Die Ankunft der „Vos Prudence“ in Catania
Gestern morgen brachte das Schiff Vos Prudence von Ärzte ohne Grenzen im Hafen von Catania die leblosen Körper von weiteren sechs an den Grenzen Europas Getöteten an Land. Fünf davon sind junge Frauen, deren Körper aller Wahrscheinlichkeit nach ungefähr eine Woche im Meer getrieben sind und in internationalen Gewässern, d.h. 42 bis 20 Seemeilen von der libyschen Küste entfernt, aufgesammelt wurden; bei dem sechsten Toten handelt es sich um einen Mann, die Leiche war von der Vos Hestia, einem Schiff der Organisation Save the Children übergeben worden.
Die Politik der Grenzschließungen und der Zurückweisung von Migrant*innen fordert also immer weitere Opfer. Dies geschieht unter dem ohrenbetäubenden Schweigen der Medien, in denen die Kriminalisierung und Verleumdung der Nichtregierungsorganisationen immer perversere Formen annimmt. Diese versuchen die Tragödie auf dem Meer zu stoppen und sind dadurch wohl zu so unbequemen Zeugen geworden, dass sie von den Regierungen in den internationalen Gewässern nicht mehr geduldet werden.
Seit Jahresbeginn sind schon 1090 Opfer gezählt worden, die ihr Leben bei dem Versuch, nach Europa zu gelangen, im Meer verloren haben. Sie hatten keinen anderen legalen oder sichereren Weg, um dies zu tun.
„Vielleicht müssten wir für einen Augenblick einmal mit all der ganzen Polemik um die NGOs, die auf dem Meer unterwegs sind, innehalten, und mit einer Schweigeminute der namenlosen Toten gedenken. Sie stehen für die direkten Auswirkungen der heuchlerischen und inakzeptablen europäischen Migrationspolitik“ , sagt Michele Trainiti, der Koordinator der Such- und Hilfseinsätze von Ärzte ohne Grenzen den Journalist*innen.
Gestern, als wir an der Hafenmole auf die Leichen warteten, waren wir allerdings wieder nur wenige, und am Kai stachen einem nur die blauen Uniformjacken der Frontexagenten ins Auge und die Einheiten der Carabinieri und der Polizei. Es gab keinerlei Letzten Gruß von offizieller Seite und nur ganz wenig Reaktion in den Medien. Diese Toten sind die unbequemen Opfer, die uns zwingen, dem Tod und der Gewalt ins Auge zu schauen. Sie sind die einzig mögliche Folge der kriegerischen und abwehrenden Politik, die unsere Regierung betreibt.
Aus diesem Grund wollen ein paar Leute sie unsichtbar werden lassen. Wir hingegen werden weiterhin an sie erinnern.
Lucia Borghi
Borderline Sicilia
Übersetzung aus dem Italienischen von Petra Schneider