Ärzte ohne Grenzen stellt unter Protest Arbeit in Erstaufnahmezentrum in Italien ein
Pressemitteilung MSF – Die
Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen beendet die medizinische Hilfe im
Erstaufnahmezentrum in Pozzallo und das psychologische Hilfsprogramm in den
Aufnahmezentren in der sizilianischen Provinz Ragusa. Grund für diesen Schritt
sind die unzulänglichen Bedingungen in den Aufnahmezentren. Die Voraussetzungen
für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit den italienischen Behörden sind nach
Ansicht der Organisation nicht mehr gegeben. Die Hilfsorganisation appelliert
erneut an die Behörden, für angemessene Aufnahmebedingungen zu sorgen und
insbesondere die Bedürfnisse der schwächsten Menschen zu berücksichtigen.
„Trotz unserer
Forderungen sind die Aufnahmezentren nach wie vor überfüllt, es gibt zu wenige
Informationen über den rechtlichen Status, die Menschen werden nicht
ausreichend geschützt. Die Bedingungen, unter denen die Ankommenden in Sizilien
aufgenommen werden, sind unwürdig“, erklärt Stefano di Carlo, der Einsatzleiter
von Ärzte ohne Grenzen in Italien. „Unter den Ankommenden befinden sich
verletzliche Menschen, etwa Schwangere, Minderjährige und Folteropfer. Doch
angesichts der derzeitigen Bedingungen in Pozzallo und den sekundären
Aufnahmezentren in der Provinz Ragusa ist unsere Fähigkeit, angemessen auf ihre
medizinischen und psychologischen Bedürfnisse zu reagieren, extrem
eingeschränkt.“
Ärzte
ohne Grenzen hat in monatelangen Verhandlungen und in einem Bericht, der im
vergangenen Monat einem Ausschuss des italienischen Parlaments vorgelegt wurde,
wiederholt auf die Mängel des Erstaufnahmezentrums hingewiesen. Dennoch haben
weder die lokalen noch die nationalen Behörden konkrete Schritte unternommen,
um die Situation zu verbessern. Es ist zu befürchten, dass ein strukturell
unangemessenes Aufnahmesystem in Italien zur Norm wird.
Von
den mehr als 150.000 Menschen, die im vergangenen Jahr über das Mittelmeer nach
Italien kamen, sind rund 15.000 im Hafen von Pozzallo an Land gegangen. Das
Team von Ärzte ohne Grenzen – bestehend aus Ärzten, Pflegepersonal, Psychologen
und interkulturellen Mediatoren – hat die lokalen Gesundheitsbehörden im
Erstaufnahmezentrum von Pozzallo unterstützt, indem es dort medizinische
Untersuchungen durchgeführt und einen 24-Stunden-Ärztedienst angeboten hat.
Seit Februar 2015 wurden mehr als 3.000 medizinische Behandlungen durchgeführt.
In den sekundären Aufnahmezentren der Provinz Ragusa hat Ärzte ohne Grenzen
psychologische Unterstützung angeboten, vor allem für Menschen, die
traumatische Erlebnisse hinter sich haben. Insgesamt wurden mehr als 800
psychologische Behandlungen durchgeführt
„Dem
Schutz verletzlicher Personen, die nach langen Reisen über das Meer ankommen,
wird immer weniger Beachtung geschenkt. Bei der Ankunft und der Erstaufnahme in
Pozzallo sollten die Gesundheit und das psychosoziale Wohlergehen der
Neuankömmlinge jedoch oberste Priorität haben“, sagt Federica Zamatto, die
medizinische Koordinatorin von Ärzte ohne Grenzen. „Da Pozzallo ein sogenannter
EU-Hotspot werden soll, sind wir sehr besorgt darüber, dass dieses
Aufnahmesystem, das wir als völlig unzureichend betrachten, in ganz Italien zur
Norm wird.
Ärzte ohne Grenzen
wird die Aktivitäten für Flüchtlinge und Migranten in anderen Projekten auf
Sizilien und auf dem italienischen Festland fortführen. Die Hilfsorganisation
unterhält Hilfsprogramme in Trapani, Catania, Rom und Gorizia.