Die Tore des Erstaufnahmezentrums von Pozzallo bleiben verschlossen während die Zweigstelle in Comiso freien Ausgang gestattet
Auf der Homepage des italienischen Innenministeriums ist unter der Überschrift „Aufnahmezentren für Migranten“ zu lesen, dass es sich bei den Erstversorgungs- und Unterbringungslager um Einrichtungen in den Orten, in denen besonders viele Migranten ankommen, handelt. Diese Strukturen seien dafür ausgestattet Einwanderer aufzunehmen, medizinische Erstversorgung zu leisten, die Einwanderer fotografisch zu erfassen und sicher zu stellen, dass diejenigen, die einen Asylantrag stellen wollen, in andere Zentren weitergeleitet werden.
Seit Ende des letzten Jahres und noch bis vor kurzem erfüllte das Zentrum von Pozzallo jedoch eine komplett andere Funktion. Die Weiterreise wurde, wenn überhaupt, sehr langsam eingeleitet und führte die Migranten häufig nur in andere inoffizielle Erstversorgungslager in Sizilien. Viele Einwanderer verblieben monatelang in dem Zentrum. Um trotz der daraus resultierenden Überbelegung Ordnung in der Struktur zu wahren, etablierte sich die Praxis den Migranten tagsüber Ausgang zu gewähren.
Seit Beginn des Sommers hat sich die Situation verändert. Der Transfer in andere Zentren erfolgt zeitnah und regelmäßig, vor allem wenn neue Flüchtlingsboote ankommen. Diese Entwicklung ist sicherlich positiv zu bewerten, nachdem wir monatelang die übermäßig langen Aufenthaltszeiten im Lager beklagt haben. Doch obwohl Flugverbindungen von Flughafen von Comiso in andere Regionen Italiens vorgesehen sind, wird ein Großteil der Einwanderer immer noch in die sich kontinuierlich weiter füllende Zweigstelle im Umland von Comiso und weitere Notlager in Sizilien gebracht, viele davon gänzlich ungeeignet. Doch am meisten Sorgen bereitet, dass nach dem neuen Eifer beim Weitertransport neuerdings auch die persönliche Freiheit der Einwanderer, die nun das Zentrum nicht mehr verlassen dürfen, beschränkt wird. Diese neue Art des Umgangs wird durch die abnehmende Anzahl ankommender Flüchtlinge, eventuell bedingt durch die Verschärfung des Konfliktes in Libyen, noch begünstigt.
Letzten Montag haben wir das Auffangzentrum beobachtet. Von außen war nur das verschlossene Eingangstor zu beobachten. In den umliegenden Straßen waren nicht mehr wie früher üblich Einwanderer anzutreffen, die sich auf den Bänken in der direkten Umgebung des Lagers aufhielten.
Im Zentrum befanden sich 299 Einwanderer, darunter 52 Minderjährige und 46 Frauen, die alle am Sonntag im angrenzenden Hafen gelandet waren. Neben der Nachricht von der Verhaftung von vier Personen, wobei es sich wahrscheinlich um „Schlepper“ handelt, und über die diverse Medien berichtet haben, wurden weder der Mann, der schwerverletzt in das Krankenhaus von Ragusa eingeliefert wurde, noch die Zustände im Zentrum selbst erwähnt. Dabei lässt schon die Nationalität der aufgenommenen Flüchtlinge aus Syrien, Palästina, Irak und Ägypten vermuten, dass es mehr als wahrscheinlich ist, dass die Einwanderer versuchen, der im Dublin-System verfügten Erfassung zu entgehen und weiter in den Norden Europas zu flüchten.
In der Zweigstelle von Comiso zeigt sich das entgegengesetzte Bild. Den Migranten steht es frei das Zentrum zu verlassen – auf Grund der abseitigen Lage der Agentur Don Pietro eine relative Freiheit. Außerdem verläuft der Transfer langsamer. Als wir letzten Freitag in der Einrichtung waren, befanden sich dort 160 Personen. Auch wenn diese Zahl Schwankungen unterliegt, ist zu erwähnen, dass viele der befragten Migranten angaben, bereits länger als einen Monat im Zentrum zu sein. Unter anderem haben wir mit einigen jungen Männern gesprochen, die Pozzallo mit dem Fischerboot erreichten, in dessen Kühlraum 45 Leichen gefunden wurden. Erschöpft warten sie auf ihre Verlegung. Zu ihrem Unglück wurde die endlose Prozedur auf internationalen Schutz noch nicht eingeleitet.
Aus dem Italienischen von Svenja Laufhütte