Borderline Sicilia besucht Palanebiolo in Messina

Am 23.06. ist uns der Einlass in das
Zeltlager bei Pala Nebiolo in Messina gewährt worden. Die Mitarbeiter des Betreibers
(RTI Senis Hospes, der auch La Cascina Cooperativa und den Consorzio Sol
Calatino mitumfasst) haben uns bei unserem Besuch durch das Zeltlager geführt.
Es war lediglich 10.30 Uhr am Morgen, aber die Sonne glühte und es herrschten
unvorstellbare Temperaturen im Inneren der Zelte.


Während des kurzen Rundgangs ist es uns aus sog. Gründen des Schutzes der Privatsphäre
nicht erlaubt worden in die Zelte hineinzuschauen. Wir sind auch zum großen
Pavillon geführt worden, der als Kantine fungiert und wo man uns auf die Trittbretter
aufmerksam gemacht hat, die von der Präfektur finanziert wurden, um den Zugang
von den Zelten zu der Mensa zu gewährleisten, ohne in den Sumpf zu fallen, der sich in durch die
vielen Regentage dieses Winters gebildet hatte. Den Gästen werden drei
Mahlzeiten am Tag garantiert, die von der Kooperative La Cascina geliefert
werden. Es gibt 18 Toiletten und 10 Duschen.



Insgesamt waren zur Zeit unserer
Besuchs 249 Migranten im Aufnahmelager untergebracht. Sie kommen alle aus afrikanischen Ländern vorwiegend aus Mali,
Nigeria und Gambia. Es handelt sich um 2 Gruppen, die bereits am 7. und 10.
Juni in der vorübergehenden Erstaufnahmeeinrichtung angekommen sind. Die
Verweildauer in der Einrichtung übersteigt
daher im hohen Maße das vorgesehene Limit von 72 Stunden.

Es handelt sich insgesamt um 36 Zelte, jeweils mit 7 Plätzen. Die Einrichtung
wird daher bis zur maximalen Kapazität benutzt.
Wobei derzeit zum Glück die Turnhalle, die bei der Anlandung am
vergangenen 9. April wiedereröffnet wurde (obwohl die Schließung wegen
hygienischer–gesundheitlicher Gründe einige Monate vorher angeordnet wurde),
geschlossen bleibt.


Die Mitarbeiter und Leiter der
Einrichtung standen bereitwillig zur Verfügung, um über ihre Tätigkeit in der
Einrichtung selbst zu sprechen, indem sie uns auch interne Unterlagen über alle
angebotenen Leistungen zur Verfügung stellten.

Sie haben über den Rechtsberatungsservice
gesprochen, der die Ausstattung mit ersten allgemeinen Informationen über das
Asylrecht innerhalb von 24 Stunden nach der Ankunft der Gäste vorsieht. Dieser
Service ist gewährleistet durch einen Rechtsbeistand, der mit dem Betreiber
einen Mitarbeitervertrag hat und auch für Einzelgespräche zur Verfügung steht. Die
allgemeinen Informationen werden mithilfe der kulturellen Mediatoren
übermittelt.

Die Außenabteilung der Einwanderungsbehörde
des Polizeipräsidiums von Messina, die sich im Inneren der Einrichtung
befindet, garantiert auch das Ausfüllen und Bearbeiten des C3-Antrags, aber
bisher hatte niemand der seit über zwei Wochen dort lebenden Asylbewerber den
Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Ein Treffen mit einem Sozialarbeiter ist
auch innerhalb der ersten 48 Stunden nach Ankunft vorgesehen. Dieser arbeitet
täglich in der Einrichtung und zeigt den Gästen deren Rechte und Pflichten in
dem Lager sowie auch die Gebräuche und Sitten der Stadt, um die Integration in
das soziale Umfeld zu begünstigen.

Der ärztliche Betreuungsdienst wird
hingegen durch einen Chirurgen gewährleistet, der einen professionellen Vertrag
mit dem Betreiber hat und der neben dem täglichen Besuch am Nachmittag, wenn notwendig, 24 h
täglich zur Verfügung steht. Man hat uns ebenso ein Muster einer Krankenakte
gezeigt, in der eine allgemeine Anamnese, die dem Screening bei der Ankunft in
der Einrichtung folgt, und das klinische Tagebuch, in dem eventuelle
Problematiken oder Unwohlsein des Patienten aufgeführt sind, sowie eventuelle Untersuchungen bei Spezialisten und
schließlich die verabreichten Behandlungsmethoden enthalten sind.

Positiv überrascht uns die Registrierung im Nationalen Gesundheitsdienst SSN
(Servizio Nazionale Sanitario) jedes Gastes mit der Folge der Aktivierung des STP
(Straniero Temporaneamente Presente, übersetzt: Ausländer mit vorübergehenden
Aufenthalt – mit dieser Einordnung erhalten irreguläre nicht EU-Ausländer den
Zugang zum Gesundheitssystem in Italien, Anm. d.Übers.). Dies erfolgt innerhalb
6 Tagen nach der Ankunft. Obwohl der Zugang zum ärztlichen Betreuungssystem ein
fundamentales Recht darstellt, wissen wir, dass viele staatlichen Einrichtungen
Asylbewerber auch für lange Zeiträume unterbringen, ohne die Registrierung zum
nationalen Gesundheitsdienst vorzunehmen (siehe CARA/CDA/CIE di Pian del Lago
di Caltanissetta)

Die Sprachmittlung wird durch 3 Mitarbeiter gewährleistet, zwei
französischsprachige aus der Elfenbeinküste und einem Mann aus Gambia.


Die Ausgabe des Taschengeldes erfolgt
in Form von Zigaretten, internationalen Telefonkarten, Feuchtigkeitscremen oder
einem Italienischbuch. Die Gäste können sich aussuchen, wie sie das Taschengeld
“ausgeben” möchten, indem sie einer dieser Produkte im Bazar der Einrichtung
“kaufen”. Auch hier sind uns die
Belege gezeigt worden, auf denen der
Name eines jeden Gastes mit Unterschrift und der Angabe des Produktes
aufgeführt sind.

Die Auswahl ist gewiss größer als in
anderen Einrichtungen, wo z.B. nur die Verteilung von Zigaretten vorgesehen
ist, aber es wird nicht die Möglichkeit gewährt, über die 2,50 Euro täglich
auch außerhalb der Einrichtung zu verfügen. Die Leiter der Einrichtung haben die
Möglichkeit angedeutet, das Taschengeld zu sparen, aber es ist nicht erkennbar
gewesen, auf welche Weise es dem Gast vor seiner Verlegung in eine andere
Einrichtung erstattet wird, weil die Umwandlung in Geld nicht vorgesehen ist.

Wir hatten auch die Möglichkeit, direkt
mit den Gästen zu sprechen, immer in
Anwesenheit des Teams der Einrichtung, die uns auch die Sprachmittler zur
Verfügung gestellt hat. Wir haben aber bevorzugt, so wenig wie möglich davon Gebrauch
zu machen, um einen direkten Dialog zu haben.
Es wurde uns die Präsenz des Arztes jeden Nachmittag bestätigt, während uns
bezüglich des Rechtsberatungsdienstes gesagt wurde, dass das Treffen einige
Tage nach der Ankunft erfolgt ist und nur eine knappe Stunde gedauert hat. Es
schien uns, dass die Beratung allgemein gehalten wurde und dazu diente, den
Gästen zu vermitteln, dass es sich um eine vorübergehende Aufnahmeeinrichtung
handelt, von der sie aus sobald wie möglich verlegt werden. Der Vertreter des
Betreibers hat uns gebeten, ihnen noch einmal zu bestätigen, dass der Rechtsanwalt zu Einzelgesprächen
nach vorheriger Terminabsprache zur Verfügung steht.

Der Gesamteindruck ist, dass die Verwaltung
einigermaßen zufriedenstellend erfolgt. Man könnte sie sogar als gut
bezeichnen, wenn die Verweildauer in Einrichtung die gesetzliche Grenze von 72
Stunden nicht überschreiten würde. Leider besteht das grundlegende Problem fort,
das in allen Erstaufnahmeeinrichtungen verbreitet ist, nämlich die Verweildauer
von Wochen in diesen Einrichtungen in denen eine insbesondere strukturelle
Ausstattung für eine menschenwürdige Aufnahme fehlt.

Giovanna Vaccaro
Borderline Sicilia Onlus

Aus dem Italienischen von Lan Gatti