12 unbegleitete, minderjährige Migranten verbringen die Nacht auf der Strasse. Sie „wollen nicht ins Zentrum la Madonnina zurück“.
Meridionews – Sie sind aus dem Zentrum davon gelaufen, das die Politiker als „eine vorbildliche Einrichtung für die Aufnahme von ausländischen unbegleiteten Jugendlichen“ bezeichnen. Denn dort wollen sie nicht mehr bleiben. Am Donnerstagmorgen sind 12 von ihnen aufgebrochen, alle zwischen 15 und 17 Jahre alt. Sie sind aus dem Senegal und Gambia und marschieren vom Zentrum La Madonnina in Mascalucia zu Fuss nach Catania. In der Nähe des Jugendgerichtes im Stadtteil Cibali verbringen sie eine kalte Nacht im Freien auf dem Gehsteig.
Gestern haben sie sich vor der Präfektur, unten den Flaggen des Eingangs des Palazzo Minoriti niedergelassen und darauf gehofft, dass sie empfangen würden. Trotz der Vermittlungsbemühungen der „Rete antirazzista catanese“ (Antirassistisches Netzwerk Catania) sind sie nicht angehört worden.
„Nach Mascalucia wollen wir nicht mehr zurück“, erklärt Palanin, ein 17 Jähriger aus Gambia, der Wortführer der Gruppe, „wir wollen in die Schule, wir wollen italienisch lernen, wir brauchen neue Kleider und wir wollen unsere Eltern anrufen.“ All das ist laut der Aussage der Jugendlichen im Zentrum La Madonnina nicht möglich.
Die Einrichtung ist am 5. November 2014 in Betrieb genommen worden. Es handelt sich um ein Erstaufnahmezentrum, das von der Vereinigung La Madonnina betrieben wird. Deren Vorsitzende ist Francesca Indelicato, die verschiedene Privatkliniken im Raum Catania leitet. Eigentlich war die Eröffnung von La Madonnina für 2015 geplant, doch die enorme Zunahme von jugendlichen unbegleiteten Migranten und der Druck der zuständigen Institutionen haben die Eröffnung beschleunigt.
Die ersten Bewohner sind Palanin und seine Freunde, die am 19. Oktober in Catania eintrafen und die ersten 17 Tage im Pala Spedini (Palazzetto dello Sport) auf eine neue Unterbringung (die die Präfektur im Zentrum von Mascalucia geplant hatte) warteten. Am 31. Oktober werden sie in dieser zum Sportstadion Massimino gehörigen Einrichtung besucht. Der Abgeordnete des Partito Democratico Giuseppe Berretta berichtet nach seinem Besuch vor Ort: „Sie sind völlig allein gelassen, ohne Essen, ohne Kleidungr in einem heruntergekommenen Gebäude. Es ist unmenschlich, von beispielloser Würdelosigkeit. Wer auf der Präfektur dafür verantwortlich ist, wird den Preis dafür bezahlen müssen.“
Am 5. November werden 60 Migranten nach Mascalucia transferiert, wo sie alle zur Verfügung stehenden Plätze besetzen. Aber auch hier läuft es nicht, wie erhofft. „Wir konnten unseren Familien nicht mitteilen, dass wir noch am Leben sind – erzählt Palanin – einige von uns trugen bis vor ein paar Tagen immer noch Flip-Flops, weil wir keine Schuhe bekamen. Wir haben nur eine zweite Garnitur für den Kleiderwechsel, wir können nicht in die Schule. Wir haben keinen Euro Bargeld zur Verfügung, wir lesen Zigarettenstummel vom Boden auf und rauchen sie.“ „Einer meiner Freunde musste ins Spital gebracht werden, ich habe keine Nachrichten mehr von ihm“, fügt ein anderer hinzu.
Im April 2014, vor acht Monaten, sind sie aus Subsahara-Afrika von zuhause aufgebrochen und haben im gleichen Monat Libyen erreicht. Palanin erzählt: „In Libyen wurde ich Gefangener der Menschenhändler und dort habe ich meine Kameraden gefunden, mit denen ich jetzt zusammen bin.“
Im Zentrum La Madonnina wird das widerlegt: „Wir verstehen, dass die Leute in eine Unterkunft mit Integrationsangebot verlegt werden wollen. Dann hätten sie mehr Möglichkeiten und könnten zur Schule gehen, was in einem Erstaufnahmezentrum mit der maximalen Verweildauer von drei Monaten nicht vorgesehen ist“, erklärt der Informationsbeauftragte. „Aber seit Mitte November haben wir Alphabetisierungskurse und die Minderjährigen haben zu bestimmten Stunden ein Mobiltelefon zur Verfügung, um zu Hause anzurufen.“ Was die Kleiderfrage betrifft, wird präzisiert: „Bei ihrer Ankunft erhalten sie Kit bestehend aus einem Trainingsanzug, Pyjama, Schuhe, Jacke und dazu einen zweiten Trainingsanzug.“ Letzte Woche haben die Abgeordnete Concetta Raia, der neue Gutachter der Gemeinde Catania Angelo Villari und der regionale Familienminister Bruno Caruso die Einrichtung besucht. Sie waren des Lobes voll und beschrieben das Zentrum als „ Blume im Knopfloch der sizilianischen Migrantenaufnahme“ und als „Modell für das Vorgehen in der Zukunft.“
Trotz allem – 12 Jugendliche haben die Nacht auf der Strasse verbracht und nur dank des Engagements von Aktivisten und Freiwilligen konnte eine Lösung für die zweite Nacht gefunden werden. Der Informationsbeauftragte teilt mit, dass die Präfektur vom Weggang der Jugendlichen aus dem Zentrum benachrichtigt worden sei. Man werde versuchen, eine Lösung zu finden. Alfonso Di Stefano von der Rete Antirazzista berichtet: „Wir haben gestern um eine Unterredung mit dem Präfekten gebeten, die uns nicht gewährt wurde. Wir werden sehen, vielleicht gelingt es uns heute, sonst werden wir eine neue Protestaktion starten.“
Salvo Catalano
Aus dem Italienischen von Susanne Privitera Tassé Tagne