Besuch im ehemaligen „IPAB“* Conservatori Riuniti Scandurra di Messina

Die Tausenden Migranten, die in den letzten Wochen in Sizilien ankamen, haben mittlerweile auch Messina erreicht. Nach ihrer Ankunft in Porto Empedocle wurden sie in die Zelte von Pala Nebiolo gebracht. Am 19. Februar wurden die Minderjährigen dann im Erstaufnahmezentraum im ehemaligen Ipab Scandurra untergebracht.
Die Komplettrenovierung dieses Zentrums begann vor mehr als einem Jahr, als die Operationen von Mare Nostrum bereits verschiedene Hunderte Flüchtlinge in die Stadt brachten. Diese mussten in den Zelten von Pala Nebiolo oder in der Gasparri-Kaserne unterkommen. Die soziale Kooperative „Senis Hospis“, die das Zentrum gemeinsam mit der Kooperative S. Francesco von der Genossenschaft SOL.CO zur Zeit leitet, entschied somit Geld in die Sanierung des ehemaligen IPABs zu stecken, um daraus ein Not-Erstaufnahmezentrum für Erwachsene zu machen. Die Monate vergehen und die Situation in Messina verschlechtert sich zusehends, mit Hunderten von Migranten in Pala Nebiolo unter nicht vetretbaren Zuständen von Promiskuität von Minderjährigen und Erwachsenen. Und so entscheidet die Präfektur mit einer Notstandsanordnung statt mit den dafür vorgesehenen Vergabeaufträgen die Verlegung der Minderjährigen in das ehemaligen IPAB, das am 25.11.2014 somit seine Tätigkeit als Erstaufnahmezentrum für ausländische, unbegleitete Minderjährige aufnimmt.
(Gazzetta del Sud)

„Die Minderjährigen aufzunehmen bedeutete zusätzliche, nötige (bauliche) Änderungen am Gebäude und natürlich die Anpassung an die festgelegten Kriterien des Präsidentialdekrets der Region Sizilien vom 13. August 2014 über die Standards der Aufnahme von ausländischen, unbegleiteten Flüchtlingen in Sizilien vorzunehmen“, stellt Bonaffini, der Referent des Zentrums, fest. Aber auch hierbei gibt der allgegenwärtige Notzustand den tatsächlichen Rahmen vor.
Nachdem ich die Autorisierung von der Präfektur erhalten und den Besuch mit der Leitung der Einrichtung vereinbart habe, treffe ich im Ex-IPAB ein. Zum Zeitpunkt meines Besuchs beherbergt das Zentrum 136 Minderjährige, alle männlich, bei einer Gesamtkapazität von 224 Plätzen. Das Regionaldekret setzt ein Maximum von 60 Minderjährigen pro Zentrum an, und auf nationaler Ebene gilt nun ein noch strengeres Dekret (50 Minderjährige) für die Eröffnung von Projekten zur Aufnahme von ausländischen, unbegleiteten Minderjährigen. Die Anlage ist durchaus groß und geräumig und mit der kürzlich vorgenommenen Sanierung wurden die Inneneinrichtung und die Ausstattung des Gebäudes erneuert. Gemeinsam mit Bonaffini begrüßt mich die ganze Belegschaft. Die erste Etappe ist das Büro des Referenten, wo mir die täglichen Arbeitspraxen vorgeführt werden. Von den täglichen Mitteilungen an die Präfektur über Anwesenheiten und Gesundheitszustand der Bewohner, kommen wir ins Gespräch über die Nationalitäten der anwesenden Minderjährigen, die hauptsächlich aus Gambia und Mali, aber auch Elfenbeinküste, Senegal, Nigeria und Ägypten kommen.
Bonaffini erklärt mir, dass die Notwendigkeit eine höhere Anzahl an Minderjährigen als im Dekret vorgegeben aufzunehmen, das ein Maximum an 60 Menschen pro Zentrum bestimmt, auch dazu geführt hat, die Zahl der vorgesehenen Mitarbeiter zu verdoppeln und somit die Relation zwischen Mitarbeitern und Bewohnern zu wahren. Allen anwesenden Minderjährigen wird der Codice STP* erteilt, um Zugang zur Gesundheitsfürsorge zu erhalten. Dieser Ausweis steht den nicht gemeldeten Ausländern zu. Für die unbegleiteten Minderjährigen gilt, dass sie sich, wenn sie ihren Asylantrag gestellt haben, bei der nationalen Gesundheitsversorgung anmelden sollten. Für die Ex-IPAB wurde ein Vertrag zwischen der Präfektur und einem Kinderarzt geschlossen, Dr. Pollicino, der zu einem ausgemachten Wochentag das Zentrum aufsucht und ehrenamtlich auch Samstag vormittags kommt. Zuätzlich dazu gibt es einen Arzt, der rund um die Uhr Erreichbarkeit.
Der Rechtsbeistand ist den juristisch ausgebildeten Mitarbeitern anvertraut, unterstützt von den Mediatoren, die erste allgemeine Informationen im Laufe der ersten 24 Stunden nach der Ankunft geben und die Jugendlichen persönlich ins Zentrum begleiten. Hier ist eine etwas detailliertere Darstellung ihrer Situation, ihrer Rechte, Pflichten und der Konsequenzen aus möglichen Entscheidungen zusammen mit einer anfänglichen Vorbereitung für die Befragung in der Kommission vorgesehen. Bezüglich der alten Frage zu den Vormündern spreche ich direkt mit einer Mitarbeiterin aus der Rechtsabteilung vor Ort: innerhalb von 15 Tagen bekommen die Jugendlichen einen Vormund und generell haben alle Jugendlichen, die dorthin kamen, die Möglichkeit bekommen, das C3 Formular (Asylantragstellungsformular, Anm. der Red.) auszufüllen und die Identifikation innerhalb der ersten zwei/drei Monate nach der Ankunft zu vervollständigen. Zurzeit sind es sechs Vormünder, alles Anwälte; eine zu niedrige Zahl, so dass es zum Teil zu einer Relation von eins zu 50 kommt. Den Referenten und Mitarbeitern nach gereichen die vielen Ankünfte nicht zum Nachteil des Engagements und der Anwesenheit der Vormünder, die alle tendenziell präzise und verfügbar sind, aber die Zahlen bleiben eindeutig hoch. Die große gemeinsame Anstrengung ist es, eine Verlegung der Jugendlichen in jugendgerechte Einrichtungen innerhalb der vorgesehenen Zeit von drei Monaten zu erreichen, doch geschieht dies relativ selten. Die Mediatoren sind verschiedener Nationalitäten, über Englisch, Französisch und Arabisch hinaus kennen sie viele afrikanische Sprachen und Dialekte, von Tigrinya über Wolof zu Bambara. Ihre Arbeit ist grundlegend für die Neuangekommenen und sehr geschätzt, da sie als Unterstützer in jeglicher Aktivität dienen und unentbehrlich für die Transparenz und die zukünftige Integration sind. Bonaffini erklärt mir außerdem, dass jedem Jugendlichen ein Taschengeld von 2,50 € ca. alle zwei Tage ausgezahlt wird, allerdings in der Form von Telefonkarten, anhand einer einstimmigen Entscheidung, die Jugendlichen vor der Zirkulation von größeren Geldsummen zu schützen.

Nach diesem langen Gespräch gehen wir zum Besuch des Gebäudes über, das sich über zwei Stockwerke und einem Kellergeschoss erstreckt, wo sich die Mensa befindet, die vom „La Cascina Global Service“ betrieben wird, sowie auch die Wäscherei, die Räume für Arztbesuche und Einzelgespräche, unterschiedliche Gemeinschaftsräume und Räume mit anderen Hygieneeinrichtungen. Die Einrichtung verfügt über insgesamt 59 Duschen und ebenso vielen Bädern. Die Zimmer sind geräumig, mit Vierbett-Hochbetten und einem Tisch mit Stühlen in der Mitte; pro Zimmer wohnen ungefähr vier Jugendliche, was jedoch stark vom Andrang an Flüchtlingen im Zentrum abhängt. Während wir durch die Zimmer und Flure laufen, treffen wir Jugendliche, die ihren Tag mit den Vormündern organisieren oder einen Alphabetisierungskurs besuchen und unsere Anwesenheit kaum bemerken. Die meisten Migranten werden sobald wie möglich an das örtliche CTP (Erwachsenenbildungszentrum) übermittelt, um ihr Alphabetisierungslevel herauszustellen und manche bereits in die Mittelstufenklassen zu integrieren. Die Aktivierung all dessen erfolgt schnell, soweit es im Interesse des Jugendlichen liegt, und oft bevor der Vormund ausgewählt wird, der üblicherweise die Entscheidung bestätigt, sobald die Auswahl zur Betreuung gefallen ist. Eine Mitarbeiterin führt mir daraufhin die unterschiedlichen Aktivitäten vor: morgens ist körperliche Betätigung in den dafür bereitstehenden Räumen im Innern oder im Hof vorgesehen, dann Schneider- oder künstlerische Werkstattarbeit, und am Ende Unterrichtsbetreuung, die auch als Unterstützung für die extern abgelegten Italienischstunden dient.

Zusammenfassend handelt es sich hier also um eine Leitung, die bemüht ist, auf die bestmögliche Art mit dem wiederholten, gefährlichen und permanenten Notzustand umzugehen. Dieser Notstand kann jedoch nicht als Rechtfertigung für einige Entscheidungen und die Unfähigkeit der Verantwortlichen, alternative Lösungen zu finden, bemüht werden.
Aufgrund einer Notstandsverordnung werden seit Monaten Hunderte von Minderjährigen in Einrichtungen untergebracht, die eigentlich für maximal 60 Personen vorgesehen sind, und man scheint hier auch nicht bereit zu sein, dies zu ändern. „Meiner Erfahrung nach“, sagt Bonaffini, „kann eine Notstandsanordnung nicht ewig währen, also werden sicher in Kürze Entscheidungen getroffen“. Das ist es, was wir uns alle wünschen, in der Hoffnung, dass jede Änderung dazu führe, die Betreuung zu verstärken und die Aufnahme derer, die das Leben riskiert haben, um nach Italien zu kommen, noch würdiger zu gestalten.

Lucia Borghi
Borderline Sicilia Onlus

* IPAB: Istituto pubblico di assistenza e benessere, italienische öffentliche Einrichtung der Wohlfahrt und Unterstützung
**Codice
STP Straniero Temporaneamente Presente: Eine Krankenkarte, die die
medizinische Grundversorgung von irregulären Migranten ermöglicht.

Aus dem Italienischen von Alina Maggiore