Soviel Heuchelei und Verwirrung, eine einzige Gewissheit: Der Tod – Trapani
Unsere Reise führt weiter nach Trapani, wo
die Verwirrung und Heuchelei nicht kleiner sind. Der Präfekt des Hauptortes wiederholt, dass kleine
Zentren mit wenigen Bewohnern optimal wären. Aber nach der Schliessung des
Aufnahmezentrums in Salinagrande vor zwei Monaten, hat er trotzdem veranlasst,
dass ein außerordentliches Aufnahmezentrum mit 200 Plätzen jenen Betreibern übergeben
wurde, die in Trapani bereits das Monopol in der Flüchtlingsaufnahme haben. Es
ist die Kooperative Badiagrande mit Ablegern in Palermo in der Zusammenarbeit
mit Sviluppo Solidale und Opera Don Calabria.
Zurzeit betreibt Badiagrande das neue außerordentliche
Aufnahmezentrum im ehemaligen Hotel Sant’Andrea in Valderice, verschiedene
Aufnahmestrukturen für Asylbewerber und Füchtlinge und kürzlich wurde ihnen
auch der Betrieb des neuen „Hotspots“ in Milo übertragen, der eröffnet werden
kann, sobald die 15 Personen des dortigen Abschiebezentrums verlegt worden sind.
Milo wird 400 Personen aufnehmen können. Die einzige Gewissheit hier ist der
physische Tod und der Tod der Seele. Die Bilder und Zeichnungen der
Inhaftierten im Eingang des Abschiebezentrums in Milo zeigen das eindrücklich.
Was die erwünschten Zahlen des Präfektes
betrifft (natürlich sind auch sie nur eine Zurechtbiegung der Regeln wegen des
“Notstandes”) verlangen wir, dass uns jemand die operativen Grundsätze des
Hotspots von Milo erklärt. Denn die in der Provinz anwesenden Personen warten
inzwischen seit 15 – 18 Monaten auf ihre Anhörung vor der territorialen
Kommission.
Die Einrichtung der territorialen
Kommissionen ist ein Fehlschlag weil die Erhöhung der Anzahl der einzelnen Kommissionen
in Sizilien nur eine formale auf dem Papier ist, weil Sektionen aufgeteilt
wurden. Die Regierung hat (obwohl mehr als 2 Millionen Euro ausgegeben wurden)
jenen, die seit jeher in diesem Bereich arbeiten, kein Gehör geschenkt. Das
Ergebnis? Die langen Anhörungszeiten wurden beibehalten, aber im Gegenzug – man
will ja nicht zu human sein – wurden teilweise ganze Familien abgeschoben, um
Platz zu machen in den neuen Zentrum. Die Disfunktionalität dieser
gescheiterten Politik zeigt sich auf verschiedene Weise. Hier ein Beispiel aus
Agrigento, das zur Sektion der Kommission von Trapani gehört: Es stehen bereits
1400 Fälle zur Bearbeitung an, die
Kommission ist aber nur an 2 Tagen der Woche tätig; deren Präsidentin hat noch
5 weitere bedeutende institutionelle Aufgaben; die Präfektur beklagt die zu
kleinen personellen Mittel; die Angestellten der Präfektur haben wenig zeitliche
Verfügbarkeit für die wöchentlichen Sitzungen; zudem sind die Mitglieder des
UNHCR, des Uno Hochkommissariats für Flüchtlinge, neu hier und ohne jede
Erfahrung.
Die Territorialkommission von Trapani muss
eine grosse Zahl von Fällen bewältigen: 1800 Asylanträge und über 1000 offene Folgeanträge
und das in Zusammenarbeit mit Vertretern des UNO-Hochkommissariates für
Flüchtlinge, die zum ersten Mal im Einsatz sind. Sie arbeiten zusammen mit oft
abwesenden Behördemitgliedern, weil sie gleichzeitig andere behördliche
Aufgaben zu erfüllen haben. Zu diesen Schwierigkeiten kommt dazu, dass die
Polizeibehörde von Trapani wegen Personalmangels die Termine zur Anhörung aus
Personalmangel nicht öffentlich publiziert. Dieses Problem versuchen die Kommissionsmitglieder
zu lösen, indem sie die Aufnahmezentren direkt kontaktieren, um ihnen die Daten
und Zeiten der Anhörungen mitzuteilen! In der Tat, es sollten 32 Anhörungen pro
Tag stattfinden, wie vom Ministerium vorgesehen. Aber mit dieser Anzahl ist
eine aufrichtige Anhörung, ein korrektes, genaues Erfassen des persönlichen
Berichtes des Asylbewerbers, die garantierte Einhaltung der Gesetze (eben all
das, was international im Recht auf Schutz und Anerkennung des Flüchtlingsstatus
festgeschrieben ist) nicht möglich.
Und so wird die Verwirrung immer grösser, angesichts eines Systems das auf der
einen Seite eine Aufstockung der Kommissionen vorsieht (die vielleicht
funktionieren oder vielleicht nicht, oder nicht speditiv genug und das aus
organisatorischen Problemen) und das anderseits mit der schwindelerregenden
Zunahme von Anträgen konfrontiert ist. Die Asylanträge sollten seriös und
gründlich geprüft werden, stehen doch mit ihnen die Zukunft und auch das Leben
der international Schutzbedürftigen auf dem Spiel.
Soviel Verwirrung in der sich deren Profiteure suhlen, soviel Heuchelei, in der
die Politiker mit Menschenleben spielen und Regeln aufstellen, die einzig zu
ihrem eigenen Vorteil erstellt werden. Aber täglich finden Migranten den Tod,
das ist gewiss – die einzige Gewissheit!
Alberto Biondo
Borderline Sicilia Onlus
Übersetzung aus dem Italienischen von
Susanne Privitera Tassé Tagne