Salinagrande voll belegt

Das C.A.R.A. Salinagrande und das Aufnahmezentrum der Caritas sind voll belegt, Asylsuchende schlafen an BahngleisenEs ist der erste Tag des Monotoring-Projekts des C.A.R.A. von Salinagrande (Erstaufnahmezentrum für Asylsuchende in der Region Trapani).Wir kommen gegen 17:00 Uhr nach einem Treffen mit lokalen antirassistischen Initiativen an und finden nur wenige Migranten außerhalb des Aufnahmezentrums vor. Im Vergleich zum Vorjahr und seit die Kooperative „Badia Grande“ das C.A.R.A. verwaltet (die sich auch um das Zentrum für Identifikation und Abschiebung in Milo kümmert), wird die Überwachung strenger gehandhabt und es ist fast unmöglich geworden, hinein- und wieder herauszugehen, um Erkundigungen anzustellen. Die Tore sind verschlossen und die Migranten können das Zentrum nur einzeln verlassen; am Eingang ist ein Wärter, der zur Kooperative gehört. Er kontrolliert die Papiere und erlaubt gegebenenfalls den Zutritt. Ab 20:00 Uhr setzt eine Art Ausgangssperre ein; wer danach zurückkommt, muss draußen schlafen.

Wir lernen ein paar junge Leute von der Elfenbeinküste kennen, die einige Monate vorher ihre Asylgesuche eingereicht haben. Sie sprechen Französisch und verstehen kein Italienisch. Sie berichten uns, dass innerhalb des Zentrums drei Mal wöchentlich Italienisch-Kurse angeboten werden, und dass sie Schwierigkeiten mit dem Erlernen der Sprache haben. Wir fragen, ob sie eventuell die Anwesenheit unbegleiteter Minderjähriger bemerkt haben – sie antworten, dass es Minderjährige gibt, die aber in Begleitung ihrer Familien seien. Wir fragen sie auch nach den Bedingungen im Zentrum; nach ihren Angaben ist es zwar überfüllt, aber jedem stehe ein Bett zur Verfügung.Eine Gruppe Pakistaner nähert sich uns, zunächst zwei Personen, dann weitere zwei, die Englisch sprechen und mit denen wir recht lange kommunizieren können. Auch sie bestätigen die Überfüllung der Zimmer. Außerdem gibt es nach ihren Angaben oft Probleme zwischen Nordafrikanern sowie Personen aus dem Subsahara-Raum und im Zentrum arbeitenden Ordnungskräften. (…) Das Essen würde in ausreichender Menge ausgegeben werden, sei aber wenig abwechslungsreich und von geringer Qualität. Für die etwa hundert anwesenden Muslime stehe kein nach den Vorgaben des Korans geschlachtetes Fleisch zur Verfügung, weswegen es hauptsächlich Nudeln und Fisch gebe. Alternativ gebe es Huhn, was jedoch auch viele nicht essen würden, da es ebenfalls nicht halal geschlachtet sei. Die jungen Pakistaner sind im Herbst 2011 nach Italien gekommen und warten immer noch auf ihre für Juli festgelegte Anhörung. So ist auch die meist geäußerte Beschwerde jene über die langen Wartezeiten, die bis zu einem Jahr allein bis zur Anhörung betragen können. Für die Pakistaner scheint sich dieser Zeitraum aufgrund der Tatsache verlängert zu haben, dass sie ein Gespräch in Pashtu beantragt haben, wofür zur Zeit kein geeigneter Dolmetscher zur Verfügung steht.Ihre Geschichte erscheint verhältnismäßig kompliziert. Sie flüchten aus Pakistan aufgrund von Problemen mit den lokalen Behörden; insbesondere einer von ihnen berichtet, Einschüchterungen und Drohungen erlitten zu haben, nachdem er nach Jahren im Ausland wieder ins Land zurückgekehrt war. Sie sind Teil einer Gruppe von etwa 30 Migranten, die nach einer langen Reise in Bari angekommen sind. Von Pakistan aus sind sie über die Türkei nach Griechenland und von dort per Boot nach Bari gelangt. Hier sind sie auf andere Pakistaner getroffen, die ihnen gesagt haben, dass im dortigen Aufnahmezentrum kein Platz sei; daher haben sie in Caltanissetta (Sizilien) um Aufnahme gebeten. In Caltanissetta wurden sie nach ihren Angaben aufgrund von Platzmangel nicht aufgenommen und haben für fünf Tage in der Nähe des lokalen C.A.R.A.s geschlafen, in der Hoffnung, dass Plätze frei würden. In dieser äußerst kalten Jahreszeit hatten sie weder ein Dach über dem Kopf noch Verpflegung oder Wasser. Dann haben ihnen einige italienische Bürger (möglicherweise Angestellte des Zentrums Pian Del Lago) vom Zentrum in Salinagrande berichtet, woraufhin sie sich nach Trapani begeben haben. Hier angelangt wurden nur sieben von ihnen aufgenommen und konnten einen Asylantrag stellen. Die anderen sind nach Bari zurückgekehrt; die anderen wiederum sind in der Hoffnung, eine Unterkunft zu finden, in Trapani geblieben.Während wir uns vor dem Zentrum aufhalten, sehen wir häufig Autos vorbeifahren und anhalten (drei innerhalb weniger Minuten), die von einem Italiener gefahren werden, sonst aber mit Migranten besetzt sind. Sie sind meistens aus dem Subsahara-Raum und tragen Kleidung voller Sand bzw. Erde. Nach ihrer Ankunft gehen sie ins Zentrum. Einer von ihnen hat einen Beutel Mandarinen in der Hand, den er denjenigen zeigt, die ihn grüßen. Er scheint sehr müde, aber zufrieden zu sein. Am Eingang fragen ihn die Angestellten, ob er Mandarinen ernten war, er bejaht und tritt ein. Wenig später wiederholt sich die Szene, zunächst mit zwei Personen aus dem Subsahara-Raum, dann mit einem weiteren Afrikaner, der Hosen voller Sand und Kalk trägt. Wir fragen die Pakistaner, ob es rund um das Aufnahmezentren Möglichkeiten gibt, Arbeit zu finden; sie antworten, dass es nur wenig und schlecht bezahlte Arbeit gibt. Manchmal wird ein Teil des Gehalts in Agrarprodukten ausbezahlt, die die Migranten eintauschen oder verkaufen können; da sie aber die Gegend nicht gut kennen, wissen sie kaum, wie sie das machen können. Sie scheinen keine Vorstellung davon zu haben, dass sie auch regulär eingestellt werden könnten bzw. dass es für Asylsuchende Beschränkungen bei der Arbeitsaufnahme gibt.Die Angestellten des C.A.R.A. fangen an uns intensiv zu beobachten, so dass die Migranten uns auffordern, mit ihnen an einem Ort zu reden, den die Angestellten nicht einsehen können. Dann jedoch danken uns zwei von ihnen für den Besuch und gehen ins Zentrum. Einer von ihnen fragt uns, ob wir eine Jacke für ihn hätten; er besitzt lediglich eine Tunika aus Baumwolle.Die anderen beiden Pakistaner bleiben mit uns stehen; einer von ihnen kann das Zentrum nicht betreten, da er ein Asylsuchender ist, der aufgrund von Platzmangel nicht im C.A.R.A registriert ist. Er zeigt uns seine vorläufige Aufenthaltserlaubnis. Er kommt aus einer Stadt im Nordosten Pakistans, wo es kontinuierlich zu Zusammenstößen zwischen der NATO und den Taliban kommt und vertraut uns an, dass er in einem Verschlag bei den Bahngleisen schläft. Er besteht darauf, dass wir uns seinen Zufluchtsort ansehen. Es handelt sich um eine winzige Hütte im Gestrüpp, zehn Minuten vom C.A.R.A. entfernt, wo er unter schlimmsten hygienischen Bedingungen wohnt. Die Hütte ist auf einer Seite offen und dem Wetter ausgesetzt und befindet sich außerdem in gefährlicher Nähe zu den Gleisen (weniger als zwei Meter Abstand ohne Begrenzung). Der „small room“, wie er seine Behausung nennt, ist ein ehemaliges Häuschen der Straßenbetriebsgesellschaft A.N.A.S. Es besitzt keine Tür, weswegen er und andere afghanische Männer ein Stück Karton an deren Stelle benutzen, das aber den Regen nicht abhalten kann. Drinnen ist es dreckig und trotz des schönen Wetters dunkel und kalt.Die Lebensbedingungen dieses Pakistaners sind besonders schwierig, da er nierenkrank ist. Er erzählt uns, dass er sich mehrere Male nicht nur an das C.A.R.A. gewandt hat, um medizinische Hilfe zu bekommen, sondern auch an das Polizeipräsidium sowie die Präfektur, von wo aus er zum lokalen Sitz der Caritas geschickt wurde. Von dort wurde er erneut an das C.A.R.A. verwiesen und von dort wieder an die Behörden. So verfährt man mit diesem Asylsuchenden seit vier Monaten. Es scheint, dass sich niemand seit seiner Ankunft in Italien bemüht habe, ihm eine medizinische Untersuchung zu ermöglichen und dass er auch nicht darüber aufgeklärt wurde, dass er das Recht hat, sich an ein Krankenhaus zu wenden. Er besitzt kein Geld und überlebt dank der Solidarität eines anderen Pakistaners, der mit ihm seine ohnehin knappe Essensration des C.A.R.A. teilt. Zugang zu Trinkwasser hat er nicht, daher trinkt er das Wasser aus dem Brunnen im Park (er müsste aufgrund seiner Erkrankung 1,5 bis 2 Liter täglich trinken). Er berichtet von seiner Bitterkeit angesichts der Tatsache, dass, wer vor Krieg nach Italien flüchtet und Hilfe sucht, sich auf derartige Art und Weise selbst überlassen wird. Er erzählt uns von mindestens zwei weiteren Asylbewerbern, die trotz Kenntnis der Behörden unter ähnlichen Bedingungen leben.Nachdem die Bewohner uns erlaubt haben, ein Video der Behausung zu drehen, fragen sie uns, ob wir sie zum C.A.R.A. begleiten können. Wir halten zunächst, um etwas Verpflegung für sie zu kaufen. Sie danken uns aufrichtig und etwas beschämt. Wir antworten ihnen, dass wir das gemacht hätten, um die Ration des C.A.R.A. wenigstens bis zum darauf folgenden Montag zu vervollständigen. Wir wollen sie bis zum Zentrum begleiten, aber sie bitten darum, sich ein Stück vorher verabschieden zu können, da sie nicht mit uns gesehen werden wollen. Wir fragen sie, ob sie über einen sicheren Ort verfügen, wo sie das Essen lagern können, und sie bejahen. Wir lassen sie auf der Landstraße aussteigen. Kurz darauf sind wir von neuem vor dem C.A.R.A. Um 19:00 Uhr ist es bereits dunkel. Vor der Einrichtung hält ein Bus, die Haltestelle ist in der Nähe des Eingangs. Etwa zwanzig Migranten steigen aus und rennen zum Eingang, möglicherweise aus Angst, nicht mehr eingelassen zu werden und das Essen zu verpassen. Bevor wir gehen, fällt uns ein weiterer Migrant auf, möglicherweise ein Pakistaner, der langsam in die entgegen gesetzte Richtung geht. Er verschwindet im Gebüsch, bevor wir ihn interviewen können.Valentina Caviglia und Giorgia ListìAus dem Italienischen von Maria DoebertBereits auf den ersten Blick scheint das C.A.R.A. überfüllt zu sein; in jedem Zimmer halten sich mehrere Personen auf, Kleidung ist an den Fenstern aufgehängt und eine Anzahl Migranten befindet sich auf einer Terrasse rechts von der Einrichtunn, die sie kurz nach unserer Ankunft wieder verlassen und wir wissen nicht, ob das Zufall ist oder auf Anweisung der Angestellten geschieht. Auf einem Platz im Inneren des Zentrums sehen wir einige Minderjährige, ungefähr sechs von ihnen scheinen jünger als zehn Jahre zu sein; da wir jedoch dorthin keinen Zutritt haben, können wir die Situation nicht näher überprüfen.