In Pergusa warten Flüchtlinge seit eineinhalb Jahren auf die Prüfung ihres Asylantrags
Vergangenen Freitag haben wir das CAS*
in Enna im Vorort Pergusa besucht. Es handelt sich
um ein außerordentliche Aufnahmezentrum, das
sich im Gebäude des ehemaligen „Villaggio del Fanciullo“ (Dorf des Knabens)
befindet, welches vom „Aufnahmezentrum der Senioren Santa Lucia von Enna“
verwaltet wird.
Dort leben hundert
asylsuchende junge Männer, alle afrikanischer Herkunft, hauptsächlich aus
Gambia und Mali und in einem Alter zwischen zwanzig und dreißig Jahren.
Fast alle von ihnen
befinden sich in diesem Zentrum seit vergangenem Juli und nur zwanzig haben
bereits die Anhörung bei der Kommission hinter sich, während die Mehrheit von
ihnen seit eineinhalb Jahren auf die Vorladung von der örtlichen Kommission
wartet.
Der
Grund für eine solch lange Wartezeit, die die bereits inakzeptable
Durchschnittswartezeit von 8-12 Monaten übersteigt, ist auf die ständigen
Transfers von CAS* nach CAS* zurückzuführen, die die die Aufnahme vieler von
ihnen betroffen hat, die von zwei oder mehr Zentren in der Provinz von Trapani,
Palermo und Enna weiter versetzt wurden.
Diese ständigen
Transfers, die zum Wechsel der zuständigen Kommission führten, haben die Monate
der Wartezeit auf die Berufung der Örtlichen Kommission wieder auf Null zurückgesetzt
und eine schwerwiegende Situation hervorgerufen. Es ist indessen das erste Mal,
dass wir Asylsuchenden treffen, die nach eineinhalb Jahren noch auf die
Vorladung warten. Nach der Rechnung, dass auf die Vorladung noch weitere Monate
Wartezeit folgen, ebenso wie der Entschluss der Kommission nach einer
bestimmten Zeit ausgesprochen werden wird, ist es zu befürchten, dass die
Wartezeit für die Überprüfung des Asylantrags dieser Asylsuchenden an die zwei
Jahre dauern wird.
Die Konsequenz von willkürlichen
und kriterienlosen Transfers von Aufnahmezentrum zu Aufnahmezentrum sind
schwerwiegende Folgen für die Prozedur der Asylantragsstellung. Zudem ist deren
Logik nicht nachvollziehbar, da es sich bei den CAS* um Erstaufnahmezentren
handelt und mögliche Transfers in die SPRAR-Zentren* (kommunale
Aufnahmesysteme) stattfinden sollten. Insofern werden abermals die Rechte der
Asylsuchenden von einem Aufnahmesystem verletzt, das auf der institutionellen
Verantwortungslosigkeit der Regierung und auf der ökonomischen Spekulation
privater Dritter beruht.
Es lohnt stets sich daran
zu erinnern, dass der vom Gesetz vorgesehene Maximalzeitraum für die
Überprüfung der Asylanträge 6 Monate beträgt, um den Ernst dieser Situation zu
unterstreichen (die ohnehin die allgemeine Situation wiederspiegelt). Es ist
also nicht übertrieben, den Umgang mit den Asylsuchenden, die sich in dieser
Situation befinden, als „inhuman und erniedrigend“ zu definieren.
Am vergangenen 25. März
wurde die Neugründung der Örtlichen Kommission von Enna gefeiert. Der Präsident
der Kommission hat sich am gleichen Tag der Neugründungsfeier in das Zentrum
begeben, um alle Gäste zu treffen und ihnen zu versichern, dass so bald wie
möglich ihre Anträge geprüft würden.
Offensichtlich hat dies
nicht die Verzweiflung dieser Menschen beruhigen können, wo nun, einen Monat
nach jenem Treffen, noch keine Einberufung eingegangen ist. Das Klima, das nun
im Zentrum herrscht, ist in der Tat sehr angespannt und das Misstrauen der
Gäste gegenüber den Betreibern hat die Überhand gewonnen.
Dies bezeugt der
Mitarbeiter, mit dem ich gesprochen habe (der einzige der am frühen Freitag
Nachmittag im Dienst ist), der mir von einigen hitzigen Beschwerden von Seiten
der Gäste erzählt hat. Gerade durch meine Fragen an eben diesen Mitarbeiter
beginnt mein Besuch im Zentrum.
Die ersten Fragen
befassten sich mit dem Mensadienst, da die erste kleine Gruppe junger Männer,
die ich draußen getroffen hatte, mir sagten, dass es keine Mitarbeiter gäbe
abgesehen vom Koch, und sich darüber beschwerten, dass sie nicht selber kochen
könnten.
Der Mitarbeiter bestätigt
mir, dass sich um die Zubereitung des Essens ein Koch kümmert, und dass die
Betriebszeiten der Mensa wie folgt lauten: 8:30 – 9:30 Uhr Frühstück, 12:30 –
13:30 Uhr Mittag- und 18:30-19:30 Uhr Abendessen. Es ist offensichtlich, dass
in diesen Zeitvorgaben noch die alte Funktion des Zentrums steckt, ein IPAB (Istituto pubblico di assistenza e
benessere, eine italienische öffentliche Einrichtung der Wohlfahrt und
Unterstützung), die für die Aufnahme von Senioren eingerichtet wurde.
Ich fahre fort und frage
nach Informationen zur Belegschaft. Da es sich um eine ehemalige
IPAB-Einrichtung handelt, hat der Betreiber in der Umstellung der Nutzung die
vormals beschäftigte Belegschaft übernehmen müssen. Es ist offensichtlich, dass
das Zentrum über übermäßiges Reinigungspersonal verfügt, während die
tatsächliche Anzahl an Mitarbeitern, die für die Verwaltung der
Flüchtlingsaufnahmen kompetent sind, nur bei vier Personen liegt. Wir sprechen
mit einem von diesen vier, der erklärt, dass er selten physisch im Zentrum
präsent ist und nicht mal Englisch spricht, und ein Anderer ist ein kultureller
Mittler, der nur unregelmäßig seine Dienste anbietet.
Es scheint nun leicht
nachvollziehbar, dass die kritischen Punkte an der Aufnahmekompetenz dieses
Zentrums die Abwesenheit von grundlegenden Leistungen betreffen, die von
Professionellen erbracht werden sollten. Es fehlt indessen sowohl ein
Ansprechpartner in der Rechtsberatung, als auch ein Sozialarbeiter, eine
Psychologin und eine vernünftige Anzahl
an Kulturmittlern.
Nach dem Gespräch mit dem
Mitarbeiter ist das Gespräch in einem Aufenthaltsraum weitergegangen, in dem
ich fast alle im Zentrum wohnhaften Männer traf, die sich darum gekümmert
haben, einen Tisch in der Mitte des Raumes sowie Tische und Stühle um ihn herum
zu disponieren. Sie legten Wert darauf, dass ich auch mit ihnen sprach, und als
ich feststellte, dass es auch für mich grundlegend war, gerade mit ihnen das
Gespräch zu suchen, sagten sie mir, dass sie es nicht für selbstverständlich
hielten, da sie auch Vertreter von anderen Organisationen für Flüchtlingsrechte
gesehen hatten, die kamen, und nur die Vertreter der Aufnahmestelle trafen,
ohne ihnen auch nur eine Frage zu stellen, die sie doch die Betroffenen sind.
Nach einer umfassenden
Diskussion über die Bearbeitungszeiten der Kommission, die ich nur schwer
beenden konnte, da es verständlicherweise ein Problem ist, das mehr als alles
andere ihre Leben belastet, habe ich versucht, die Qualität der Leistungen des
Zentrums zu ermitteln, vor allem diejenige, die am engsten mit der Asylanfrage
zusammenhängt: die Rechtsberatung.
Der Mitarbeiter hatte mir
versichert, dass ein Anwalt, der die Gäste betreut, anwesend sein würde. Im
Gegensatz dazu, waren sich all diejenigen, die am Treffen teilgenommen hatten,
darin einig, dass die Rechtsberatung völlig inexistent sei und dass keiner von
ihnen je einen Anwalt gesehen hatte. Abgesehen von den 20 Personen, die schon
vor der Kommission erschienen waren, und die Ablehnung erhalten hatten, gegen
die ein Anwalt Widerspruch eingelegt hatte.
Es ist kein Zweifel
daran, dass Anwälte auffindbar wären, die sich bereit erklären würden, die
Widersprüche wegen Ablehnung bearbeiten würden, da ein kostenfreier
Rechtsbeistand gewährt wird. Aber wegen der Verpflichtung, der die
Aufnahmezentren in Konvention mit der Präfektur unterliegen, müssen die
Aufnahmezentren die Leistung eines Beraters anbieten, der den Asylsuchenden
Informationen und Rechtsbeistand liefert.
Eine weitere grundlegende
Leistung, die sich die Einrichtung dieses Zentrums spart, ist der
Italienischkurs. Der Kurs wurde erst vor wenigen Wochen eingerichtet (das
Zentrum ist seit Juli aktiv) und wird von Freiwilligen einer Organisation aus
Enna geleitet.
Was das Taschengeld
anbelangt, berichten mir die Gäste, dass sie es mittels Überweisung auf eine
Guthabenkarte erhalten, beschweren sich dennoch, dass sie nur 40€ monatlich
erhalten, während es in der Vergangenheit 40€ alle 16 Tage gewesen waren.
Bezüglich der Ausstattung
mit Kleidung, beklagen sich alle, dass sie erst ein Mal seitdem sie angekommen
sind welche erhalten haben. Viele von ihnen sagen, dass sie keine Schuhe haben
und erzählen, dass sie einen Zettel unterschrieben haben, um sie zu bekommen,
sie jedoch nie erhielten.
Sie erzählen dann, dass
sie aus medizinischer Perspektive nicht ausreichend betreut werden. Sie
erzählen auch, dass ein Arzt alle drei Monate das Heim aufsucht, aber sie
sagen, dass sie sich nicht wirklich untersucht fühlen, dass sie als Mittel
gegen jegliches Leiden immer das gleiche Tütchen mit Schmerzmitteln erhalten
und dass ihre Krankheiten für lange Zeit vernachlässigt werden. Der Mitarbeiter
besteht in diesem Moment darauf, zu intervenieren und erinnert die Jugendlichen
an all die Begleitungen ins Krankenhaus, die es gegeben hatte, sodass sie die
Besuche und Untersuchungen unternehmen konnten, die sie brauchten.
Endlich erzählen mir die
Jugendlichen vom fehlenden Waschdienst und davon, dass sie sich selbst um die
Beschaffung von Seife kümmern müssen, um ihre Kleidung per Hand zu waschen.
Ich beende das Treffen
(nicht ohne Schwierigkeiten und angespannte Situationen zwischen den Gästen und
dem Mitarbeiter) und es sind die Gäste selbst, die mich einladen und mich bei
einem Rundgang in der Einrichtung begleiten, bei dem sie mir kaputte oder
gänzlich fehlende Jalousien zeigen, verkrustete Duschen und Lecks aufgrund der
Abflussstörungen.
Als ich auch den Rundgang
in der Einrichtung beende, finde ich außerhalb des Zentrums den Mitarbeiter,
der mich bittet, am Telefon mit dem Leiter der Einrichtung zu sprechen, der
mich wiederum bittet, wiederzukommen und anhand objektiver Kriterien die
Leistungen des Zentrums zu überprüfen. Ich nutze die Gelegenheit um ihm zu
erklären, dass die großen kritischen Punkte bezüglich der Aufnahmekompetenz im
Fehlen von grundlegenden Dienstleistungen liegen, die von entsprechenden
Professionellen gewährleistet werden sollten, insbesondere in der
Rechtsberatung.
Was die Versorgung mit
Taschengeld betrifft, hat sich der Leiter bereit erklärt, die Versorgung von
40€ alle 16 Tage mittels Dokumenten nachzuweisen, die die Überweisung auf die
Guthabenkarte bestätigen.
Als ich mit ihm hingegen
von der Versorgung durch einmalige Bezahlung mit Kleidung spreche, sagt er mir,
dass Winterkleidung verteilt wurde. (Und etwas scheint weiterhin faul, da fast
alle Gäste am verganenen 2. Juli angekommen sind, also mitten im Sommer).
Schließlich berichte ich
dem Leiter, was ich heute von den Gästen bezüglich des unterschriebenen Zettels
erfahren habe, um Schuhe zu erhalten, die sie nie bekommen haben, und die
objektive Tatsache hierbei in diesem Moment sein könnte, dass fast alle von
ihnen Plastiklatschen tragen, von denen sie erklärt haben, dass es die Einzigen
sind, die sie besitzen. Dazu hat der Leiter mir geantwortet: „Wenn sie sogar
die Duschgels verkaufen, die wir ihnen geben, was können wir da machen?“.
Mein Besuch im Zentrum
ist beendet, die Gäste begleiten mich zum Auto und bis zuletzt bitten sie mich
darum, etwas für die Kommission zu tun. Einige von ihnen haben uns sogar in die
Redaktion geschrieben. Sie können nicht verstehen, wie es möglich sein kann,
Monate und Monate und Jahre zu warten, ohne nicht einmal einen Hinweis
bezüglich der Bearbeitungszeiten und Wege mit denen sie aus dieser Aufhebung
des Wartens herauskommen können, ihre Leben wieder in die Hand nehmen und
endlich eine Zukunft haben können (und eine Gegenwart, A.d.R.).
Giovanna Vaccaro
Borderline Sicilia
Onlus
Übersetzung aus dem
Italienischen von Alina Maggiore
* CAS: Centro di
accoglienza straordinaria, außerordentliches Aufnahmezentrum
*SPRAR –
Sistema di protezione per rifugiati e richiedenti asilo: Schutzsystem für
Asylsuchende und Flüchtlinge, kommunales Aufnahmesystem auf freiwilliger Basis