Wenn die Verweigerung von Rechten in Illegalität und Missbrauch mündet
Vergangene Woche sind vier Asylantragsteller, die im Aufnahmezentrum Pian del Lago untergebracht sind, von der Finanzpolizei angezeigt worden. Sie wurden beim Verkauf von im Zentrum „ausgegebenen“ Zigaretten auf dem nahegelegenen kleinen Markt überrascht. Das ist kein neues Phänomen in der Stadt und eine vertiefte Analyse der Dynamiken, die zu dieser Situation führen, hilft, diese Nachricht besser zu verstehen und weitere Verantwortliche für diese Situation zu finden.
Falls in Caltanissetta tatsächlich „der Verkauf durch unbefugte Verkäufer blüht“* und „es in der Stadt eine neue Oase für unbefugte Zigarettenverkäufer gibt“ ist es wichtig, die Dynamik zu verstehen, die „diese Oase des Missbrauchs und der Illegalität“ schafft und zu klären, dass diejenigen, die unter der Hand Zigaretten verkaufen und kaufen, nicht die einzigen sind, die „die Verbreitung des Phänomens“ verursachen und „tatsächlich den verschiedenen, vom Monopol autorisierten Tabakverkäufern Schaden zufügen.“
Vor allem muss man die Dinge und Fakten beim Namen nennen.
Es muss erklärt werden, dass die in Frage stehenden Zigaretten keine täglich vom Betreiber des Zentrums „zugeteilten“ Zigaretten sind, sondern dass sie eines der wenigen Produkte sind, die an den Automaten im Zentrum gekauft werden können. Dort ist es möglich, die elektronischen Karten zu nutzen, auf die das tägliche Taschengeld von 2,50€ geladen wird. (Von zugeteilten Zigaretten zu sprechen könnte viele zu dem Irrtum verleiten, dass den Gästen des Zentrums neben der vortrefflichen Unterbringung in Containern auch das Laster des Rauchens zugestanden würde).
Aber vor allem muss man unterstreichen, dass, wenn die Pflichten seitens der Betreibergesellschaft des Aufnahmezentrums von Pian del Lago respektiert würden und damit also die volle Anerkennung der Rechte der Gäste, dann würde jedem von ihnen von der Betreibergesellschaft Auxilium ein Taschengeld von 2,50€ zugestanden, das ihnen die Möglichkeit sichert, über Bargeld zu verfügen und es auf die Art zu nutzen, die er/sie für angemessener hält.
Das Problem ist, dass, wie es immer passiert, die Betreibergesellschaften, die einander in der Verwaltung des Zentrums folgen, aus Bequemlichkeit und Interesse (auch die Automaten werden im Auftrag an eine dritte Firma vergeben, die offensichtlich in der Logik der Spekulation auf die Aufnahme der Migranten ihren Anteil am Gewinn nicht verlieren will) dieses sogenannte Taschengeld in Form der Aufladung der elektronischen Karte zuteilen. Diese sind nur an den Automaten im Zentrum nutzbar.
Man hat die Wahl zwischen Getränken, Snacks und Zigaretten. Unter den verschiedenen Bedürfnissen, die ein erwachsener Asylantragsteller fern von zuhause haben kann, gehört der Kauf von Süßigkeiten und Snacks zweifellos zu den letzten. Der Kauf von Zigaretten kann einen Nichtraucher nicht interessieren. Die Zigaretten sind aber die einzige Tauschware, die die Möglichkeit bieten kann, an Bargeld zu kommen. So werden sie für einige der Migranten zum Gegenstand unbefugten und illegalen Verkaufs. Der größte Teil trägt weiterhin die Konsequenzen dieser Wahl und erhebt regelmäßig Anspruch auf das Recht, über Bargeld zu verfügen. Vor einigen Wochen haben mir junge Leute aus Afrika erzählt, sie hätten erneut gegen die Zuteilung des Taschengeldes über die elektronische Karte protestiert. Keiner von ihnen raucht, keiner von ihnen will Süßigkeiten kaufen. Es sind Erwachsene und ein bisschen Geld in der Tasche zu haben ist lebenswichtig. Es ist zum Beispiel die einzige Möglichkeit, eine Telefonkarte zu kaufen, um mit der Familie in Kontakt zu kommen. Nicht über Bargeld zu verfügen bedeutet nicht nur, nicht in Kontakt mit der weitentfernten Familie zu kommen, sondern auch, sich nicht einfach mal auf einen Kaffee in eine Bar zu setzen oder eine Busfahrkarte zu kaufen und folglich, wenn überhaupt, in kleinem Maße zur lokalen Wirtschaft beizutragen.
Es ist nicht zu unterschätzen, wie diese Art der Zuteilung des Taschengeldes nicht nur das Recht und die Anerkennung der Menschenwürde verweigert. Darüber hinaus ist diese Art auch Ursache für Abgrenzung und Ausgrenzung der Migranten. Und sie stellt ein Hindernis für den Weg der Integration und Legalität in der Stadt dar.
Giovanna Vaccaro
Boderline Sicilia Onlus
Aus dem Italienischen von Rainer Grüber
* Zitate aus diversen Medienberichten