Das CARA von Pian del Lago: Das Schlimmste nimmt kein Ende
In den letzten Tagen hatten wir die Gelegenheit mit vielen Asylsuchenden zu sprechen, die im staatlichen Asylsuchenden-Zentrum Pian del Lago leben und so festgestellt, dass die Situation im Inneren sehr schlecht ist. Die Lebensbedingungen, weiter verschärft durch die Überbelegung in dieser Zeit, sind unhaltbar: enorme strukturelle Schwächen, eine schlechte Qualität oder das völlige Fehlen von persönlichen Dienstleistungen, starke Spannungen.Die Container beherbergen inzwischen bis zu 15 Personen, während sich die Anzahl der zur Verfügung stehenden Bäder nicht verändert hat. Darüber hinaus wurde von den fünf Containern, die mit sanitären Anlagen ausgestattet sind, einer geschlossen, während alle anderen durch Ausfälle und die fehlende Wartung nur teilweise nutzbar sind. Dies resultiert darin, dass zwei WCs von fünf und eine Dusche von fünf benutzbar sind. Die Duschen haben keinen Vorhang, so dass keine Privatsphäre gewährleistet ist, nicht mal während des Duschens. Es sind auch keine Spiegel vorhanden, so dass selbst das Rasieren zum Problem wird.
Die Abflüsse sind oft verstopft und laufen regelmäßig über. Die Reinigung dieser Orte beschränkt sich auf den Einsatz von Wasser auf dem Boden und keiner der Reinigungskräfte hat, wie es scheint, den Mut, sich um die Reinigung der sanitären Anlagen zu kümmern, die sich dadurch in einem bemitleidenswerten Zustand befinden, da sie von einer sehr großen Anzahl von Menschen genutzt werden.
Angesichts dieser gravierenden strukturellen Mängel fragen wir uns, in welcher Weise die Millionen von Euro vom Betreiber investiert werden, die für die Wartung und Erhaltung des Zentrums gedacht sind.
Die gleiche Frage stellt sich spontan, wenn man die schwerwiegenden Mängel und das Fehlen von persönlichen Dienstleistungen analysiert, über die uns von den dort Lebenden hinreichend berichtet wird. Erstens gibt es gravierende Probleme, die uns in Bezug auf die medizinische Betreuung geschildert werden. Die Praxis in diesem Zentrum (wie leider auch in vielen anderen) ist in Misskredit geraten. Keiner glaubt mehr, eine wirkliche Unterstützung bekommen zu können, abgesehen von einem Tütchen oder einer Tablette mit Schmerzmitteln oder entzündungshemmenden Mitteln. Noch schlimmer ist, dass diese Behandlung auch diejenigen bekommen, die schwere Symptome oder Anzeichen für Beschwerden zeigen und die, wenn es hoch kommt, nur eine Injektion eines Arzneimittels bekommen, das sie nicht kennen. Die Verabreichung dieses Mittels kann auch Wochen dauern; selbst wenn der Patient nach einigen Tagen noch keine Verbesserung dadurch spürt, wird kein Besuch bei einem Spezialisten gewährleistet, der das wirkliche Problem erfasst und eine spezielle Therapie verschreibt.
Fast allen Untergebrachten, die seit Monaten um einen Besuch bei einem Spezialisten bitten, weil die palliative „Kur“ durch ein „gleiches Tütchen oder eine gleiche Tablette für alle und für jede Art von Beschwerden“ keinen Einfluss auf ihren Gesundheitszustand erreicht, wird geantwortet, dass es erst möglich sei, einen Termin zu vereinbaren, wenn die Probleme in Bezug auf die Vereinbarung zwischen der Verwaltung des Zentrums und dem Krankenhaus gelöst seien. Uns ist nicht bekannt, dass es eine Vereinbarung zwischen der Verwaltung und dem Krankenhaus-Unternehmen geben müsste, und dies scheint nur ein Weg zu sein, in Bezug auf das Fehlen von einem garantierten Dienst Zeit zu schinden, auch wenn es sich um ein fundamentales Recht handelt: das des Zugangs zu medizinischer Behandlung. Außerdem wissen wir sicher, dass für keinen der im Zentrum Beherbergten das STP (zeitweilige Krankenkassenkarte für Ausländer) aktiviert wurde.
Nachdem wir bei einer kompetenten Institution informell darauf aufmerksam machten, ist uns weiterhin von Personen erzählt worden, dass sie es, nachdem sie monatelang auf ihre Diabetes-Erkrankung hingewiesen hatten, endlich geschafft haben, einen Termin für eine Blutanalyse zu erhalten, und dass in den gleichen Tagen endlich auch Patienten, sie seit Monaten unter Krätze litten, behandelt wurden. Aber es gibt weiterhin extreme Fälle von Nachlässigkeit. Zum Beispiel haben sie uns von einem Jungen berichtet, der seit Monaten an sehr starken Kopfschmerzen leidet, außerdem Seh- und Gleichgewichtsstörungen aufweist und deshalb auch manchmal während des Schlafens aus dem Bett fällt. Es kommt vor, dass er aufgrund der starken Schmerzen aus Verzweiflung seinen Kopf gegen die Wand schlägt. Aber auch das reicht nicht aus um denjenigen zu überzeugen, der die Pflicht hat ihn zu behandeln. Nach dem zu urteilen, dass uns erzählt wurde, scheint er bis heute noch keinen Termin bei einem Spezialisten bekommen zu haben, der sein Problem diagnostizieren und behandeln könnte.
Nicht einmal der medizinische Pflegedienst wird so ausgeführt wie er sollte. Die Öffnungszeiten sind von 9 Uhr bis 11.30 Uhr am Morgen und von 16 Uhr bis 19.30 Uhr, auch wenn der Dienst rund um die Uhr am Tag garantiert sein sollte. In der Nacht bleibt die Krankenstation geschlossen, aber es scheint, als gäbe es einen Arzt, der sich immer zur Verfügung halten sollte.
Die gleiche schlechte Qualität, die die medizinische Betreuung prägt, findet sich auch in den anderen persönlichen Dienstleistungen wieder, die vom Verwalter des Zentrums garantiert werden sollten.
Die Anzahl des Personals des Zentrums ist in Proportion zur Anzahl der hier Unterbrachten niedrig und dies kann bereits ein Hinweis auf die Qualität der Betreuung sein, die den Gästen entgegen gebracht wird.
Der Dienst der kulturellen Mediation wird von vier Angestellten garantiert: einem, der ursprünglich aus Pakistan kommt und Urdu und Englisch spricht, einem albanischer Herkunft, einer italienisch-amerikanischen Angestellten und einem, der ursprünglich aus dem Sudan stammt und der Arabisch, Französisch und Englisch spricht.
Der Rest der Angestellten spricht nur Italienisch, eingeschlossen dem Großteil der Ärzte. So muss man sich, da Angestellte mit den notwendigen Voraussetzungen für die Arbeit in einem Unterbringungszentrum für Asylsuchende fehlen, um eine Chance zu haben mit dem Betreuungspersonal zu kommunizieren, oft auf die Solidarität der Landsleute verlassen, denen eine Sprache vertraut ist, die die Kommunikation mit dem Personal ermöglicht.
Leider kann man nicht mal darauf zählen, dass diesen Untergebrachten die Möglichkeit eingeräumt wird Italienisch zu lernen, weil der Italienisch-Kurs nun, nach mehrmaligen kurzen Auftritten, endgültig nicht mehr stattfindet. Im letzten Monat gab es nur eine Unterrichtseinheit, wie immer im letzten Moment organisiert, weil einer der kulturellen Mediatoren kurzzeitig dafür verfügbar war. Da es immer noch keinen strukturierten Kurs gibt, wird den Gästen sogar diese Grundleistung verweigert.
Und um den Überblick über die von der Konvention vorgesehenen Leistungen, die nur teilweise garantiert werden, weiterzuführen, haben wir aus Gesprächen mit den Asylsuchenden erneut von großen Problemen in Bezug auf die Ausstattung mit Kleidung und die Bereitstellung von Mahlzeiten erfahren. Beide Dienste sind mehr als dürftig: während die Kleidung, mit der die Gäste ausgestattet werden, von ihnen als „Einmalkleidung“ beschrieben wird, weil sie nach der ersten Wäsche nicht mehr nutzbar ist, sind die bereitgestellten Mahlzeiten von geringster Qualität. Wie nun bekannt ist, weigern sich viele Untergebrachte aus diesem Grund die Mahlzeiten zu essen, durch die es ihnen schlecht geht, und kochen stattdessen selbst Reis und Gemüse auf Camping-Kochern. Wenn man sie darauf aufmerksam macht, wie gefährlich das sein könne, antworten sie, wären die Mahlzeiten nur ein wenig essbarer, würden sie es gern vermeiden ihre mageren Ersparnisse für Nahrungsmittel auszugeben.
Durch Gespräche mit den Untergebrachten und ehemaligen Untergebrachten ist es möglich, außerdem große Probleme in Bezug auf den Service der Orientierungs- und Rechtsberatung innerhalb des Zentrums aufzudecken. Dieser scheint nur dann sehr aktiv zu sein, wenn es darum geht, Namen lokaler Anwälte bereitzustellen, wenn es zur Ablehnung oder zur Überweisung in die Abschiebungshaft – CIE – (Centro di Identificazione ed Espulsione, Abschiebehaftzentrum) kommt. Was den Rest anbelangt haben die Beherbergten, die wir getroffen haben, ein sehr geringes Wissen über ihre Rechte und es gibt zum Beispiel solche, die sich außerhalb des Zentrums befinden, weil sie eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten haben, aber sie wissen nicht, an welche Büros und welche Dienste sie sich wenden könnten (obwohl sie um solche Informationen im Zentrum angesucht haben).
Was die Wartezeiten auf eine Anhörung betrifft, scheinen diese dank einer sorgfältigen Arbeit der Kommission langsam kürzer zu werden. Die Kommission schafft es, weiterhin etwa sechzig Anhörungen in der Woche abzuhalten. Wir haben außerdem erfahren, dass die Kommission nach den stattgefundenen Auseinandersetzungen im Zentrum vor zwei Wochen die Anhörungen (fälschlicherweise) für eine Woche ausgesetzt hat, auch wenn es so scheint, als ob sie die ausgefallenen Anhörungen in der nachfolgenden Woche nachgeholt hat.
Dennoch überschreiten die Wartezeiten den Zeitrahmen, der gesetzlich vorgesehen ist.
Giovanna Vaccaro
Redazione Borderline Sicilia
Aus dem Italienischen von Philine Seydel