Die Landung der Aquarius in Augusta
Gestern Nachmittag legte das Schiff Aquarius der NGO SOS Méditerranée im Hafen von Augusta an. An Bord befanden sich 215 Personen, darunter 34 unbegleitete minderjährige Geflüchtete. Fünf der 38 Frauen an Bord waren schwanger.
Einige der geretteten Migrant*innen sind um ein Haar der zigsten Tragödie im zentralen Mittelmeer entronnen. Zwei Frauen kamen bei diesem Seenotfall ums Leben, etliche Menschen werden vermisst, lediglich zwölf von ihnen wurden identifiziert und werden nun gesucht. 16 Personen wurden nach der Rettung mit dem Helikopter notevakuiert und vom Schiff der NGO ins tunesische Sfax geflogen. Eine Frau starb hier im Krankenhaus und ein minderjähriger Junge, dessen Mutter beim Schiffbruch gestorben ist, wurde zu seiner Tante gebracht. UNHCR, Ärzte ohne Grenzen und Rotes Kreuz versuchen derzeit zu bewirken, dass die verstorbene Mutter an einem Ort beerdigt werden kann, der den nach Tunesien gebrachten Verwandten bekannt und zugänglich ist. Die Überlebenden des Unglücks stehen alle unter Schock, haben Verbrennungen erlitten oder sind vom einatmen des Benzines desorientiert und benommen.
Am frühen Samstagmorgen hatte die Besatzung der Aquarius während ihrer Anwesenheit auf See beobachtet, wie ein Schlauchboot von der libyschen Küstenwache abgefangen wurde, mit dessen Rettung die SAR-Koordinationsstelle durch die Kommandozentrale in Rom beauftragt worden war. Die Libyer lehnten jede Hilfe vonseiten der Rettungsorganisation SOS Méditerranée kategorisch ab und befahlen dem zivilen Schiff, sich zu entfernen. Das in Seenot geratene Boot befand sich in internationalen Gewässern circa 15 Seemeilen vor der libyschen Küste. Die Aquarius war bereits auf 500 Meter an das Boot herangerückt, als das MRCC in Rom durchgab, dass die libysche Küstenwache fortan das Kommando übernehmen solle. Obwohl die Besatzung der Aquarius die Hilferufe der ertrinkenden Migrant*innen hörte, musste das Schiff der NGO auf einen Eingriff verzichten und stattdessen den Unglücksort verlassen, um mögliche Komplikationen bei der Rettungsoperationen zu vermeiden. Nach der Abfahrt der Aquarius nahm die libysche Küstenwache die schiffbrüchigen Migrant*innen wohl an Bord, wie eine kurz darauf herausgegebene Mitteilung der libyschen Seeschifffahrtbehörde bestätigt.
Bis heute fehlt eine offizielle Bestätigung über die Rettung aller in Seenot geratenen Personen. Darüber hinaus aber hatte die auf diese Weise durchgeführte Seenotrettung zur Folge, dass die von der libyschen Küstenwache aufgegriffenen Migrant*innen gegen ihren Willen in die Hölle zurückgebracht wurden, aus der sie geflohen waren.
Ebenfalls am Samstag, den 27. Januar, zeigte das MRCC in Rom der Aquarius ein weiteres in Not geratenes Schlauchboot an, das bereits viel Luft verloren hatte und dessen Passagiere teilweise bewusstlos im eingedrungenen Wasser lagen. Die Rettungsaktion dauerte etwa zwei Stunden und erwies sich als äußerst schwierig. Alle verfügbaren Rettungsboote wurden zu Wasser gelassen und das Ärzteteam begann noch auf den Schlauchbooten mit den Wiederbelebungsmaßnahmen. 84 Personen konnten gerettet werden.
Am Tag darauf nahm die Aquarius 50 Seemeilen vor der Westküste von Tripoli weitere 131 Personen an Bord, die ein Frachtschiff vor dem Ertrinken gerettet hatte. Auch diese Übergabe gestaltete sich aufgrund der Gestalt des Schiffes schwierig.
Die 215 Menschen aus insgesamt 14 subsaharischen Ländern, vor allem aus Kamerun, Guinea, Nigeria, Mali, Senegal und der Elfenbeinküste, verließen die Aquarius gestern Nachmittag im Hafen von Augusta. Zahlreiche Krankenwagen lasen die am schwersten Betroffenen auf, während die anderen in drei Gruppen zur Hafenhalle gebracht wurden, wo sie sich bis tief in die Nacht registrieren lassen mussten. Die Nacht mussten die Migrant*innen, auf den Weitertransport wartend, unter einem halboffenen Zelt verbringen.
Viola Gastaldi
Borderline Sicilia Onlus
Aus dem Italienischen übersetzt von Laura Strack