Die Wiederauferstehung der Abschiebungshaftzentren – wie Phönix aus der Asche

Unimondo – Sie wurden von 11 auf fünf Zentren reduziert und ihre Kapazität verringert, trotzdem erfahren die Abschiebungshaftzentren eine Renaissance: einerseits aus der metaphorischen Asche der Berichte über schwere Menschenrechtsverletzungen und andererseits aus der wirklichen Asche der Brände, die sich im Laufe der Jahre in den Zentren ereigneten, was das Gericht von Crotone als Akt der Selbstverteidigung und der Notwehr bezeichnet.
Unimondo hat seine Reise zu den Abschiebungshaftzentren in Rom und Turin begonnen. Tatsächlich wurden seit 2013 die wichtigsten Abschiebungshaftzentren Norditaliens geschlossen – Gradisca di Isonzo, Bologna, Modena und Mailand. Ausser Modena wurden diese aber in den letzten Monaten zu befristeten Aufnahmezentren für Flüchtlinge umfunktioniert. Betrieben werden sie von den gleichen Unternehmen, die die Abschiebungshaftzentren geführt haben: Gepsa/Acuarinto und Connecting People.
In Süditalien sind drei Ausschaffungszentren in Betrieb: Bari Palese, Caltanissetta Pian del Lago und Trapani Milo, das unsere besondere Aufmerksamkeit erregt. Auch dieses Zentrum wurde teilweise geschlossen und umstrukturiert. Es wird der Konsortium Badia Grande, einer Gruppe von Kooperativen, die mit der Caritas Trapani verbunden sind, als Betreiber übergeben werden. Abgesehen von der heiklen Verbindung zu Don Librizzi, dem Ex-Direktor der Caritas Trapani, der heute unter Verdacht wegen schwerer Vergehen als Schirmherr der Einrichtungen für Migranten steht, fällt Trapani Milo wegen des merkwürdigen Verwaltungsvertrages auf, der zwischen den Betreibern und der Präfektur unterzeichnet wurde. Dieser enthält eine Klausel, die einen Mindestbetrag vorsieht: unabhängig von der Anzahl der Insassen soll die Präfektur für eine Quote von nicht weniger als 102 Personen bezahlen, das sind 50% der tatsächlichen Aufnahmekapazität. Der Staat würde so jeden Tag 3000 Euro bezahlen – 102 x 29 Euro – für einen Leistung, die gar nicht erbracht wird.
Das zweite Abschiebungshaftzentrum befindet sich in Pian del Lago, einem Ort im Einzugsgebiet von Caltanissetta. Betreiber wird die bereits erwähnte Gruppe Auxilium sein, die schon das bestehende Aufnahmezentrum für Asylsuchende führt. Nicht nur weist Pian del Lago die höchste Zahl an Abschiebungen auf, sondern das Zentrum erzählt auch eine andere Geschichte – oder besser, es versucht diese zu verschweigen. Im Oktober 2014 wurde einer Gruppe Journalisten der Kampagne LasciateCIEntrare (lasst uns hinein in die Abschiebungshaft) der Eintritt verweigert, obwohl deren Besuch durch ministerielle Anordnungen prinzipiell vorgesehen ist. Sie berichteten: „Der Eintritt wurde nur drei Personen mit nie erlebten Restriktionen gestattet“, denn der Besuch endete am zweiten Tor.
Dieses Muster hat sich einen Monat später in Bari wiederholt, wo einige Engagierte Einlass ins Abschiebungshaftzentrum verlangten, um sich über von Migranten berichtete Gewalt ein Bild zu verschaffen. „Zum ersten Mal seit drei Jahren – so erklärt uns Giuseppe Campesi – haben wir von der Präfektur, mit der unser Einvernehmen stets gut war, keine Besuchserlaubnis erhalten.“ Der angeführte Grund war der von Sicherheitsrisiken, erklärt Campesi, Wissenschafter an der Universität und Gründer von Osservatorio Migranti Puglia.
Der gleiche Grund galt auch für Journalisten und Aktivisten von LasciateCIEntrare im Abschiebungshaftszentrum von Ponte Galeria. Sie wollten es vor Weihnachten 2014 mit dem Europarlamentarier Barbari Spinelli besuchen und wurden trotz rechtsgültiger Anfrage nicht eingelassen.
Es ist schwierig zu sagen, ob hinter all diesen Vorkommnissen eine Strategie der Präfekturen steckt. Aber wir stellen fest, dass verschiedenen Menschenrechtsorganisationen, wie zum Beispiel die sizilianische Borderline , die sich um die Provinz Agrigent kümmert, der Besuch in den Zentren während der letzten Monate verweigert wurde. Diese Verweigerung des Rechts auf Information, die mit der Aufdeckung der Geschäfte im « Migrantenbusiness » zusammenfällt wirft zahlreiche Fragen auf. Aus Bari erreicht uns eine weitere Geschichte, die ganz Italien beeinflussen könnte.
Hauptakteure sind besorgte Bürger, die von Rechtsanwalt Luigi Paccione unterstützt werden. Im Jahre 2009 gründeten sie die Vereinigung Class Action Procedimentale, eine Bewegung für das Eingreifen mittels der juristischen Möglichkeit der Sammelklage, eben der „class action“, etwas, das in unserem System bisher nicht vorkommt. Einer der von ihnen gewählten Bereiche war das Abschiebungshaftzentrum. Paccione berichtet: „In Bari Palese haben wir schwere Verletzungen der Menschenrechte festgestellt, darum haben wir juristische Massnahmen eingeleitet.“ Einige Erfolge: „Im Januar 2014 hat das Gericht in einem in Europa noch nie zuvor gefällten Urteil bestimmt, dass die Einrichtungen, die ein menschenwürdiges Leben nicht garantieren, umgerüstet werden müssen. In Anbetracht der Nichteinhaltung des Urteils durch die Präfektur, die die Anzahl der Migranten von 96 auf 72 reduzierte, ohne die richterlichen Anweisungen zu befolgen, setzen wir unsere Untersuchungen fort. Wir haben eine definitive Schließung des Zentrums beantragt, denn es handelt sich um eine illegale Einrichtung, da sie die vorgesehenen Standards nicht erfüllt. Das Resultat der Anhörung sollte in Kürze bekannt sein. In der Zwischenzeit haben sich die Region Piemont in einer Ratsmotion und die Gemeinde der Stadt Turin in einer Ratsdebatte für die Schliessung des städtischen Abschiebungshaftzentrums ausgesprochen.
Menschenrechtsverletzungen, Anklagen wegen Betrugs, darunter die gegen Connecting People, die Betreiber des Abschiebungshaftzentrums von Bari, gewerkschaftliche Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Personal und den Betreibern. 2015 könnte sich die Zahl der Abschiebungshaftzentrums weiter reduzieren. Aber bis heute ist es möglich, dass ein Nigerianer, der in Ponte Galeria einsitzt, nicht von seinem Vertrauensarzt besucht werden kann, ein Recht, das Insassen in gewöhnlichen Gefängnissen genießen und das ihm auch nach zwei Wochen Hungerstreik verweigert wird. Es handelt sich hier nicht um einen Vorwand. Der Mann bezeugt polizeilicher Gewalt erlitten zu haben und will das durch einen Arzt beglaubigen lassen. Das sei Standard, betont ein Mitbewohner seines Zimmers, das erinnere ihn an fürchterliche Vorkommnisse wie die der zwei Italiener Chucchi und Aldrovandi.

Giacomo Zandonini
Aus dem Italienischen von Susanne Privitera Tassé Tagne