Entscheidungen und aufgezwungene Prioritäten, die die Risiken nicht berücksichtigen
Am Montag, den 27. November 2017 erreicht das Schiff Aquarius den Hafen von Catania, mit 421 Menschen, hauptsächlichlich Eritreer*innen, an Bord. Unter den Geretteten sind auch 5 Männer, die aus Ägypten, Bangladesch, Äthiopien, Pakistan und Süd-Sudan stammen. Sehr hoch ist die Prozentzahl der Frauen – ca. 40% – unter ihnen sieben Schwangere, und der Minderjährigen – insgesamt 98 – darunter 60 unbegleitete. Während der Anlandung mussten 3 Migrant*innen ins Krankenhaus eingeliefert werden, unter ihnen eine im neunten Monat schwangere Frau, deren Fruchtwasser geplatzt war.
Die Rettung dieser 421 Menschen hat am Samstag, den 25. November stattgefunden: Die Migrant*innen befanden sich in einem Holzboot eingepfercht und im Kielraum – wo am wenigsten Luft ist – waren hauptsächlich die Frauen und die Kinder untergebracht. Zum Glück kam es während der Rettung zu keinen Komplikationen: An den Rettungsoperationen war nur das Schiff von Sos Méditerranée beteiligt, das vom Italian Maritime Rescue Coordination Center (IMRCC) beauftragt worden war, einzugreifen.
Ein Tag zuvor was alles anders gelaufen. Im Laufe des Vormittags des 24. November hatte die NGO Sos Méditerranée zwei Boote mit Migrant*innen in internationalen Gewässern entdeckt. Obwohl ein sofortiges Eingreifen notwendig gewesen wäre, bekam das Schiff der NGO keine Erlaubnis, die Rettungsmaßnahmen einzuleiten, da immer noch die Weisung gilt, dass die Aktionen der Libyschen Küstenwache Vorrecht genießen, auch wenn dies die unmittelbaren Erfordernisse des Moments unberücksichtigt lässt.
In der Tat hat das IMRCC paradoxerweise dem Schiff Aquarius befohlen, sich auf Distanz zu halten und sich nicht einzumischen, obwohl das Boot schon ganz in der Nähe war, da sich die Libysche Küstenwache darum kümmern sollte.
Die Boote wurden erst nach vier Stunden erreicht – in der Zwischenzeit war das Risiko eines Schiffbruchs sehr hoch und das Leben der Migrant*innen in großer Gefahr. Die Crew des Aquarius musste also machtlos ganze vier Stunden lang zusehen, wie die Migrant*innen um ihr Leben bangen mussten, bis sie von den libyschen Autoritäten gerettet und doch beschämenderweise zurück in die Hölle gebracht wurden, nachdem sie von den Gräueltaten, die sie in Libyen erduldeten, geflohen waren.
Viola Gastaldi
Borderline Sicilia
Aus dem Italienischen von A. Monteggia übersetzt