Augusta, langwierige Anlandung zwischen den Lichtern des Hafen
Das Schiff „San Giusto“ der
italienische Marine, welches oft in Rettungsoperationen im Rahmen von Mare
Nostrum involviert ist, thront im Hafen von Augusta. Dieses Mal wird die
Anlandung aber nicht durch die Marine koordiniert, sondern von der Küstenwache,
die das Umschiffen von 179 Migranten organisieren muss, die in den letzten
Stunden in internationalen Gewässern von einem Containerschiff unter englischer
Flagge gerettet worden sind.
Die Ankunft im Hafen ist für
circa 18:30 vorgesehen, von der Mole kann man das Handelsschiff schon in der
Ferne sehen. Um das Schiff sieht man einige Schiffe der Küstenwache, die bereit
sind die Flüchtlinge auf das Schlepperboot umzuschiffen, welches sie an Land
bringen soll.
Auf der Mole sind die zwei
Krankenwagen des Roten Kreuzes geparkt, sowie einige Autos der Polizei und der carabinieri, während das Erstehilfe-Zelt
des Zivilschutzes der Kommune von Augusta etwa zweihundert Meter vom dem Ort,
wo die Anlandung stattfinden wird, steht. Es befinden sich wenige duzend
Menschen über das Hafengelände verstreut: zwei Ärzte von Ärzte ohne Grenzen, die seit einigen Wochen im Hafen von Augusta
und Pozzallo präsent sind, ein Arzt vom ASP
(örtlicher Gesundheitsdienst), zwei Kulturvermittler von Save the Children und
Praesidium (Anwaltsvereinigung), zusammengesetzt von Mitarbeitern von IOM und UNHCR. Da man die Manöver der Schiffe nur in der Ferne erahnen
kann, ist es schwierig zu verstehen, wie weit die Operation fortgeschritten
ist, deshalb versuche ich Informationen vom Zivilschutz und von der Küstenwache
zu bekommen: Es handelt sich um 179 syrische Staatsbürger, von denen etwa 30
Minderjährige sind. Es war auch eine im sechsten Monat schwangere Frau an Bord,
die über Schmerzen klagt und deshalb direkt in das Hafenbecken gegenüber des
Hafens gebracht wurde, wo sie von einem Krankenwagen empfangen für eine erste
medizinische Untersuchung empfangen wurde. Alle anderen Flüchtlinge wurden noch an Bord des Schiffes einer ersten
Phase der Identifizierung und Gesundheitskontrolle unterzogen. Ich bekommene
keine sicheren Informationen dazu, wo die Syrer hingebracht werden, aber plausibler
Weise werden sie zwischen den Aufnahmezentren „Umberto I“ und „Villa Giardino“
in Syrakus verteilt, während andere, etwa siebzig, nach Agrigent gebracht
werden könnten.
Nach etwa zwei Stunden des
Wartens, trifft das Schlepperboot der Küstenwache, unter Beifall und Erleichterungsrufen
der Migranten, an der Mole ein. Man bemerkt sofort das Vorherrschen von
Familien, so wie es bei Ankünften von syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen üblich
ist. Der Großteil der Kinder an Bord ist nicht älter als vier Jahre. Das von
Bord gehen geschieht zügig, die Freiwilligen des Roten Kreuzes passen darauf
auf, dass die Familien zusammen bleiben,
einige Frauen sind erschöpft und nur unter Anstrengung halten sie sich auf den
Beinen. „Wir waren sieben Tagen auf dem Meer, es war grausam aber wir danken
jetzt dem Himmel“, erklärt mir eine junge syrisch-palästinensische Frau, die
3.000 US Dollar gezahlt hat, um Italien zu erreichen.
Ich folge der Gruppe der
eben Angekommenen bis zum Zelt des Zivilschutzes, wo Getränke und Brötchen
verteilt werden, und unterhalte mich kurz mit einem Syrer. „Wir sind von der
Türkei aus losgefahren, das Boot war klein und überfüllt mit Menschen. Als wir
in internationalen Gewässern zwischen Ägypten und Griechenland angekommen sind,
konnten wir nicht mehr weiterfahren. Wir haben die italienische Küstenwache
angerufen, die den Notruf sofort an das englische Handelsschiff weitergeleitet
hat. Wir waren eine Woche auf dem Meer ohne Essen noch Wasser. Ich habe alles,
was ich in Syrien hatte, verkauft, um diese Reise bezahlen zu können, aber ich
würde es wieder machen, denn aus dem Krieg gibt es sonst kein Entkommen. Alle
wollen fliehen.“
Er zeigt mir einige Photos
der Reise, die ihn und seinen Freund dicht gedrängt auf nur wenig Platz zeigen.
Er sagt mir, dass er jetzt gerade nicht weiß, wo er hingehen wird, aber er sagt
es mit Licht in seinen Augen, denn heute Nacht muss er wenigstens keine Angst
vor den Bomben haben.
Beatrice Gornati
Borderline Sicilia Onlus
Aus dem Italienischen von
Lisa Groß