Hunderte Personen werden illegal auf im Hafen von Palermo ankernden Schiffen festgehalten

Der Verein Borderline Sicilia Onlus äußerte tiefe Empörung gegenüber der wiederholten Gesetzesverletzung und der völligen Negierung elementarer Menschenrechte, angefangen vom Recht auf Rechtsbeistand und gerichtliche Kontrolle in Angelegenheiten der persönlichen Freiheit, und angesichts der willkürlichen Behandlung von Hunderten tunesischen Bürgern auf den im Hafen von Palermo ankernden Gefängnisbooten, denen wir in diesen Stunden beiwohnen mussten.
Es handelt sich hier faktisch um illegale Haft und Entziehung der persönlichen Freiheit, die ohne jegliche Bestätigung der gerichtlichen behörden durchgeführt werden, an Bord von Schiffen, die die Funktion von schwimmenden Haft-und Abschiebezentren / Centri di identificazione ed espulsione eingenommen haben.
Das ist lediglich der letzte und schlimmste Vorfall einer Reihe von Ereignissen, die sich seit dem Beginn des Jahres 2011 abspielen – Monate, in denen von Seiten der Regierung eine Art des Umgangs mit den in Lampedusa eintreffenden Migranten verordnet wurde, die zu explosiven Situationen wie bspw. einem Brand im Zentrum Contrada Imbriacola und darauffolgenden Gewaltätigkeiten, die auf der Insel am 21.09. ausbrachen, führte.
Die Ausrufung des Ausnahmezustandes und die folgende Dringlichkeitsverordnung haben dazu geführt, dass die von der Verfassung und der Rechtsordnung garantierten Grundrechte aufgehoben, und dass Haftformen in improvisierten Strukturen, zu welchen die Presse und Hilfsorganisationen keinen Zugang hatte, benutzt wurden – sodass auf diese Weise tatsächlich ein Ausnahmezustand herbeigeführt wurde.
Die Zwangskonzentration in Nicht-Orten von Personen, die keinerlei Verbrechen begangen haben erinnern an Zeiten, die in der europäischen Geschichte nicht mehr vorkommen dürften; stattdessen wiederholen sich bestimmte Ereignisse vor unseren Augen.
Auf Lampedusa, einer Insel, die für Interessen genutzt und ausgebeutet wird, die mit ihren Bewohnern wenig zu tun haben, hat man nichts anderes gemacht, als weiter das Feuer zu schüren, was einen Zustand der Verbitterung und der Gewalt hervorgerufen hat, was zu Szenen geführt hat, derer sich ein zivilisiertes Land schämen müsste.
Und die Anwort der Behörden auf das, was schuldhaftvon ihnen selbst verursacht worden ist, ist eine weitere Aussetzung des Rechtsstaates, die in keinster Weise hingenommen werden kann.
Wir fordern, dass alle tunesischen Bürger, die auf den Booten festgehalten werden, diese verlassen können und in die entsprechenden, vom Gesetzgeber für Fälle der Zwangsabschiebung vorgesehen Strukturen überwiesen werden; dass diejenigen, die illegitimerweise mehr als 96 Stunden erst auf Lampedusa und dann auf den Schiffen festgehalten wurden, freigelassen werden; dass keine Kollektivabschiebungen, die italienisches sowie internationales Recht verletzen, durchgeführt werden.
Desweiteren fordern wir die Überstellung der unbegleiteten Minderjährigen, die monatelang unter unmenschlichen Bedingungen auf Lampedusa festgehalten wurden, in von der italienischen Gesetzgebung für sie vorgesehenen Strukturen. Damit appellieren wir auch an humanitäre Organisationen, ihre Rolle, ihre Funktion und vor allem ihre Unabhängigkeit geltend zu machen.
Es gibt keinen Anlass, sich Illusionen zu machen, dass, wenn das ‘Beweisstück’ entfernt wird, indem die Boote in unerreichbare Bereiche verlegt werden und den Migranten so jede Kontaktaufnahme unmöglich gemacht wird, die die Verantwortung für die Ereignisse dieser Tage verdeckt werden kann.

Sonnatg 25. September 17.00h im Hafen von Palermo – Molo S. Lucia
Versammlung gegen die Ausgrenzung und Abschiebung der tunesischen Migranten