Salinagrande: Sanktionen gegen diejenigen die mit Externen sprechen
Migranten des Zentrums berichten von Überbelegung sowie Alkoholismus und Depressionen
In Salinagrande durften wir eine kleine Freude erleben. Wir haben eine alte Bekanntschaft wiedergetroffen, ein Asylbewerber aus Pakistan. Als wir ihn kennen lernten, klagte er über gesundheitliche Probleme und musste fünf Monate lang in der Nähe des Aufnahmezentrums im Freien schlafen. Mehrmals wurden Klagen und Mahnungen an die entsprechenden Ämter, an die Caritas und an das Aufnahmezentrum selbst gerichtet, aber nichts änderte sich. Dank der Unterstützung von Emergency, mit dem wir ihn in Kontakt brachten, erhielt er schließlich Medikamente und sein Zustand verbesserte sich. Vor wenigen Tagen wurde er schließlich in dem Aufnahmezentrum aufgenommen. Er bedankte sich bei uns und betonte wie sehr sich seine Lage verbessert hat.
Mit ihm zusammen, treffen wir andere Pakistaner und Afghanen. Fast alle berichten, dass sie im Herbst von Bari aus nach Caltanisetta gekommen sind und danach entweder selbständig oder weil sie verlegt wurden in Salinagrande gelandet sind. Alle warten auf ihren Anhörungstermin vor der Asylkommission, da erst im Juni und Juli wieder ein Übersetzer für Pashto verfügbar ist. Die circa 170 Tunesier, die im März eine Ablehnung ihres Asylantrags erhielten, haben Widerspruch eingelegt und warten nun auf das Ergebnis ihrer Klagen. Nur vier oder fünf haben das Zentrum verlassen.
Die Probleme, die uns die Migranten darstellen sind vielfältig. Die langen Wartezeiten und die Zukunftsunsicherheit führen zu einem Zustand der existentiellen Ungewissheit. Viele der Migranten fühlen sich dabei nicht genügend von dem zuständigen Personal betreut. Sie erzählen uns, dass Alkoholprobleme sehr verbreitet sind. Die Bauern aus der Gegend bestätigen uns dies.
Im Hinblick auf die medizinische Versorgung, beklagen viele die sprachlichen Missverständnisse, die mit dem ärztlichen Personal entstehen: die meisten Sanitärer sprechen kaum Englisch und viele der Migranten können nur Französisch oder Arabisch. Auch ein Paar aus Tschetschenien lebt in Salinagrande. Einer von ihnen muss aufgrund einer Hernie operiert werden. Auch er tut sich mit der Sprache sehr schwer, in seinem medizinischen Gutachten steht er käme aus Syrien.
Viele beschweren sich über die baufällige Struktur: wenige Duschen, kaltes Wasser, Schimmel an den Wänden, kaputte Türen und Mauern und vor allem überfüllte Räume. Wegen Renovierungsarbeiten sind die verfügbaren Plätze weniger als die angegebenen, also muss man eng beieinander leben.
Die Migranten verdeutlichen uns auch, dass die Tatsache, dass sie mit uns oder andere Externen sprechen, Sanktionen zur Folge hat. Zigaretten werden ihnen entzogen oder es werden ihnen andere Güter nicht erteilt. Aber sie lassen sich nicht davon abhalten.
Ein anderes häufig erwähntes Thema ist die schlechte Qualität des Essens. Außerdem ist die Kleidung der Migranten abgetragen und nicht für die aktuellen klimatischen Verhältnisse angemessen. Sie berichten, dass sie nur alle zwei oder drei Monate neue Kleidungsstücke erhalten.
Schließlich sprechen wir mit einen jungen Nigerianer. Er sieht sehr niedergeschlagen aus und ist anfangs sehr zurückhaltend. Viele hätten ihn bereits befragt, aber an seiner Situation ändere sich nicht, erzählt er uns. In unseren Augen gehört er zu den glücklichsten Fällen, denn er und seine Familie (seine Frau und ihre gemeinsame, in Lampedusa geborene, drei Monate alte Tochter) haben eine humanitäre Aufenthalterlaubnis bekommen. Ihnen wurde eine Unterkunft in Agrigento angeboten, aber sie haben sie abgelehnt, weil sie weg von Sizilien wollten. Jetzt warten sie seit drei Monaten auf eine Alternative. Es handelt sich hier nicht um unangemessene Ansprüche, sondern um einen Beleg für die fehlende konstruktive Eingliederung der Migranten, bei der Rücksicht auf individuelle Fähigkeiten und Qualifikationen genommen wird. Er erklärt uns auf Englisch: „Agrigent ist eine landwirtschaftliche Gegend, aber ich habe nie in der Landwirtschaft gearbeitet. Ich habe dort keine Zukunft. In Libyen habe ich neun Jahre als Vorgesetzter eines Teams von Inneneinrichtern gearbeitet, ich war ein anerkannter Mann. Ich verlange nicht, dass ich hier sofort ein Job bekomme, aber ich will die Voraussetzungen bekommen um danach streben zu können“.
Er hat Recht. Aber vielleicht bevorzugt Italien es, Migranten zu sehen, die bei der Arbeit ihre Rücken bücken und ihre Arme einsetzten. Sie sollen in der Landwirtschaft arbeiten und all die anderen nicht spezialisierten Arbeiten erfüllen, die den Italienern zuwider sind. Es kommt nicht auf die Qualifikation an. Und tatsächlich befinden sich die Aufnahmezentren stets in ländlichen Gebieten.
Valentina Caviglia und Diana Pisciotta
Aus dem Italienischen übersetzt von Sarah Schwarz