Lampedusa: Kommuniqué der streikenden Migrant*innen
Von
der website Askavusa
Seit
der Hotspot von Lampedusa in Betrieb genommen wurde, hat sich die
Situation der Bewohner*innen im Aufnahmezentrum und auf der ganzen
Insel allgemein verschlimmert. Auf die Protestaktionen der Eritreer
vom Dezember letzten Jahres reagierten die Ordnungskräfte mit
brutalen Repressionen – dies aber weit abseits von Fernsehkameras,
Fotoobjektiven und dem Hype der Medien, die von dieser Insel immer
noch hartnäckig als „Insel des Willkommens“ berichten.
Die
von Protest, Entbehrungen und Überfüllung bestimmte Situation hat
sich im Aufnahmezentrum von Lampedusa seit Jahrzehnten konstant
gehalten und hat sich noch verschlimmert, seit das Aufnahmezentrum in
einen Hotspot umgewandelt wurde.
Im
Augenblick erleben wir auf der Insel von neuem eine starke
Militarisierung, die jedes Mal entweder mit Hinweis auf einen
Notstand oder auf Tragödien gerechtfertigt wird. Wir erleben die
üblichen Laufstege, so z.B. gestern das Treffen europäischer
Politiker*innen, bei dem Mare Nostrum auf europäischer Ebene und
eine europäische Küstenwache vorgeschlagen wurden. Wir erleben auch
die soziale Krise der Gemeinde von Lampedusa, das in diesen Jahren
durch den politischen, militärischen und medialen Druck wirklich auf
eine harte Probe gestellt wurde.
Wir
bitten alle, dieses Kommuniqué zu verbreiten und den Appell
zur
Schließung des Untersuchungsgefängnisses für Migrant*innen in
Lampedusa zu unterzeichnen. Die Bewohner*innen von Lampedusa bitten
wir, sich aufs Neue zusammen zu schließen, um die Insel und unsere
Würde zu retten und NEIN ZU SAGEN ZUR MILITARISIERUNG UND ZUM
UNTERSUCHUNGSGEFÄNGNIS FÜR MIGRANT*INNEN.
Gestern
Nacht haben einige von uns zusammen mit ein paar anderen engagierten
Menschen die Nacht mit den streikenden „Migrant*innen“ verbracht,
die das folgende Kommuniqué verfasst haben. Es gab da auch einige
Spannungen, weil eine der Protestgruppen vor ein paar Tagen
vandalistische Akte begangen hatte; dies ist kontraproduktiv, weil es
den Blick von dem wahren Problem ablenkt und zu Hassgefühlen
zwischen den Bewohner*innen von Lampedusa und den Migrant*innen führt
– dies hat, wie wir in der Vergangenheit gesehen haben, der
Strategie Europas gedient und ist in einigen Fällen auch bewusst
herbeigeführt worden.
Kommuniqué:
Wir
sind Geflüchtete / Schutzsuchende wir sind hierher gekommen, weil
wir aus unseren Ländern, die sich im Kriegszustand befinden,
flüchten, die Länder, aus denen wir kommen, sind Somalia, Eritrea,
Darfur (Sudan), Jemen, Äthiopien. Die Behandlung, die wir im
Aufnahmelager von Lampedusa erfahren, ist nicht menschenwürdig (es
gab bei der erzwungenen Abnahme von digitalen Fingerabdrücken auch
Fälle von Misshandlung durch die Ordnungskräfte). Wenn wir die
Fingerabdrücke verweigern, werden die Mitarbeiter der
Lagerverwaltung uns gegenüber aggressiv – auf verbaler und
körperlicher Ebene, es gibt diskriminierende Handlungen bei der
Essensvergabe, sie verbieten uns im Hof Ball zu spielen. Die
Matratzen sind vollgesaugt mit Wasser, das aus den Waschräumen
dringt und dies kann bei uns auch Krankheiten verursachen.
Es
gibt minderjährige unbegleitete Geflüchtete, schwangere Frauen und
Personen mit gesundheitlichen Problemen, die nicht angemessenen
behandelt werden.
Wir
sind auf Lampedusa, manche 2, manche 4 Monate.
Wenn
man uns nicht die Möglichkeit gibt, weg aus diesem Gefängnis, an
einen Ort zu gehen, an dem würdigere Existenzbedingungen herrschen,
werden wir uns weigern, Fingerabdrücke machen zu lassen.
Wir
sind hierhergekommen auf der Suche nach Freiheit, Menschlichkeit und
Frieden, weil wir dachten, dies existiere in Europa!
Wir
wollen nicht in ein Gefängnis gesperrt werden, obwohl wir nichts
Verbrecherisches getan haben, wir wollen ein anständigeres Leben und
versuchen, Schutz zu bekommen, denn wir kommen aus Situationen, die
uns dazu gebracht haben, unser Leben aufs Spiel zu setzen.
Unter
diesen jetzigen Bedingungen Fingerabdrücke zu geben, bedeutet, keine
Wahlfreiheit mehr für unsere künftigen Pläne zu haben, wie z.B.
zu unseren Verwandten oder in bereits existierende Gemeinschaften in
anderen Ländern gehen zu können.
WIR
WOLLEN WEG AUS LAMPEDUSA UM DEN SCHUTZ ZU BEKOMMEN DEN WIR SUCHTEN
ALS WIR AUS UNSEREN HEIMATLÄNDERN GEFLÜCHTET SIND. VIELE UNTER UNS
BEFINDEN SICH IM HUNGERSTREIK UND VERWEIGERN DAS TRINKEN UND SIE
WERDEN NICHT AUFHÖREN, BIS UNSERE FORDERUNGEN ERFÜLLT SIND.
Collettivo
Askavusa (Kollektiv Askavusa)
SENZA
PAURA! (OHNE ANGST!)
Übersetzung
aus dem Italienischen von Petra Schneider