Erneut Zurückweisungen auf See vor Lampedusa
Am Vormittag des 21. August werden zwei Anlandungen von Flüchtlingsbooten aus Tunesien angekündigt. Das erste Boot mit 29 Flüchtlingen fährt am Mittag in den Hafen von Lampedusa ein. Die Menschen aus dem zweiten Boot werden hingegen auf offenem Meer von der Finanzpolizei (Guardia di Finanza (GdF) übernommen. Wie üblich fährt das Patrouillenboot der GdF dann in den Hafen, wo die Operatoren für die Aufnahme bereitstehen. Es scheint eine Anlandung wie immer zu sein. Allerdings, so erfahren wir vom Team des ARCI, gibt es nach der Aufnahme von vier (medizinisch) versorgungsbedürftigen Menschen auf einmal eine böse Überraschung: Das Patrouillenboot der GdF fährt mit den anderen Migranten wieder hinaus. Wohin ist zunächst unbekannt. Kurz darauf finden wir die Antwort auf der homepage der ANSA: die Tunesier wurden zurück auf das offene Meer gebracht, wo „sie auf das Marineschiff „Borsini“ umgebootetn wurden, das die Menschen wiederum zu einem tunesischen Schiff gebracht hat, von welchem sie schließlich in ihr Herkunftsland zurück gebracht werden sollen“ (so die Übersetzung der Meldung).Es entsteht eine Diskussion unter den humanitären Organisationen und Vereinen über den Vorfall und die verantwortlichen staatlichen Behörden auf der Insel (Küstenwache, Carabinieri, Finanzpolizei) klären uns leider nicht auf. Fest steht bisher nur: Es wurde eine kollektive Zurückweisung durchgeführt. Das gesetzlich geregelte Identifizierungsverfahren wurde damit übergangen und das Recht auf eine Asylantragsstellung genommen. Weiterhin unklar bleibt allerdings, warum gerade mit diesem Boot so verfahren wurden, während andere aus Tunesien stammende Boote hingegen wie gewöhnlich aufgenommen wurden (nach dem Vorfall kamen am Abend noch 82 Tunesier an und blieben). Entsprechend schreibt ANSA am 22. August: „Gestern wurden etwa 100 Tunesier, die auf unseren (italienischen) Booten im maltesischen Gewässer aufgenommen wurden, direkt zurückgewiesen. Grundsätzlich kein neues Verfahren, allerdings neu in dieser Modalität, das sich auf ein wenige Monate altes bilaterales Abkommen zwischen Tunesien und dem Minister Maroni bezieht“ (Übersetzung). Außerdem erfahren wir, dass einer der Flüchtlinge aus Tunesien, der sich der gegen die Verbringung auf das tunesische Boot widersetzte, ins Meer sprang. Er wurde wieder vom italienischen Marineschiff aufgenommen und aus gesundheitlichen Gründen (Verletzung am Bein) nach Lampedusa gebracht. Leider wurde der Vorfall bisher nicht in ausreichendem Maße durch die Medien verbreitet (nur die ANSA und SkyNews lieferten anfangs Berichte) und es bleibt offen, ob es sich um eine erste Zurückweisung nach Tunesien handelt (es besteht keinerlei Transparenz bzgl. der Vereinbarungen zwischen Italien und Tunesien und deren Anwendung). Wir hoffen, dass der Vorfall nicht ignoriert und die Regierung noch politisch Stellung nehmen wird, denn es handelt sich um Verfahren, bei dem die Einhaltung der Menschenrechte stark anzweifelt werden muss, und das zudem bereits Gegenstand eines laufenden Prozesses des Europäischen Gerichts für Menschenrechte ist.
Julika Brandi, Giulio Montemauri für das Antirassistische Forum Palermo