Die Feuer von Lampedusa
Seit 2002 ist Lampedusa nicht nur eine Insel, sondern eine Grenze, an der politische Spielchen ausgetragen werden, die viel größer sind als das Gebiet und dessen Einwohner*innen ertragen können.
Bereits im Jahr 2004 wurden vom kleinen Flughafen der Insel und dem angeschlossenen Internierungslager, dem sogenannten temporären Aufenthaltszentrum (CPT*), kollektive Rückführungstechniken erprobt, die offen gegen alle damals geltenden internationalen Konventionen und internen Vorschriften verstießen, und zwar mit Rückführungsflügen in Flugzeugen, zunächst militärischer und dann ziviler Art, welche die Migrant*innen direkt nach Libyen brachten.
Und es bedurfte eines als Migrant verkleideten Journalisten, wie Fabrizio Gatti, um herauszufinden, was in der Abschiebungshaft am Flughafen vor sich ging. Das waren die Jahre, in denen der Prozess der Militarisierung der Insel wieder aufgenommen wurde, und zwar nicht, um sich gegen eine hypothetische libysche Gefahr zu wehren, sondern um die Migrant*innen, die auf der Insel von Bord gingen, zu blockieren und jede*n, der sich mit ihnen solidarisieren wollte, zu vertreiben. An Solidarität mangelte es den Bewohner*innen jedoch nicht.
Im Jahr 2007 trug der Morcone-Plan zu einer raschen Evakuierung der Migrant*innen bei, die weiterhin auf Lampedusa anlandeten, und zwar mit Flugzeugen, die die Neuankömmlinge innerhalb von 24-48 Stunden in Aufnahmezentren in verschiedenen italienischen Regionen transportierten. Aber sobald die Lega das Innenministerium eroberte, wurde dieser Plan aufgegeben, und alles konzentrierte sich auf die illegale Zurückweisungen nach Libyen, wie jene, die Maroni am 6. Mai 2009 an das Patrouillenboot der Finanzwache (Guardia di Finanza) Bovienzo angeordnet hatte, und für die Italien 2012 vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt wurde (Fall Hirsi).
Auch wenn sich der Großteil der Anlandungen, die in Italien stattfanden, bis 2011 auf Lampedusa konzentrierte, blieb die Haltung der Bevölkerung, die sehr heterogen war und zum Teil aus Geschäftsleuten aus dem Norden sowie Hunderten von Soldat*innen bestand, zu denen im Laufe der Zeit auch die von Frontex hinzukamen, im Wesentlichen solidarisch. Als die Regierung Berlusconi 2011 beschloss, alle Migrant*innen, die infolge des Arabischen Frühlings auf der Insel gelandet waren (die meisten von ihnen waren damals Tunesier*innen), dort zu blockieren, musste Lampedusa die Ansammlung von mehr als 5.000 Menschen ertragen. Es handelte sich um eine Saison, die nach einigen Monaten mit dem Brand des Aufnahmezentrums von Contrada Imbriacola, mit den Protesten von Ausländer*innen, die in allen Teilen der Insel biwakierten, und mit den Protesten einiger Gruppen von Einwohner*innen endete, schließlich mit der Umsiedlung der Migrant*innen in verschiedene Regionen und der Räumung des Zentrums.
Dann kam die Katastrophe vom 3. Oktober 2013, dem wenige Tage später, am 11. Oktober, der Untergang eines Bootes folgte, das tagelang zwischen den italienischen und maltesischen Behörden hin- und hergeschoben worden war. Beide Staaten verneinten die eigene Zuständigkeit und schickten nicht rechtzeitig Rettungsaktionen los. Nach diesen beiden Katastrophen, wurde im Jahr 2014 die Operation Mare Nostrum eingeleitet, und alle in dieser Zeit geretteten Menschen wurden in die wichtigsten sizilianischen Häfen von Bord gebracht, ohne das kleine Lampedusa zu überfluten.
Dasselbe geschah nach der Katastrophe vom 18. April 2015, als die Schiffe von Frontex (Mission TRITON) und Eunavfor Med (Operation Sophia) die geretteten Schiffbrüchigen, ebenfalls im Rahmen von mit NGOs koordinierten SAR-Aktivitäten, in den Häfen von Palermo, Trapani, Pozzallo (Ragusa), Augusta (Syrakus) und Catania, und manchmal sogar in einigen Häfen Kalabriens und Apuliens von Bord gehen ließen. Wir erinnern uns auch an einige Protestdemonstrationen der Mitarbeiter*innen des Aufnahmezentrums angesichts der Aussicht auf eine Schließung des Zentrums und ihre Entlassung. Denn in der Zwischenzeit wurden das Aufnahmezentrum von Contrada Imbriacola und die damit verbundenen Aktivitäten neben dem Tourismus zu einem wirtschaftlichen Spiel, das immer umfangreichere Finanzströme speiste, selbst wenn die Struktur als „leer für voll“ fungierte. Viele Hotels und Restaurants auf Lampedusa arbeiteten das ganze Jahr über, weit über die Touristensaison hinaus, dank der ständigen Präsenz einer immer größeren Zahl von Soldat*innen.
Ab 2016 verfügte die Europäische Agentur für die Kontrolle der Außengrenzen (FRONTEX) über 20 Polizeibeamt*innen auf der Insel und nutzte den Flughafen als Basis für ihre Überwachungsmissionen über dem zentralen Mittelmeer.
Die Verurteilung Italiens für den Fall Khlaifia durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Dezember 2016, aufgrund eines Falles willkürlicher Inhaftierung im Zentrum von Contrada Imbriacola im Jahr 2011, hat die Regierungsbehörden jedoch nicht veranlasst, die Einrichtung zu schließen oder sie ausschließlich für kurze Zeiträume als Zentrum für die Erstaufnahme zu nutzen, um die Seenotrettungsaktionen für Migrant*innen auszuführen.
Die Brände im Zentrum von Contrada Imbriacola wiederholten sich immer wieder bis 2018. Zum Beispiel im Mai 2016, als versucht wurde, das Gebäude, das nie ernsthaft renoviert wurde, als Internierungslager zu nutzen. Aber die Lage des Hotspots in einer Mulde in der Mitte der Insel und der relative Rückgang der Ankünfte auf der Insel dank der Tätigkeit von NGOs, die auf Hinweis des Kommandos der zentralen Küstenwache (IMRCC) in anderen Häfen Siziliens den Hinweis auf einen POS (Place of safety) erhielten, trugen dazu bei, die Spannungen zu reduzieren, welche jedoch jedes Mal zunahmen, wenn die Überführungen der auf Lampedusa gelandeten Schiffbrüchigen verlangsamt oder vollständig blockiert wurden.
In der Zwischenzeit konsolidierte sich eine breite Front solidarischer Bürger*innen, die auch von der örtlichen Kirchengemeinde unterstützt wird, welche auch heute noch bei den Ankünften Hilfe leistet, wenn auch diese mit einer im Vergleich zur Vergangenheit relativ geringen Zahl stattfinden.
2. Die Situation scheint sich seit Ende 2016 zu verändern, seit die Angriffe auf Schiffe der NGOs fortgeführt werden. Jede*r wird sich noch an die Entführung der Iuventa der deutschen NGO Jugend Rettet am 3. August 2017 erinnern, sowie an die folgenden Jahren, als alle Anstrengungen unternommen wurden, um zu verhindern, dass auf See gerettete Schiffbrüchige in sizilianischen Häfen landen. Mit der Beschlagnahme humanitärer Schiffe und der Weigerung, einen sicheren Landungshafen anzugeben, bis zum von Salvini im Juni 2019 verhängten Sicherheits-Erlass, der die bereits seit Juni 2018 (Fall Aquarius) angewandten illegalen Praktiken gesetzlich abdeckt, wurde das zentrale Mittelmeer geleert und die Wiederaufnahme der sogenannten autonomen Anlandungen gefördert. Auch weil in der Zwischenzeit die Rettungsschiffe der italienischen Küstenwache und sogar die der Finanzwache auf Befehl der Regierung und der militärischen Spitzen gezwungen wurden, nur innerhalb der Grenzen der Hoheitsgewässer zu operieren, welche nicht weiter als 12 Meilen südlich von Lampedusa reichen.
Es liegt auf der Hand, dass die Reduktion von Rettungsschiffen auf der libyschen und der tunesischen Route die – nie vorhersehbare – Ankunft einer beträchtlichen Zahl von Menschen begünstigte, die vor dem libyschen Konflikt und der extremen Armut, in der sie in Tunesien lebten, geflohen waren. Es handelt sich jedoch um eine viel geringere Zahl im Vergleich zu den Ankünften, die von 2013 bis 2017 verzeichnet wurden (mehr als 90 Prozent weniger). Die „autonomen Anlandungen“ versetzten das baufällige Aufnahmesystem von Lampedusa in eine Krise, auch weil sich die Transportsituation im Laufe der Jahre nicht verbessert hatte und die Überführungen nach Porto Empedocle willkürlich blieben. Niemand dachte daran, auf Lufttransfers zurückzugreifen, wie es 2007 mit dem Morcone-Plan geschah, der die Insel in wenigen Stunden hätte entlasten können.
Vor allem während der Wintermonate betrachtet das Innenministerium Lampedusa weiterhin als Grenzinsel, auf der, Migrant*innen auf unbestimmte Zeit blockiert werden können. Diese Situation führt zu ständigen täglichen Fluchtversuchen aus dem Zentrum von Contrada Imbriacola, was die Unzufriedenheit eines Teils der Bevölkerung schürt, der befürchtet, dass diese „täglichen Ausgänge“ den Tourismus in eine Krise stürzen oder eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellen könnten.
Als der „Krieg gegen die NGOs“ auf Betreiben der vom rechten Regierungsflügel ausgehenden Hass-Äußerungen in Form von Verwaltungsmaßnahmen und Gesetzesdekreten von den Medien mehr und mehr aufgeheizt wurde, hat es in einem kleinen Teil der Bevölkerung auch gewalttätige Reaktionen ausgelöst. Diese richteten sich hauptsächlich gegen diejenigen, die in Einhaltung internationaler Übereinkommen, wie der Kassationsgerichtshof im vergangenen Februar enschied, der grundlegenden Pflicht, Leben auf See zu retten, entsprachen.
Die Bilder der Drohungen, die gegen Carola Rackete ausgesprochen wurden, als sie im August 2018 mit der Sea-Watch auf Lampedusa ankam, und die Forderung des Innenministers Salvini sie zu verhaften, was später auch passierte, gossen Öl ins Feuer. Das Klima auf Lampedusa führte so zu einem Zerfall des „sozialen Körpers“, der sich davon nicht wieder erholt hat. Hätte die Justiz damals eingegriffen, um diese Drohungen, die in Anwesenheit zahlreicher Zeug*innen und Polizeibeamter ausgesprochen wurden, zu sanktionieren, wäre die Situation heute vielleicht nicht bis zum Verbrennen der Boote ausgeartet.
Die Brände, die sich gestern gleichzeitig an zwei verschiedenen Orten der Insel ereignet haben, sind also zweifellos Brandstiftung und das Ergebnis einer sorgfältigen Planung, sowie mit der Welle des Hasses in Verbindung zu bringen, die Lampedusa im Jahr 2018 heimgesucht hat und die in den letzten Monaten eine Reihe von schwerwiegenden und unterschätzten Vorkommnissen erlebt hat. Dazu gehört die Anwesenheit von Demonstrant*innen, die am Kai des Hafens protestieren, um die Anlandung von Schiffbrüchigen von einem Patrouillenboot und die Verschmutzung des Tores nach Europa, symbolisches Denkmal von Lampedusa, zu verhindern.
Die große Empörung über die „autonomen Anlandungen“ ist nicht zu übersehen. Diese ist eine direkte Folge des interministeriellen Erlasses vom 7. April 2020, der die italienischen Häfen als unsicher definiert und die Anlandung von Schiffsbrüchigen, die von ausländischen Privatschiffen gerettet wurden, in diesen Häfen verhindert. Nichtsdestotrotz gibt es keine Rechtfertigung für das Verbrennen dieser zurückgelassenen Boote.
Es kann nicht nur der „Zorn“ einiger Inselbewohner*innen sein, um die Brände zu erklären, die am Vorabend des Besuchs eines Regierungsvertreters gelegt wurden. Brände, die auch die Gesundheit der Lampedusaner*innen gefährdet haben und eine Verschmutzungsquelle, bestehend aus Dioxin, geschaffen haben, die sich nicht leicht und schnell beseitigen lässt. Seit einiger Zeit denken zudem einige Menschen auf Lampedusa, dass sie die Probleme, die die Insel heimsuchen, mit Feuer lösen können, wie es im vergangenen Jahr mit dem Brand in der Müllsammelstelle geschah.
Auf Lampedusa gibt es keine „Bootsfriedhöfe“ von Migrant*innen, sondern Ansammlungen von verlassenen Booten an verschiedenen Orten, sogar zwischen den Häusern. Und es fehlt nicht an Wracks im Hafen, die das Anlegen von Schiffen erschweren. Diese Boote hätten schon vor Jahren zerstört und entfernt werden müssen. Aber nicht alle Boote, mit denen Migrant*innen angekommen sind und vor langer Zeit an Land zurückgelassen wurden, waren nur Wracks.
Dieses „Feuer an Land“ wurde auch auf Boote gelegt, die im westlichen Gebiet erhalten geblieben waren und in einer musealen Freiluftausstellung gesammelt und aufbewahrt wurden. Sie standen in der Nähe des „Gartens der Erinnerung“, einem Ort, der dem Gedenken an die 366 Opfer des Schiffbruchs vom 3. Oktober 2013 gewidmet ist. Es ist ein Symbol zur Erinnerung an die vielen Tragödien der Migration, die sich in der Nähe der Küste von Lampedusa ereignet hatten (die letzte im November letzten Jahres). Das “Feuer an Land” kennzeichnet eine Gemeinschaft, die nun zersplittert ist und der es vielleicht an einem gemeinsamen Sinn für das Zusammenleben fehlt. Diese Gewalt ist mit dem Ausdruck heftiger verbaler Drohungen gegen NGO-Mitarbeiter*innen verbunden, welcher in den letzten Jahren unterschätzt wurde.
Anonyme schriftliche Drohungen hatten auch den Bürgermeister erreicht, als er seine Solidarität mit an Bord von NGO-Schiffen eingeschlossenen Migrant*innen zum Ausdruck brachte.
Es ist sicherlich nicht das x-te Hotspot-Schiff oder vielmehr „Krankenhausschiff“, wie es manche nennen, das in den Gewässern vor Lampedusa festgemacht wird, das das Problem der autonomen Anlandungen lösen kann. Eine Fähre kann nicht zu einem Ghetto für die Quarantäne von Migrant*innen und zu einer Mauer werden, um andere „Geisteranlandungen“ auf der Insel zu verhindern, oder besser gesagt, um sie noch unsichtbarer zu machen, als es derzeit dem Hotspot-Zentrum von Contrada Imbriacola zulässt. Es handelt sich hier um Schiffbrüchigen, die noch immer im zentralen Mittelmeer gerettet werden, und um diejenigen, die es schaffen, die Insel autonom mit Booten aus Libyen und Tunesien zu erreichen.
Lampedusa braucht keine weiteren Haftanstalten oder „Mauern auf dem Wasser“, die von den Stränden aus sichtbar sind, und ein großes Schiff könnte auf keinen Fall tagelang vor Anker ausharren ohne in einen größeren Hafen einlaufen zu können, als die Insel hat.
In Lampedusa ist es aufgrund der Konfiguration der Insel eher unwahrscheinlich, dass es zu umfangreichen „Geisteranlandungen“ kommt. Niemand kann der Insel entkommen, indem er oder sie sich den Polizeikontrollen entzieht. In den meisten Fällen handelt es sich um die Ankunft heruntergekommener Boote, die lange vor dem Einlaufen in unsere Hoheitsgewässer gesichtet werden, jedoch erst wenige Meilen vom Hafen entfernt gerettet werden oder Hilfe erhalten.
Wenn es einen nationalen Anlegeplan gäbe, könnte die Hilfe vorgezogen werden, zu jenem Zeitpunkt, zu dem die Koordinierungsstelle der Küstenwache die ersten Alarmmeldungen für Boote in unmittelbarer Seenot in internationalen Gewässern erhalten, aber nur wenn das Innenministerium rechtzeitig einen sicheren Anlegepunkt in einem anderen größeren Hafen als Lampedusa anbieten kann.
Nochmal zur Wiederholung: Die „autonomen“ Anlandungen auf Lampedusa haben sich vervielfacht, seit die NGOs verdrängt wurden und sich die Schiffe der Küstenwache, die früher sogar 40-50 Meilen vor der libyschen und tunesischen Küste operierten, in unsere Hoheitsgewässer zurückgezogen haben, um dann die Schiffbrüchigen in verschiedenen italienischen Häfen auszuladen. Schiffe, die nie Kurs auf Lampedusa genommen hatten.
3. Die Instrumentalisierung, die auf die Anfrage eines Krankenhauses hin direkt nach den Bränden begann, kann sich nicht alleine auf Kosten der Migrant*innen verspielen. Diese werden in dieser Phase des gesundheitlichen Notfalls von COVID-19 sowieso von einigen als mögliche Überträger*innen oder als minderwertige Menschen gesehen, die isoliert werden sollten.
Das Krankenhaus auf Lampedusa ist hauptsächlich für die Einwohner*innen der Insel gedacht, schon gar nicht, weil die Migrant*innen, die es durchlaufen, eine Gefahr darstellen. Bislang betrafen die mutmaßlichen positiven Fälle von COVID-19 Italiener*innen aus Mailand und nicht Schiffbrüchige aus Libyen oder Tunesien. Und der Hotspot von Contrada Imbriacola sollte schon seit einiger Zeit geschlossen werden, aber nicht aus den Beweggründen, die heute behauptet werden. Man könnte dies schaffen, wenn die Rettungen im sizilianischen Kanal rechtzeitig erfolgen und die Regierung einen nationalen Plan für die Anlandungen vorlegen würde. Fähren müssen eingesetzt werden, um die territoriale Kontinuität zu gewährleisten, und dürfen nicht zu Mitteln der Abschiebung oder zu Haft- und Isolationszentren werden.
Lampedusa muss mit einer Infrastruktur ausgestattet werden, die seit Jahren erwartet wird, und darf nicht wieder zu einem fortschrittlichen Außenposten für das Experimentieren mit Techniken zur Eindämmung der menschlichen Mobilität werden. Diejenigen, die auf See gerettet werden oder selbständig ankommen, müssen so schnell wie möglich in einem der Hotspots oder in einem der verschiedenen Aufnahmezentren auf italienischem Territorium gebracht werden, wie laut Art. 10 des konsolidierten Migrationsgesetzes Nr. 286/98 vorgesehen ist.
Schiffbrüchige, die Gefahr laufen, auf See zu ertrinken, auch wenn sie sich noch in internationalen Gewässern befinden, müssen umgehend mit den Mitteln, die aus Lampedusa starten können, erreicht werden. Aber es geht nicht nur um die Einhaltung der Such- und Rettungsverpflichtungen, die sich aus internationalen Konventionen und der italienischen Verfassung, die das Asylrecht anerkennt, ergeben.
Es geht auch darum, diejenigen zu isolieren, die Hass säen, selbst wenn die Proklamationen fern von der Insel aus gemacht werden, und die Bevölkerung zu spalten, wodurch Barrieren des Unverständnisses und der Rivalität mit den Neuankömmlingen beim Zugang zu jenen Fetzen öffentlicher Dienstleistungen geschaffen werden, die selbst für die Bewohner*innen von Lampedusa schwer zugänglich sind. Nur prozentuale Steigerungen der „Anlandungen“ anzugeben, ohne die absoluten Zahlen der Ankünfte mitzuteilen, die für ein Land wie Italien immer noch sehr niedrig sind, insbesondere im Vergleich zu den Ankünften von 2013 bis 2017, bildet einen riesengroßen Rahmen, der aus Fehlinformationen und Fremdenfeindlichkeit resultiert. Auf Lampedusa, und nicht nur dort, trifft diese Vortäuschung auf fruchtbaren Boden.
In den letzten Jahren, als die Verwaltung des Zentrums schnelle Transfers garantierte, hat die Anwesenheit von Migrant*innen den Erfolg der Touristensaison nicht beeinträchtigt. Heute, zusätzlich zu den Entscheidungen zur Eindämmung der Menschen, die nach tagelanger Verlassenheit auf See auf die Insel gelangen und dort „entladen“ werden, könnte das Klima der nicht mehr nur verbalen Gewalt, das von den Bränden der letzten Tage geprägt ist, nicht nur die physische Umwelt, sondern das gesamte soziale Gefüge und damit die Zukunft von Lampedusa gefährden. Wir sind uns sicher, dass die Insel über die Untersuchungen hinaus, die die Justiz bereits eingeleitet hat, menschliche und zivile Ressourcen finden wird, die in der Lage sind, diejenigen zu besiegen, die nur die Ängste in Bezug auf Migrant*innen ausnutzen und Hass gegen sie und gegen jede*n, der*die ihnen hilft, verbreiten können. „Die Migrant*innen sind nicht das Problem der Insel“, erklärt der Pfarrer von Lampedusa, Don Carmelo La Magra.
Wir werden die Menschen, die für die Anwendung der Prinzipien der Solidarität und Aufnahme kämpfen, nicht allein lassen. Angesichts der Flammen dieser letzten Brandstiftungen fühlten sich viele von uns verwundet und noch mehr mit Lampedusa verbunden als zuvor, jenseits der Stereotypen, die auf diesem wunderbaren Landstreifen Europas so nahe an Afrika entstanden sind.
Fulvio Vassallo Paleologo
*CPT: Centro di permanenza temporanea – Abschiebungshaft
Aus dem Italienischen übersetzt von Caroline Ausserer