Jenes Ex-Hotel in Geraci Siculo …..
Geraci, berühmt durch sein aus der benachbarten Quelle kristallklar sprudelndes Wasser, ist seit 2011 Sitz eines außerordentlichen Aufnahmezentrums (CAS*). Die Besitzer*innen des ehemaligen Hotels „Ventimiglia“, beschlossen während der dramatischen Situation mit den Geflüchteten aus Nordafrika ihren Beruf zu wechseln und so wurden aus den einstigen Hoteliers die Leiter*innen einer Kooperative, die ein außerordentliches Aufnahmezentrum führt. Dies geschah anfangs mit Hilfe des Zivilschutzes, dann in Zusammenarbeit mit der Präfektur. Und obwohl sich die Situation seit 2011 in Hinblick auf Zahl und Bedarfsentwicklung nicht verändert hat, herrscht in Geraci Siculo eine Stimmung des totalen Notstands – weil ein blinder Staat die im Stich lässt, die sich dafür entschieden haben die Aufnahme mitzugestalten.
Eigentlich hatte sich die Verwaltungsgruppe schon seit 2009 der Senior*innenbetreuung zugewendet, und das ehemalige Hotel in ein Altersheim umgewandelt. Dann teilte man die Struktur auf zwei Bereiche, und widmete sich von 2011 an auch der Aufnahme von Migrant*innen.
Wie es auch den Verantwortlichen des CAS* mitgeteilt wurde, war unser erster Eindruck beim Betreten der Einrichtung nicht positiv, weil wir erst einmal durch so viele Türen gehen mussten, um zu dem Büro des Leiters des Zentrums für Migrant*innen zu gelangen. Zwei davon waren sogar abgesperrt – dies im Gebäudeteil der Senior*inneneinrichtung. Die Situation war, als ob man sich in einem Gefängnis aufhalte. Dieser Eindruck wurde auch noch dadurch verstärkt, dass wir in einem Raum saßen, der vergitterte Fenster hatte, wie auch andere Örtlichkeiten, z.B. die Waschräume und Küchen (abgesperrt und vergittert). Die Verantwortlichen haben diese Maßnahmen mit „Prävention“ gerechtfertigt, da sie in der Vergangenheit heftige Proteste unzufriedener Bewohner*innen erlebt hätten. Diese seien bis zur Entführung einer Mitarbeiterin gegangen.
Es ist tatsächlich so, dass kein guter Beginn für ein Programm der sozialen Integration sichtbar ist, noch erschwert dadurch, dass es eine dünn besiedelte Gegend ist und sehr weit weg von Palermo. Und dennoch gibt es eine Besonderheit, insofern als einer der Köche dort ein ehemaliger Heimbewohner von 2015 mit nun Aufenthaltsgenehmigung ist.
Die Einrichtung ist für 44 Personen zugelassen (wenngleich sie noch viel mehr aufnehmen könnte), aber z.Zt. sind es 56, die hier untergebracht sind, d.h. 12 Personen mehr. Es handelt sich um Kollaborateure der Justizbehörde bei den eingeleiteten Verfahren gegen mutmaßliche Schlepper. Sie wurden von der Polizeidirektion in Palermo hierhergeschickt, weg von indiskreten Blicken, genau wie in das Aufnahmezentrum von Isnello (ein anderer Ort in den Bergen, weit weg vom bewohnten Zentrum).
Die Zusammensetzung der Leute hier ist gemischt, alle warten auf Beschlüsse seitens der Präfektur in Palermo: zwei Asylsuchende, die seit 2013 (gute 3 Jahre) hier wohnen, viele haben schon einen Ablehnungsbescheid, und einige, die bereits ihren Asylstatus erhalten haben.
Die Leitung des Hauses beklagt sich über ihre Schwierigkeiten wenn es darum geht, den im Mai angekommenen Migrant*Innen zu erklären, warum das Polizeipräsidium in Palermo wegen der großen Menge an Arbeit die Termine für das Ausfüllen des C3* Formulars immer noch nicht gemacht hat. Die Bewohner*innen ihrerseits sprechen von ihren großen Problemen mit den bürokratischen Verzögerungen , die zu der isolierten Lage des Heimes erschwerend dazukommen und sie noch schutzbedürftiger machen.
Auch im CAS* von Geraci Siculo gibt es – wie im Aufnahmezentrum von Piano Torre Isnello – Fälle von Personen mit schweren gesundheitlichen Problemen, die nicht mit der angemessenen Aufmerksamkeit behandelt werden: es kann nicht möglich sein, dass jemand mit einem Tumor, HIV oder psychotischen Störungen in einem CAS* wohnen bleibt – dies trotz der vergeblichen Versuche, ihn in ein spezialisiertes Aufnahmezentrum, ein SPRAR*, verlegen zu lassen, wie uns die zuständigen Personen des Heimes berichteten. Dies wurde über Mitteilungen an die staatliche Gesundheitsbehörde vergeblich versucht.
Wir haben es mit einem System zu tun, das auf der Ausbeutung von Menschen gegründet ist, keinen Respekt vor dem Leid der Menschen hat und keinerlei psychologische Hilfe anbietet. Ein System, das den CAS* auf ihre Anfragen wegen der Verlegung von Migrant*innen mit erheblichen psychischen Störungen keine Antwort gibt, und dann aber Rechenschaft geben muss über die Flucht ebendieser Personen. Sie haben es getan, weil sie vielleicht merken, dass sie sonst im Heim beim Warten auf Antwort sterben. Es ist ein System, das drei liberianischen Jungen erst eine rechtmäßige Aufenthaltsgenehmigung verspricht, und sie dann stattdessen nach einem als bewiesen angegebenen Zwischenfall auf der Straße ohne Aufnahmemöglichkeit zurücklässt. …. Ein System, das depressiv macht oder einen dazu bringt, sich mit Gewalt zu wehren oder zu protestieren um seine Rechte zu bekommen – so geschehen letzte Woche in Castelvetrano in den SPRAR* der Kooperative Insieme (wegen versäumter Ausgabe des Taschengeldes) oder im CAS* von Marsala (Ipab Giovanni XXIII) – dort wegen Problemen mit der Heimverwaltung.
Migrant*innen, die protestieren und über die dann die Leute wie über Tiere, die Probleme machen, reden. Diese Probleme ermöglichen, dass viele von uns auf ihrem – dem Rücken der armen Migrant*innen – Geld verdienen.
Man denke nur an die jüngste Umwidmung eines Hotels in ein Erstaufnahmezentrum für Minderjährige: das altehrwürdige Hotel Azzolini in Carini (Provinz Palermo) erlebt eine Renaissance dank genau eines Abkommens zwischen dem Besitzer und der Kooperative New Life, die damit wieder ins Aufnahmesystem kommt, nachdem sie das Aufnahmezentrum Green Paradise in Piana degli Albanesi vor Monaten geschlossen hatte.
Ehemalige Hotels leben so dank Migrant*Innen … die Art und Weise jedoch, wie das italienischen Aufnahmesystem dies belohnt ist nicht wirklich ideal, zumindest nicht für das Leben der Migrant*innen.
Alberto Biondo
Borderline Sicilia
CAS* – Centro di accoglienza straordinaria, außerordentliches Aufnahmezentrum
C3*, modulo – Formular C3 zur Asylantragstellung
SPRAR* – Sistema di protezione per rifugiati e richiedenti asilo: Schutzsystem für Asylsuchende und Flüchtlinge, kommunales Aufnahmesystem auf freiwilliger Basis (keine staatliche Verpflichtung), ca. 3000 – 3500 Plätze in ganz Italien. Soll zur Integration der Geflüchteten dienen
Aus dem Italienischen übersetzt von Petra Schneider