Bericht aus Lampedusa – ARCI Messina
Abflug von Palermos Flughafen „Falcone e Borsellino“ mit 30 Minuten Verspätung. Bereits im Flugzeug und am Flughafen von Lampedusa nehmen wir ein Sicherheits-Klima wahr: Es gibt viele Polizisten in Zivil und in Uniform. Wir begrüßen Alexandre vom Projekt „Kajak für das Recht auf Leben“. Mit einem Kleinbus – zehn Tage vorher von der Polizei durchsucht – begleitet er uns nach Hause, zur Wohnung, in der wir für die gesamte Dauer des Aufenthalts untergebracht sind, und dann zum Sitz des Vereins Askavusa. Die Mitglieder sind zur Zeit mit der Organisation des Festivals von Lampedusa beschäftigt, zusätzlich zu der normalen Tätigkeit der Hilfe für die Migranten. Wir entscheiden schnell, einen Rundgang im Hafengebiet zu machen. Wir gehen die ganze Via Roma entlang und erreichen den Alten Hafen. Während wir damit beschäftigt sind, ein halb versunkenes Wrack zu fotografieren, nähert sich ein Einwohner des Ortes und beklagt sich währenddessen bei einem Mitbürger über die fehlende Reinigung der gegenüber liegenden Mole von Seiten der zuständigen Behörden. Um sicherzugehen, dass auch wir sie hören können, erklärt er mit lauter Stimme, dass „diese Touristen“ – anstatt die mühsame Arbeit der Einwohner Lampedusas wertzuschätzen und sich mit der Schönheit der Strände der Insel zu beschäftigen – berichten sie nach außen (vor allem im Internet) nur einen Ausschnitt der Realität: Das, was die Landungen der Migranten betrifft. Unterhalb der „schönen Aussicht“ bemerken wir einen Platz zwischen den Felsen eingezwängt, aber für ein aufmerksames Auge sichtbar. Dort sehen wir improvisierte Schlaflager mit Schaumstoffmatratzen und Decken, Kleidung, Wannen, Stühlen, Reste eines Feuers und eines Grills, Exkremente etc. Uns scheinen das alles deutliche Zeichen dafür zu sein, dass sich hier jemand kürzlich aufgehalten hat. Am Nachmittag fahren wir mit dem Kleinbus der „Brigaden der aktiven Solidarität“ zum neuen Hafen in der Nähe des militärischen Sperrgebiets. Entlang des Weges bemerken wir verschiedene Transparente mit der Aufschrift: „Genug! Wir sind voll“, „Die Lampedusaner sagen genug!“, „Lombarde, Lampedusa gehörte schon immer zu Sizilien“ An der Grenze des Sperrgebiets lenkt ein Plakat unsere Aufmerksamkeit auf sich: „Ein Lächeln für die Presse: Während die Hilfen für die Flüchtlinge fortgesetzt werden, riskiert Lampedusa mit dem Effekt einer fremdenfeindlichen „Notstands“-Sprache zu bezahlen, die sich aus verkürzten Informationen zusammensetzt, die unzusammenhängend, vereinfachend und manchmal falsch sind– von den Medien, die die Ankunft der Migranten als eine Aggression darstellen, als Belagerung und Bedrohung, vor der man Angst hat, unter anderem ohne jeden Respekt für die, die unter unmenschlichen Bedingungen ankommen und leiden, und sie machen die wirtschaftlich-touristischen Erfolge zunichte, die in den letzten Jahren von den Bewohnern Lampedusas mühsam erreicht worden sind. STOPPT DIE REALITY SHOW „. Obwohl wir uns den neuen Hafen genau ansehen, entdecken wir keinerlei Unterstände – mit Ausnahme zweier innerhalb des Militärgebiets – noch mobile Toiletten. Gegenüber dem Hotel „Paladini di Francia“ fangen wir ein Gespräch mit einigen Technikern des staatlichen Fernsehens an, die uns erzählen, dass sie hier seit 3 Tagen abgestellt wurden und dass den ganzen Tag über rein gar nichts Wichtiges passiert ist – abgesehen von normalen Verlagerungen der Schiffe der Zollfahndung und der Küstenwache. Sie zeigen auf Abfälle und Hinterlassenschaften einiger Boote, die nach der letzten Landung beschlagnahmt wurden: Sie erklären uns dazu, dass obwohl der Katastrophenschutz den Auftrag zur Demontage bekommen hat – und damit eine angemessene Finanzierung – wird ihr Zustand immer schlechter und es scheint aktuell niemand zu intervenieren. Einer der Techniker erzählt uns, dass das Hotel, in dem sie wohnen, fast ausschließlich von Fernsehteams, Journalisten und Wissenschaftlern belegt ist. Seiner Meinung nach sei der Tourismus nicht von den Folgen der Landungen betroffen. Am zweiten Abend fahren wir zum Fährhafen: Ein Posten des Roten Kreuzes (ein großes Zelt) nimmt den Platz gegenüber ein. Während wir verschiedene Statements sammelten (der jungen Leute des Vereins Askavusa, des Technikers vom Fernsehen), stellte sich die Möglichkeit nächtlicher Landungen heraus – angesichts der günstigen Witterungsbedingungen – wir beschließen wir, uns in zwei Schichten (von 4 bis 7) aufzuteilen und zum Hafen zu fahren. 4 bis 5 Uhr: Lampedusa schläft. Sowohl am alten Hafen als auch am Fährhafen ist alles ruhig und nichts scheint auf Neuigkeiten hinzuweisen. 6 bis 7 Uhr: Niemand landet in der Morgendämmerung, nur ein paar Fischer holen ihre Netze ein.
ARCI Messina (aus dem Italienischen von Johannes Majoros-Danowski)