Obdachloser Tunesier tot in Palermo aufgefunden. Dritter Todesfall in drei Monaten
Redattoresociale.it – Der Tote wurde gestern unter einem Bogengang in der Nähe des Hafens von Palermo gefunden. Örtliche Hilfsorganisationen äußerten ihre Empörung über das Phänomen hilfsbedürftiger Migrant*innen, die vom Aufnahmesystem ausgeschlossen bleiben. „Diese alleinstehenden Personen sind gezwungen, in völliger gesellschaftlicher Unsichtbarkeit zu leben.“
PALERMO – Am gestrigen Abend, als viele Bürger*innen gerade das neue Jahr begrüßten, wurde unter einem Bogengang in der Nähe des Hafens von Palermo ein 45 Jahre alter Obdachloser tunesischer Herkunft tot aufgefunden. Bemerkt wurde die Leiche vom Regionalabgeordneten Vincenzo Figuccia, der dem seit längerer Zeit in prekären Bedingungen lebenden Mann zusammen mit seiner Schwester Sabrina ein bisschen Schokolade und einen Neujahrskuchen vorbeibringen wollte. „Die Solidarität hat sich in einen Moment des Schmerzes und der Wut verwandelt“, erzählt Figuccia, „denn als ich mich dem Mann, der am Boden lag, näherte, musste ich feststellen, dass er tot war.“ Die Wiederbelebungsmaßnahmen durch den Notdienst, der kurze Zeit später am Ort eintraf und Herzversagen feststellte, blieben erfolglos. Der Aussage eines anderen Obdachlosen zufolge hatte der Mann in den Tagen zuvor über Fieber geklagt.
Leider ist dies schon der dritte Obdachlose in drei Monaten, der in dieser Stadt an Elend und Kälte sterben muss. Am 21. Dezember war ein Obdachloser polnischer Herkunft in einer leeren Lagerhalle in der Nähe der Fiera del Mediterraneo tot aufgefunden worden. Ein weiteres Opfer hatte es im Oktober gegeben. Gerade in diesen ersten Tagen des neuen Jahres steht die Aufnahmestätte des stadtbekannten Mönchs Biagio Conte, die Missione Speranza e Carità, die in ihren Räumlichkeiten etwa 1800 vornehmlich ausländische Personen in Not beherbergt, kurz vor dem Zusammenbruch.
Der Fall des jungen Tunesiers rief starke Empörung aufseiten der Initiativen hervor, die sich um jene (vor allem tunesische, marokkanische und ägyptische) Migrant*innen kümmern, die keine Aufenthaltsgenehmigung haben und vom Aufnahmesystem ausgeschlossen geblieben sind. Dabei handelt es sich um Personen, die gerade aufgrund ihrer sozialen Unsichtbarkeit und weil sie tagtäglich in Angst vor der Abschiebung leben, nicht allzu leichtfertig institutionelle Hilfe annehmen.
„Wir wissen nicht viel über diesen Mann“, sagt Fausto Melluso, Immigrationsbeauftragter des Vereinsverbandes Arci Palermo und Aktivist der Initiative Arci Porco Rosso, „doch zweifelsohne gehört er zu jenen besonders Schutzbedürftigen, die Opfer eines politischen Systems sind, das ihre Rechte verkennt und sie folglich, anstatt ihnen den Asylstatus zu gewähren, ihrem Schicksal überlässt. Wir kümmern uns um sehr viele Menschen in vergleichbaren Situationen. Unser Verein Arci Porco Rosso öffnet an der Piazza Casa Professa täglich seine Beratungsstelle, in die sich viele von ihnen tagsüber flüchten, um den Internetzugang zu nutzen oder einfach nur, um sich an einem warmen Ort aufzuhalten. Zu uns kommen viele nordafrikanische Menschen, die keinen Zugang zum Aufnahmesystem haben und von daher orientierungslos sind und nicht wissen, an wen sie sich wenden können. Da sie keine Papiere haben, können sie sich noch nicht einmal Geld von Zuhause schicken lassen. Diese Nordafrikaner*innen, die in Italien ankommen, erhalten von den Behörden, die sie abweisen und ihnen den Asylantrag versagen, ein Papier, das ihnen befiehlt, innerhalb von sieben Tagen das Land zu verlassen. Es ist also völlig klar, dass sie gezwungen sind, in völliger sozialer Unsichtbarkeit zu leben, was schwerwiegende Folgen für ihre psycho-physische Gesundheit haben kann. Sie sind Opfer von allgemeinen politischen Entscheidungen eines Italiens und nicht zuletzt eines Europas, das ihnen die rechtmäßige Aufnahme verweigert und sie zu Illegalen macht. Alle großen Städte, in denen diese Migrationsströme zusammenlaufen, müssen sich früher oder später für die Bewältigung dieses Problems wappnen.“
Auch das Antirassistische Forum Palermo hat mehrmals auf die extrem prekäre Situation vieler obdachloser Migrant*innen aufmerksam gemacht. „Angesichts der rettungslosen Überbelegung, mit der sich derzeit die Migrant*innen in der Einrichtung von Biagio Conte konfrontiert sehen, haben wir vom Antirassistischen Forum das Problem mehrfach der Stadtverwaltung unterbreitet und erklärt, dass vor allem Migrant*innen auf der Durchreise sowie gerade erst Volljährige hauptsächlich nordafrikanischen Ursprungs betroffen sind“, erklärt die Aktivistin Fausta Ferruzza. „Wir haben uns auch mit dem Migrationsbeauftragten der Stadt getroffen und verhandeln derzeit über eine Lösung, die kurzfristig in Kraft treten kann, um auf diese soziale Notlage zu antworten. Weitere Opfer darf es nicht geben.“
Der Verstorbene war den Volontär*innen der Organisationen, die Obdachlosen in Zusammenarbeit mit der Stadt Hilfe und warmes Essen bringen, zwar bekannt, doch hatte er stets, da er wahrscheinlich keine Aufenthaltserlaubnis hatte, jegliche Hilfe vonseiten der städtischen Sozialdienste abgelehnt. Stadtratsabgeordneter Giuseppe Mattina, der gestern den Ort des Geschehens aufsuchte, erinnert daran, dass „kürzlich die Dienste auf den Straßen und in den Nachtunterkünften aufgestockt worden sind. Außerdem haben Stadt und Polizei eine Telefonnummer aktiviert, unter der man auf obdachlose Personen in Not aufmerksam machen kann. Weitere Maßnahmen, die auf die Bedürfnisse dieser Bürger*innen antworten sollen, sind für die nächsten Tage vorgesehen, aber es versteht sich von selbst, dass jedwede Hilfeleistung von den Betroffenen auch gewollt oder angenommen werden muss. Wenn sie keine Papiere haben, wie in diesem Fall, fürchten und fliehen sie nicht selten vor dem Kontakt mit den Institutionen.“
Für den Bürgermeister Leoluca Orlando „stehen wir vor der x-ten, durch eine unmenschliche, Bürger*innen und Menschen aufgrund ihres Herkunftslandes diskriminierende Politik verschuldete Tragödie, vor dem x-ten Opfer des Aufnahmesystems, das Hunderte von Personen ins Abseits drängt und sie daran hindert, Hilfe anzunehmen, weil sie Angst haben müssen, abgeschoben zu werden.“
Serena Termini
Aus dem Italienischen übersetzt von Laura Strack