Caltanissetta: Nach der Räumung ist das Barackenviertel zurück. Hütten ohne Wasser – die Geschichten der Asylsuchenden

Von Meridionews.it . Vor sechs Tagen hatte die Polizei eine Umsiedlung versprochen, doch ist dies nur für einen kleinen Teil der Bewohner*innen geschehen. Die anderen leben wieder unter der Brücke, in der Nähe des Aufnahmezentrums von Pian del Lago. Sie tragen Kanister auf Einkaufswägen irgendeines Supermarktes und suchen Brennholz, um sich zu wärmen.

Foto: Meridionews

Sie sollten alle in Aufnahmezentren verlegt werden: die achtzig Migrant*innen, die seit Monaten im Freien leben, unter der Überführung der Landstraße SS 640, in der Nähe des Aufnahmezentrums von Pian del Lago in Caltanissetta – zumindest hat das die Polizei in den vergangenen Tagen mitgeteilt. Aber nur zwanzig Asylsuchende sind im Erstaufnahmezentrum untergebracht worden.

Die anderen leben nach der Räumung am vergangenen 17. März wieder unter der gleichen Brücke, ohne Wasser und Sanitäranlagen, sie schlafen in Zelten oder Holzhütten. Wieder und wieder transportieren sie Wasser in Kanistern, die sie auf die Einkaufswagen irgendeines Supermarktes geladen haben. Einige tragen Äste auf den Schultern. Sie dienen als Brennholz, um sich in der Nacht zu wärmen.

Im Moment leben 35 Afrikaner*innen, vor allem aus Gambia, 42 Pakistaner*innen und acht Afghan*innen im Lager. Viele sind in Caltanissetta um ihre Aufenthaltsgenehmigung bei der Einwanderungsbehörde der Polizei zu erneuern, die ihren Sitz seit einigen Jahren im Aufnahmezentrum selbst von Pian del Lago hat. Es dauert lange, betonen sie. Einige befinden sich seit drei oder vier Monaten unter diesen Bedingungen in der Stadt, andere leben sogar seit sechs Monaten unter der Überführung.

Farouk aus Pakistan sitzt immer in der Hocke, wenn er mit uns spricht. Dann erklärt er uns, dass er seit er im Freien lebt unerträgliche Rückenschmerzen hat. Alle sind sehr nett und bei unserem nachmittäglichen Besuch riecht es schon nach Essen, das auf der Erde auf Feuerstellen aus Stein zubereitet wird. Sie sind herzlich und hoffen darauf, dass ihre Stimme, wenn sie nach außen getragen wird, die Bürokratie wird bewegen können. Amal, politischer Geflüchteter aus Afghanistan, ist seit vier Monaten in Caltanissetta um seine Aufenthaltsgenehmigung zu verlängern. Seinen Erzählungen zufolge ist er in Griechenland aufgebrochen, wo er als Koch arbeitete, um nach Italien zurückzukehren und die Verlängerung zu beantragen. Aber da zu viel Zeit vergangen ist, um das Dokument zu bekommen, hat er in Griechenland Arbeit und Unterkunft verloren. Einige sind auch noch betrogen worden. Ein weiterer Afghane erzählt, dass er in Belgien als Konditor arbeitete, wo ihm die Möglichkeit angeboten wurde, die Aufenthaltsgenehmigung für 250 Euro zu erneuern, ohne nach Italien zurückzukehren. Nachdem er bezahlt hatte, jubelten sie ihm jedoch ein falsches Dokument unter und er musste trotzdem nach Italien zurückfahren. Jetzt, da er sich seit drei Monaten im Aufenthaltslager befindet, überlegt er, nach Norwegen zu gehen, nachdem er die Verlängerung bekommen hat, denn seine Arbeit in Belgien hat er ohnehin schon verloren.

Dramatische Geschichten, Situationen, die eine Demütigung für die menschliche Würde sind. Da ist Shazam, 31 Jahre, der nicht zur Ruhe kommt, weil er den Platz in einem SPRAR* in Catania verloren hat, wo er seit sieben Monaten Bewohner war. Vor drei Tagen wurde er auf die Straße gesetzt. Wir wissen nicht, ob die Gründe für seinen Ausschluss wirklich willkürlich waren, wie er uns erzählt, oder ob das Projekt ganz einfach beendet war. Tatsache ist jedoch, dass dieser junge Pakistaner es nicht gewöhnt ist, auf der Straße zu leben und schon nach drei Tagen Gefahr läuft physisch und psychisch zusammenzubrechen. Dann gibt es Niza, aus Pakistan, der Asylsuchender ist. Seit drei Monaten lebt er unter der Überführung und seine Anhörung vor der Kommission ist für Mai 2017 angesetzt. In der Zwischenzeit muss er auf der Straße leben.

Das Problem der Wartezeit für eine Erneuerung der Aufenthaltsgenehmigung entsteht nach Angaben des Polizeipräsidiums auch durch die beträchtliche Zahl der Anfragen, die im Büro von Caltanissetta eingeht. Da dort Aufnahmezentrum und Kommission für die Anerkennung des Flüchtlingsstatus ihren Sitz haben, ist die Hauptstadt der Provinz Caltanissetta zum Ziel für Migrant*innen geworden, die eine Erneuerung beantragen. Seit 2014 ist es jedoch nicht mehr Pflicht, sich an das gleiche Büro zu wenden, das die erste Aufenthaltsgenehmigung ausgestellt hat. Mit einem anderen Wohnsitz ist es auch möglich sich an andere Polizeistationen zu wenden. Die Gewohnheit ist jedoch geblieben und die Büros sind überlastet. Zusätzlich wird die Erneuerung vom italienischen Münzprägeinstitut abgestempelt. Nur um das zu erfüllen, braucht es einen Monat. Hinzu kommt die Zeit, die es braucht, um im Rathaus einen Personalausweis ausgestellt zu bekommen, der den Wohnsitz angibt.

Tatsache bleibt, dass diese Personen von jeglicher Aufnahme oder Hilfe ausgeschlossen sind, weil sie nicht für diejenigen vorgesehen sind, die eine Erneuerung der Aufenthaltsgenehmigung beantragen, sondern nur für neue Asylsuchende. Aber auch letztere haben Probleme. Allein in Caltanissetta warten 165 von ihnen darauf, einen Platz im Aufnahmezentrum für Asylsuchende oder in einem der sieben CAS, der außerordentlichen Aufnahmezentren der Provinz, zu bekommen. Die Einwanderungsbehörde nimmt sie erst dann in die Einrichtungen auf, wenn Plätze frei werden.

Währenddessen hat der Wettstreit der rechten Parteien begonnen, die sich gegen den Aufenthalt von Migrant*innen aussprechen – im Moment sind es 5000 in der ganzen Provinz. Die Partei Fratelli d’Italia plant eine Kampagne gegen die neuen Quoten des Innenministeriums, die weitere 1500 Migrant*innen vorsieht (6 Migrant*innen pro 1000 Einwohner). Die Partei Noi con Salvini organisiert am Wochenende einen runden Tisch mit dem vereinfachenden Titel: Zuerst die Nissener*. Hauptorganisator ist der Abgeordnete Alessandro Pagano.

Alberto Sardo

*SPRAR: – Sistema di protezione per rifugiati e richiedenti asilo: Schutzsystem für Asylsuchende und Flüchtlinge, kommunales Aufnahmesystem auf freiwilliger Basis (keine staatliche Verpflichtung), ca. 3000 – 3500 Plätze in ganz Italien. Soll zur Integration der Flüchtlinge dienen.

*Nissener: Bewohner*innen der Provinz Caltanissetta

 

Aus dem Italienischen übersetzt von Anna Vollmer