Messina, Polemik bzgl. der Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und des Zeltlagers von Pala Nebiolo
In diesen Tagen gibt es zahlreiche Artikel über die
Debatte zwischen dem Bürgermeister von Messina, Renato Accorinti, und dem
Präfekten, Stefano Trotta, die das Thema unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (umF) betreffen.
Zwei Monate vor Ablauf der Vergabe der Verwaltung der
Einrichtung für umF an die Kooperative Ahmed
in den Räumlichkeiten des ehemaligen Ipab* “Scandurra Conservatori
Riuniti”, wirft die Präfektur der kommunalen Verwaltung erneut vor, absolut
desinteressiert gegenüber der Situation der Aufnahme der Minderjährigen zu
sein.
Die Einrichtung Ahmed
ist durch Beschluss des Präfekten im vergangenen Oktober, in einer
Ausnahmesituation aufgrund des Mangels an genügenden Plätzen, für die
Aufnahme der angekommenen Jugendlichen eröffnet worden.
In der Zwischenzeit ist die Verwaltung aber nicht ihrer Aufgabe
nachgekommen, für geeignete Unterkünfte zur Aufnahme von umF zu
sorgen. Im Hinblick auf den Ablauf des derzeitigen Vergabezeitraums fordert der
Präfekt, dass man an die geeignete Unterbringung für 200 in der Einrichtung
befindlichen Jugendlichen denken soll. Aber die Einrichtung Ahmed ist nicht die einzige Struktur,
die als Ausnahmeeinrichtung in der Stadt errichtet wurde.
Seit November 2013 verfügt Messina über ein
Zeltlager, bestehend aus 32 Zelten für maximal 250 Personen. Hierbei sollte es
sich um eine provisorische Lösung handeln, um der wachsenden Anzahl der über
das Meer ankommendem Migranten zu begegnen.
Dieser sog. „Notfall“ liegt in Italien seit dem
Ende der Neunzigerjahre vor, wird aber wie eine plötzliche Notsituation behandelt,
der eine langfristige Planung mit geeigneten Orten für die Aufnahme der
Personen gänzlich fehlt. Diese kommen jährlich auf der Suche nach Hilfe und
Schutz an, nachdem sie auf einer langen und gefährlichen Reise ihr Leben
riskiert haben.
Foto Giulia Freddi
Zu Beginn des zweiten Jahres des Bestehens des Zeltlagers
von Pala Nebiolo und mit der wachsenden Anzahl der Ankünfte, die dieses Jahr
insbesondere die Stadt betrifft, hat manch einer begonnen, sich über die
widrige Aufnahme durch die Stadt Messina und unrechtmäßige Situation zu
empören. Der Winter nähert sich. Die Kälte und der Regen sind auch in Sizilien
auf dem Anmarsch und manch einer wird gezwungen sein, die nächsten Monate in
einem Zelt zu verbringen, was die Gefahr der Überschwemmung in sich birgt (so
wurde das Lager infolge eines starken Regens im Dezember 2013 evakuiert).
Das Zeltlager befindet sich innerhalb des V. Kreisbezirks
der Gemeinde Messina. Paolo Barbera, Kreisrat des Kreisbezirks, ist seit fast
einem Jahr Stimmträger gegen die prekäre Situation, in der sich die Migranten
befinden. Im Mai diesen Jahres ist eine erste Anfrage beim Bürgermeister und
beim Präfekten erfolgt, um die ehrenamtliche Tätigkeit der Asylbewerber zu
fördern. Barbera ist der Meinung, dass eine derartige Tätigkeit die Migranten
stimulieren könnte, da sie oft überhaupt keiner Tätigkeit nachkommen. Außerdem
sei es eine Möglichkeit, die Stadtbewohner kennenzulernen und damit
fremdenfeindliche Gefühle zu reduzieren. Diese seien auf Misstrauen und Angst
zurückzuführen, die wiederum auf Ignoranz basieren. Es ist ihm im Anschluss
daran gelungen, den gesamten Kreisbezirk zu einem weiteren Beschluss zu
bewegen, der eine zweite Anfrage an den Bürgermeister und den Präfekten
betrifft, mit der Forderung der Schließung und einem alternativen Vorschlag zur
Organisation der Aufnahme der Migranten. Indem zahlreiche Kritiken an der
Verwaltung der Aufnahme in Messina dargelegt werden, wendet er sich an die
Autoritäten, in der Hoffnung, dass „Zeltlager beziehungsweise
die Konzentration von hunderten von Personen in einer einzigen und prekären
Einrichtung durch eine verbreitete, verteilte Aufnahme in bewohnten
Zentren ersetzt werden“.
Paolo Barbera erklärt, wie eine verbreitete Aufnahme,
d.h. die Unterbringung von Kleingruppen von Personen in kleinen Einrichtungen,
möglich und wünschenswert in menschlicher Hinsicht wären.
In Messina gebe es viele unvermietete und
unbewohnte Wohnungen. Diese, einmal ordnungsgemäß ausgestattet, seien
absolut geeignet, um würdevoll zu leben. Orte, die kleiner als die großen
Zentren seien, verteilt innerhalb des sozialen Netzes einer Stadt, bieten
denjenigen, die dort leben, eine höhere Lebensqualität, was die
persönlichen Beziehungen und die Privatsphäre eines jeden anbelange. Darüber
hinaus werde der direkte Kontakt zu den Bewohnern eines Viertels gefördert, und
das Risiko des sozialen Ausschlusses reduziert.
In Bezug auf die Vorteile, die die Stadt dadurch erlangen
würde, würde man in wirtschaftlicher Hinsicht für das Bewohnen der Häuser die
derzeit leer stehen, einen entsprechenden Mietzins entrichten und in
ästhetischer Hinsicht würde die Stadt eine Verbesserung durch das Wiederbeleben
der verlassenen Orte widerfahren.
Die positiven Seiten sind evident, die sich bei der Ausführung
des Vorschlags des V. Kreisbezirks zu Gunsten aller ergeben würden,
insbesondere der Migranten, aber auch der Einwohner der Stadt und der Stadt
selbst.
Es sei aber unerlässlich, die Spekulationen und Kundenbeziehungen,
die von unserem Aufnahmesystem derzeit profitieren, Abstand zu nehmen, und
Ideen den Vorrang zu geben, die auf der Beachtung der Rechte basieren.
Aufgrund der kommunalen Satzung ist der Bürgermeister
aufgrund des Anfragebeschlusses verpflichtet, innerhalb von 30 Tagen Stellung
zu nehmen. Der V. Kreisbezirk ist aber davon überzeugt, wie bereits in
vorhergehenden, ähnlichen Fällen, keine Mitteilung zu erhalten. In diesem
Fall habe er vor, weiterhin Druck auszuüben, bis man bezüglich des Zeltlagers
von Pala Nebiolo interveniert, denn dies stelle kein Aufnahme dar, zu
der Messina in der Lage sei.
Giulia Freddi
Borderline Sicilia
*IPAB – Istituto pubblico di assistenza e
benessere, italienische öffentliche Einrichtung der Wohlfahrt und Unterstützung
Aus dem Italienischen von Lan Gatti