Caltanissetta: Zeltlager werden wieder aufgebaut
Der „große Blitz“ im letzten März und die damit verbundene Räumung des Zeltlagers in Pala-Cannizzaro hatte anscheinend nur einen temporären Effekt. Angesichts eines Aufnahme-Systems wie das Italienische sollte man sich nicht wundern, dass es nie eine geeignete und langfristige Lösung für die Aufnahme von Flüchtlingen gibt. Seit zwanzig Jahren hangelt sich der Staat von einem Notstand zum anderen und steht daher mittlerweile kurz vor dem Kollaps.
Auch in Pian del Lago sind die Flüchtlinge gezwungen, ihre Zeltlager wieder aufzubauen, weil es für sie keinen Platz in den Aufnahmezentren gibt. Flüchtlinge, die in einem Wartezustand leben: Sie warten darauf als Flüchtlinge identifiziert zu werden, um ihr Asylgesuch vorzutragen, sie warten auf ihre Aufenthaltserlaubnis, sie warten darauf, dass ihre Daten aufgenommen werden…
Währenddessen wohnt man in Zelten, ohne Licht, ohne Wasser, ohne Strom und mit der erstickenden Sommerwärme im Anmarsch.
Insgesamt sind es drei Zeltlager, aufgeteilt nach Nationalitäten, die unter der Brücke gegenüber des CARA (Aufnahmezentrum für Asylantragssteller) von Pian del Lago entstanden sind. Über die Situation im CARA Pian del Lago haben wir letzten Sonntag berichtet.
Eins der Zeltlager wird von Asylbewerbern aus Afghanistan bewohnt und besteht aus mehreren kleinen Zelten, in denen insgesamt 25 Personen wohnen. 20 Personen warten seit etwa einem Monat darauf einen Platz im Aufnahmezentrum in Pian del Lago zu bekommen und die anderen fünf warten bereits seit einiger Zeit darauf, dass ihre Aufenthaltsgenehmigungen erneuert werden.
Das größte Zeltlager wird von pakistanischen Asylsuchenden bewohnt. Sie wohnen alle zusammen in einem großen Zelt, dort schlafen sie alle gemeinsam auf den vielen Matten und Matratzen auf dem Boden. Insgesamt sind es 28 Pakistaner, von denen 18 schon vor einem Monat per Fotografie registriert worden sind und die nun darauf warten, einen Platz im CARA von Caltanissetta zu bekommen. Weitere 10 Personen warten seit fast zwei Wochen darauf, für die Asylantragstellung identifiziert zu werden. Sie haben uns erzählt, dass sie die Questura (Polizeipräsidium) aufgesucht haben, dort wurden aber nur ihre Namen in eine Warteliste eingetragen. Es scheint als wäre diese Praxis, die wir schon vor Monaten kritisiert haben, wieder in Mode gekommen. Versuchen die Polizeipräsidien so die Aufnahme von Asylsuchenden zu verzögern angesichts fehlender Aufnahmeplätze? Es ist für die Flüchtlinge allerdings nicht ratsam darauf zu beharren einen Platz im Aufnahmezentrum in Pian del Lago zu bekommen, weil auch dort die Aufnahme- und Lebensbedingungen als menschenunwürdig bezeichnet werden können. Außerdem riskiert man so, statt in Pian del Lago im CIE (Identifizierungs- und Abschiebezentrum) in Caltanissetta „aufgenommen“ zu werden.
Das ist nämlich den 20 Asylsuchenden passiert, die im Januar in Syrakus (Ostsizilien) angelandet sind. Sie sind in der Abschiebungshaft „untergebracht“ worden, weil es in den CARA-Zentren keine freien Plätze mehr gab. Vier von ihnen leben momentan in dem Zeltlager, weil sie im Gegensatz zu den restlichen 16 keinen humanitären Schutz zugesprochen bekommen haben. Ihre Asylanträge wurden von der Asylkommission (commissione territoriale) abgelehnt. Sie haben uns erzählt, dass sie nur aufgrund des Platzmangels in den anderen Aufnahmestrukturen in der Abschiebungshaft untergebracht worden seien. Um ihnen entgegenzukommen sollten ihre Asylanhörungen so schnell wie möglich stattfinden. In der Tat, nach etwa vier Monaten Haft wurden sie vor der Asylkommission befragt, nur dass die Kommission sich im Fall der vier Asylbewerber negativ entschieden hat. Nach der Ablehnung wurde den Flüchtlingen geraten, sich direkt einen Anwalt zu nehmen. Der zuständige Referent des Rechtsbeistands aus Pian del Lago hat sie an einen Anwalt weitergeleitet, um in Berufung zu gehen. Sie warten jetzt auf die erste Anhörung, von der sie den Termin gar nicht wissen, weil sie kein Aufenthaltsrecht mehr haben.
In diesem Zeltlager leben auch einige afrikanische junge Männer zwischen 18 und 25 Jahren aus Gambia, Mali, Senegal und Sierra Leone. Drei von ihnen wurde ein humanitärer Schutzstatus zuerkannt, aber sie warten schon seit über einem Monat auf ihre Aufenthaltserlaubnis. Als Termin für die Abholung der Papiere war anfangs der 21. Mai festgelegt worden. Der Termin wurde erst auf den 10 Juni und dann nochmal auf den 25. Juni verschoben. Einer von ihnen hat uns seinen Zettel gezeigt, auf dem vermerkt wird, wann er seinen Aufenthaltstitel abholen kann: am 9. Juli!
Giovanna Vaccaro, Borderline Sicilia Onlus
Aus dem Italienischen von Lisa Groß