Raschiamo il fondo del barile – Kratzen wir das letzte Geld zusammen
Die wirtschaftliche Lage ist katastrophal und das Defizit beträgt Millionen von Euro. Das ist die größte Sorge der Präfektur von Agrigent, die wir getroffen haben, um über alte und neue Aufnahmeeinrichtungen zu sprechen. Die Maschinerie des Business stoppt, wenn man die zur Aufnahme zur Verfügung gestellten Geldmittel nicht erhält. Viele Betreiber sind an ihre Grenze gelangt, weil sie seit langem kein Geld erhalten. Dies führt dazu, dass sich die Probleme in den Einrichtungen täglich vermehren. Was macht ein Betreiber, wenn er nicht mehr über Geld zum Investieren verfügt?
Natürlich muss er sparen, wo er kann, so dass er Arbeitsplätze abbaut. Vielleicht trifft er Vereinbarungen mit dem Catering zu niedrigeren Preisen (was Speisen in geringerer Menge und Qualität zur Folge hat). Die ärztlichen Untersuchungen verringern sich und beschränken
sich nur auf bereits festgestellte Krankheitsfälle. Sämtliche weiteren Maßnahmen sind gestrichen. In den schlimmsten Fällen werden Taschengelder nicht verteilt, es werden keine Telefonkarten an die
Gäste ausgegeben…
Wie immer haben die „Gäste“, die letzten Glieder der Kette, die negativen Folgen zu tragen. Die Metapher „raschiamo il fondo del barile“ (sinngemäß: Wir kratzen das letzte Geld zusammen), die sich mehr denn je bewahrheitet, ist tatsächlich im Stande, die Realität in der Provinz von Agrigent auszudrücken: Wenn das Innenministerium und das Arbeitsministerium nicht kurzfristig Lösungen finden, dann könnte die Lage in einigen Einrichtungen tatsächlich untragbar werden. Und trotz der Schwierigkeiten verlangt man von einigen Betreibern weiterhin, die Anzahl der zur Verfügung stehenden Plätze zu erhöhen, um Platz für die Neuankömmlinge zu schaffen; aber mit welcher Perspektive?
Wir befinden uns lediglich im März und die Schwierigkeiten sind erheblich. Man spielt weiterhin mit dem Leben von Personen, ohne über irgendein Aufnahmeprojekt, das seines Namens würdig ist, zu verfügen. In Agrigent, wie auch in anderen Provinzen Siziliens, gibt es Aufnahmestrukturen, die “keinen Platz” haben, so dass die Migranten die Nacht auf den Sitzbänken der Stadt verbringen, auch weil es keine institutionelle Schlafstellen gibt (Gemeinde oder Caritas). Um zu essen, besucht die Mehrzahl der Migranten die Mensa der Nonnen von Porta Aperta. Es finden sich auch keine Unterkünfte für die Nordafrikaner, die regelmäßig an den Küsten von Agrigent stranden, ein schon in der Vergangenheit mehrfach signalisiertes Phänomen. Die Präfektur erachtet dies nicht als “Landungen”, da es sich um eine geringe Anzahl von höchstens 10 bis 20 Personen handelt, die auf kleinen Booten ankommen. Diese, einmal gelandet, teilen sich in Paare auf, um nicht aufzufallen. Wenn sie aber von den Ordnungshütern aufgefangen werden, werden sie unverzüglich zu den Polizeipräsidien abgeführt und können dort in Erwartung auf die Abschiebung in den Räumlichkeiten des Polizeipräsidiums „Platz nehmen“, um dann nach Palermo verbracht zu werden, von wo aus in den meisten Fällen die Zurückweisung nach Tunesien erfolgt.
Es scheint, dass in der letzten Woche, eine Gruppe von 12 Tunesiern nicht einmal die Möglichkeit gewährt wurde, die Mitarbeiter des PRAESIDIUM-Projekts zu treffen. Die zwölf Personen sind im Polizeipräsidium 2 Tage festgehalten worden, um sie anschließend von Palermo aus in die Heimat abzuschieben. Warum kommen so viele
kleine Boote an den Küsten an, und warum sprechen nicht einmal die Medien darüber?
Wagen wir eine Vermutung: Das Projekt Mare Nostrum wartet darauf, im März refinanziert zu werden, vielleicht sollen Lücken im System nicht nach außen dringen? Natürlich handelt es sich nur um unsere Vermutung!
Agrigent erweist sich als Übergangsstation (meist gezwungenermaßen) für viele, auch für die 14 Frauen aus Eritrea, die in der neuen Einrichtung der Caritas für 2 Tage aufgenommen worden sind (in Übereinkunft mit der Präfektur), die sie sodann verlassen haben, um ihr Endziel zu erreichen.
Wir haben feststellen können, wie das Schweigen der Institutionen und der Wille, eine rassistische Ausrichtung dem migratorischen Phänomen zu geben, Vorurteile in der lokalen Bevölkerung wecken. Aufgrund der nicht adäquaten Informationspolitik sieht diese die das Meer überquerenden Jugendlichen als stetige Bedrohung für den Wohlstand Italiens an, so, als wären die Migranten nur aufgrund des Umstands, kein besseres Leben in ihrer Heimat führen zu können oder zu wollen, die Wurzel allen Übels unserer Gesellschaft.
Schließlich haben wir auch bei dem Treffen mit dem Verantwortlichen der Präfektur von Agrigent die Langsamkeit der Bürokratie, die kaum vorhandene Aufmerksamkeit sowie die ungenügende Menschlichkeit feststellen können, unter denen Tausende von Müttern, Vätern, Brüdern und Schwestern leiden mussten, die noch heute auf die Möglichkeit warten, ihre nächsten lieben Angehörigen zu beweinen, die bei der Katastrophe vom 3. Oktober letzten Jahres auf Lampedusa ihr Leben verloren haben. Nach 5 Monaten seit dieser Katastrophe ist bis zum heutigen Tag noch keine Stellungnahme seitens der zuständigen Behörden erfolgt.
Alberto Biondo
Borderline Sicilia Onlus
Aus dem Italienischen von Thanh Lan Nguyen-Gatti