagen und beabsichtigt dies auch mit anderen Herkunftsländern der Migrant*innen zu tun.
Wir wissen genau, dass in den nächsten Monaten andere, für das Leben der Menschen noch riskantere Wege nach Europa gesucht werden, wenn die Türkeiroute nach Europa geschlossen bleibt.
Foto: Fabian Melber
Die Route über das Mittelmeer war und ist schon immer die gefährlichste und im letzten Jahr waren es mehr als 4000 Opfer der aktuellen europäischen Politik, die es nicht erlaubt den alten Kontinent in sicherer Weise zu erreichen. Obwohl geringer als in Griechenland, zeigt die Zahl der Ankünfte in Italien (ca. 153 000 Personen laut UNHCR) dass die Mittelmeerroute zurzeit die einzige Möglichkeit ist und gleichzeitig der Migrationsfluss aus Nordafrika aus ökonomischen, ökologischen und sozialen Gründen ein struktureller ist und nicht mehr als „außergewöhnlich“ dargestellt werden kann .
Seit jeher ist Italien Ankunftsland der Mittelmeerroute, jedoch für viele nur Transitland (2014 haben von 170 000 Migrant*innen nur 63 456 einen Asylantrag gestellt; 2015 waren es von
153 842 Personen 83 970 – Quelle: Eurostat). Dieses Jahr bleiben die Migrant*innen in Italien blockiert, denn die Grenzen zur Weiterreise nach Norden sind geschlossen.
Diese „neue“ Praxis der europäischen Politik, die in den Hotspots* Süditaliens von den Migrant*innen die Identifizierung auch unter Gewaltanwendung verlangt, wurde durch den sogenannten „Alfano-Plan“ noch verschlimmert, denn dieser hat die Deportation von in Ventimiglia und Como Festgehaltenen meist in den Hotspot* von Taranto sanktioniert.
Die Blockierung in unserem Land und nur eine einmalige Möglichkeit der Einreichung eines Asylantrages bringen die Grenzen unseres prekären Aufnahmesystems ans Licht. Es ist an Business und Profitmaximierung gebunden, wie das Fehlen von geeigneten Möglichkeiten zur sozialen und beruflichen Integration für Migrant*innen aufzeigt. Diese schädlichen Auswirkungen, die der Begriff der „außerordentlichen, notfallmäßigen Aufnahme“ von Nord- bis Süditalien zeigt, wird vor allem dort sichtbar, wo rechtlose Migrant*innen als Arbeiter*innen in der Landwirtschaft, insbesondere die der Großmärkte, ausgebeutet werden.
Ende Oktober erreicht der Camper der Solidaritätskampagne #overthefortress Brindisi und wird für zwei Monate durch Süditalien reisen. Er wird am 31. Oktober in Pozzallo starten und auf jeder Etappe Menschen vor Ort treffen und Aufmerksamkeit für die sozialen Initiativen verschaffen, die mit den Migrant*innen arbeiten, mit ihnen für ihre Rechte kämpfen und dem berichten, was in ihrer Gegend passiert. Wir wollen von den Geschichten dieser Menschen erzählen und von guten Erfahrungen in der Aufnahme, die viel zu oft vergessen werden und zu wenig Wertschätzung erfahren.
Denn in Anbetracht dieses Systems der Unmenschlichkeit und der Missachtung der Menschenrechte, das sich wie tödliche Metastasen ausbreitet, fühlen wir die Verpflichtung, uns wieder auf die Reise zu machen um davon zu erzählen, zu berichten und uns mit jenen zu solidarisieren, die sich damit nicht einverstanden erklären.
Danksagungen:
– an alle, die mit uns die Reise geplant haben und uns Kontakte und Informationen vermittelt haben
– an Gabriele Cipolla für das Promovideo
– an Fabian Melber (Fotojournalist) für die Fotos und
– an Saverio Serravezza
Während der Reise werden wir multimediale Berichte und eine kollektive multimediale Reportage produzieren.
Um den Camper #overthefortress zu unterstützen, bitten wir Euch, am Crowdfunding teilzunehmen.
*Hotspot – aus dem Englischen – Registrierzentrum für Flüchtlinge
Übersetzung aus dem Italienischen von Susanne Privitera Tassé Tagne