Besuch in der ehemaligen Kaserne Gasparro in Bisconte, Messina

Am 7. März haben wir zusammen mit Aktivist*innen
und dem Abgeordneten der Partei Movimento
5 Stelle
Francesco D’Uva die ehemalige Kaserne Gasparro in Bisconte in der Provinz
Messina besucht. Als wir gegen fünf Uhr nachmittags eintreffen, finden wir das
von Sicherheitsbeamten bewachte Tor offen. Zu Beginn der Besichtigung haben wir
beim Vertreter der Betreibergesellschaft (die Associazione ARCA in Trapani) allgemeine Informationen über die aktuell
anwesenden Bewohner eingeholt. Insgesamt sind es 198 Männer im Alter
zwischen 18 und 25 Jahren aus Gambia, Mali, Nigeria und dem Senegal.

Durchschnittlich bleiben
die Bewohner*innen 30 Tage hier. Auf unsere Nachfrage über den juristischen
Status des Zentrums hin erfahren wir, dass es ein Erstaufnahmezentrum ist, ein
CPA*, in dem theoretisch ein Aufenthalt für die Identifikationsformalitäten
von nicht länger als 72 Stunden vorgesehen ist.

Vor dem Eingang passieren wir zwei
Toilettencontainer. Aus Respekt vor der Privatsphäre der Benutzer*innen betreten
wir die Container nicht. Trotzdem sehen wir die kläglichen hygienischen
Bedingungen – Wasser auf dem Boden und Gestank aus den Abflüssen.

Wir betreten nun einen der drei
grossen Räume, aus denen die ehemalige Kaserne besteht: er misst 10×10 Meter und hat
28 Betten, davon sind einige Hochbetten und andere Einzelbetten. Der Raum
scheint uns überbelegt. Aber die Situation ist in den anderen
zwei Räumen noch prekärer. Hier sind 170 überwiegend Hochbetten auf einer
Fläche von 10 x 18 Metern entlang der Wände und in der Mitte der Räume
verteilt. Viele sind ohne Zwischenraum nebeneinandergestellt. Es herrscht ein
unangenehmer Geruch und Privatsphäre ist hier nicht möglich.

Während unseres Rundganges sitzen einige
der Bewohner*innen auf ihren Betten, andere schlafen. Einer, der den Zweck
unseres Besuches erkannt hat, bittet uns, den Betreibern mitzuteilen, dass
sie einen Italienischkurs in Gang bringen mögen, da er seit ca. einem Monat dort
sei und immer noch nichts gelernt habe. Andere junge Bewohner halten sich
im Gebetsraum auf und Einige spielen draußen Fußball.

Im Mensaraum sitzen Einige vor dem
Fernseher. Für die große Zahl der Bewohner scheint dieser Raum eindeutig
zu klein. Die Wartezeiten für die Bewirtung und für das Essen müssen lang sein!

Auch die Krankenbehandlungsräume
machen keinen guten Eindruck. Es ist ein verlassener, unhygienisch wirkender
Ort, der seiner Bestimmung keine Ehre macht. Überall liegen Medikamente herum.
Der Verantwortliche des Zentrums erklärt uns, dass der Gesundheitsdienst in
Abwechslung mit dem Pala Nebiolo jeden zweiten Tag von einem Arzt geleistet
wird, der in stetem Kontakt mit der staatlichen Gesundheitsbehörde stehe und diese
über die Anzahl von Konsultationen und die behandelten Krankheiten informiere.
Regelmäßige Öffnungszeiten gibt es nicht, doch der Arzt untersuche alle, die
sich einfinden, und bekommt von den Betreibern das Entgelt für die geleisteten
Stunden.

Wir fahren fort mit unserem Rundgang
und kommen an den hygienischen Einrichtungen im Inneren des Zentrums vorbei,
die gerade gereinigt werden. Es sieht gut aus hier, aber für so viele Bewohner sind sie ungenügend. Zusammen mit den Außenanlagen sind es 10 WCs und 10
Waschbecken und Duschen.

Als wir nach einer Erklärung für die
Überbelegung der Zimmer fragen, antwortet der Verantwortliche, dass die
Präfektur jeden Monat Inspektionen diesbezüglich durchführe. Die letzte habe am 21. Februar
stattgefunden. Das bedeutet, dass den Kriterien des staatlichen Regionalbüros
entsprechend die Lage im CPA den Standards für die menschenwürdige und die
Gesundheit nicht beeinträchtigende Aufnahme von Asylsuchenden nachkommt. In der
Konvention über die Vergabe der Betreuung von Flüchtlingen ist die Zahl von 200
Bewohner*innen für die ehemalige Kaserne in Bisconte und 250 für Pala Nebiolo
vorgesehen.

Es fällt demnach schwer, die Bedeutung
des Zwischensatzes in der Ausschreibung der Präfektur von Messina zu verstehen.
Dort wird, was die maximale Kapazität der Aufnahmestrukturen betrifft, hervorgehoben,
dass die Höchstgrenze „angesichts der Notwendigkeit, einheitliche Standards und
Vorgaben der Aufnahmeregelungen“
gewährt werden muss.

In der ehemaligen Kaserne Bisconte, die den
gesetzlichen Bestimmungen entsprechend nur für den Transitaufenthalt der
Migrant*innen bestimmt wäre, sind die garantierten Dienstleistungen aufs
allernotwendigste begrenzt. Das Team ist sowohl für Pala Nebiolo als auch für
die ehemalige Kaserne in Bisconte zuständig. Sie besteht aus zwei Angestellten/ kulturellen,
sprachlichen Mediator*innen, einer Psychologin, einer Italienischlehrerin und
einer Sozialarbeiterin, die somit für 450 Leute zuständig sind.

Laut des Verantwortlichen ist auch ein
Rechtsberater Teil des Teams. Er sollte den Geflüchteten rechtliche
Informationen innerhalb der ersten 48 Stunden ihres Aufenthalts liefern. Hierzu
wollen wir daran erinnern, dass die Aussagen der Geflüchteten
vom 30. Januar dieses Jahres vor dem Pala Nebiolo ganz anders lauteten. Keiner
von ihnen hat je eine Rechtsberatung erhalten, auch die nicht, welche sich seit
mehr als einem Monat in der Zeltstadt aufhielten.

Auch die Organisation des
Italienischkurses scheint unklar. Damit ist eine freiwillige Lehrkraft betraut,
die zwischen den beiden Zentren pendelt, wann es die Zeit ihr erlaubt.

Die baulichen Eigenschaften und der
Mangel an Dienstleistungen, die dieses Aufnahmezentrum charakterisieren, zeichnen
das Bild einer von Einsparungen geprägten Asylpolitik. Dies tritt nicht nur in
der Missachtung der geltenden Gesetze und der Menschenwürde auf. Diese
Asylpolitik hat vor allem gravierende Konsequenzen für das Leben der
Migrant*innen.

In diesem Zusammenhang wird auch die
besorgniserregende Situation der 20 Asylsuchenden deutlich, die mit den Behörden
bei den Ermittlungen zusammengearbeitet haben, um Schlepper beim Landgang zu
identifizieren. Sie befinden sich seit Monaten im Zentrum, und sind noch immer nicht
vom verantwortlichen Richter angehört worden. Anstatt diesen Personen Schutz zu
gewähren, wie es das Gesetz vorsieht, werden sie dazu verurteilt, sehr lange
Zeit in diesem Nicht-Ort zu verbleiben und sind dort vollkommen sich selbst
überlassen.

Der schlimmste Fall ist der eines
Zeugen, der sich seit 7 Monaten in der Einrichtung befindet. Er wurde noch
nicht vom Richter angehört, er weiß darum nicht, wie lange er noch für den
Transfer in ein Aufnahmezentrum warten muss. Als wir fragen, wie oft er den
Richter gesehen habe, sagt er: „Nie.“

Diese zwanzig Migrant*innen sind die
einzigen, die ihren Antrag auf internationalen Schutz formal eingereicht haben.
Alle anderen werden das Verfahren erst in den nächsten Aufnahmezentren
einleiten können. So wirkt sich die Verlängerung der Erstaufnahme negativ auf
die Möglichkeit aus, sofort Asyl zu beantragen – was wiederum zur Folge hat, dass
die Anhörung vor der Regionalkommission ebenso verzögert wird.

Nun wollen wir wissen, wo und wie alle
diese Personen identifiziert werden: Alle Identifikationen finden bei der
Ankunft im Immigrationsbüro der Präfektur statt, das im Pala Nebiolo selbst
eingerichtet ist. Erst nach und nach werden die Migrant*innen in die ehemalige Kaserne
in Bisconte versetzt. Als wir wissen wollen, was die Konsequenzen sind für die,
die sich weigern, die Fingerabdrücke nehmen zu lassen, erhalten wir eine klare
Antwort: „Niemand verlässt das Pala Nebiolo, ohne die Fingerabdrücke abgegeben
zu haben.“ Was der Ablauf dieser Maßnahme betrifft, verweisen wir auf
unseren Bericht vom 30. Januar dieses
Jahres.

Es ist uns ein Anliegen, auf einen
weiteren kritischen Punkt hinzuweisen, der das Aufnahmezentrum in der ehemaligen Kaserne in Bisconte betrifft. Wir haben darüber bereits in unserem Bericht über den Besuch in der Casa – Albergo Sant’Alessio geschrieben,
ein Zentrum für unbegleitete minderjährige Geflüchtete, das letzten Oktober
eröffnet wurde.

Wir wissen mit Bestimmtheit, dass in
Bisconte vor Kurzem volljährig gewordene Migrant*innen untergebracht werden,
die vorher einige Monate in Institutionen für Minderjährige verbracht haben. Sie
verlassen also die Aufnahmezentren und werden in die Erstaufnahmezentren
„zurück“ versetzt. Wir können diese Praxis mit Sicherheit bestätigen,
denn wir haben den Weg einiger von ihnen mitverfolgen können. Am 13. Oktober
haben wir sie in der Turnhalle Gravitelli gesehen. Letzten Monat waren sie in
der Gemeinschaft für Menschen mit Behinderung und SeniorInnen Sant’Alessio.
Dorthin wurden sie kurz nach der Veröffentlichung unserer Pressemitteilung vom Oktober gebracht. Und nun sind sie am 7. März wieder hier in Bisconte.

Unter ihnen war einer, der uns
wiedererkannt hat. Wir sind uns vor einem Monat in Villa Solaria begegnet, wo
er 7 Monate verbracht hat, bevor er einen Tag nach seiner Volljährigkeit in die ehemalige Kaserne Bisconte zurückgebracht wurde. Er meint: „Jetzt bin ich hier
weil „Bambino finito – Kind vorbei“. Er fühlt sich nicht wohl hier
und kann auch nicht mehr in die Schule, die er vorher täglich besucht hat.

Am Ende unseres Besuches hat der Abgeordnete
D’Uva die Präfektur kontaktiert um zu erfahren, wie es mit der ehemaligen Kaserne
Gasparro weitergehe. Einerseits wurde die Nachricht dementiert, dass dort ein
Hotspot eingerichtet werde, andererseits hört er von der Vergrößerung der
Einrichtung zwecks der Planung eines Super-Hubs.

Giovanna
Vaccaro

Borderline
Sicilia Onlus

*C.P.A. Centro prima Accoglienza: Erstaufnahmezentrum

Übersetzung
aus dem Italienischen von Susanne Privitera Tassé Tagne