Lampedusa: Die Proteste sind beendet, aber die Zuwiderhandlungen werden fortgesetzt
Bis gestern befanden sich im Hotspot von Lampedusa 380
Personen (darunter ein Dutzend erwachsener Frauen). Die Anzahl der
unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge lag bei ca. 90, darunter auch fünf
nigerianische Mädchen, die am selben Tag des Brandes, durch den die gesamte
Halle der Einrichtung der Contrada Imbriacola nicht betretbar geworden ist, auf
der Insel angekommen sind. Viele Minderjährige werden seit mehr als 4, 6 Wochen
auf der Insel festgehalten. Sie befinden sich mit Erwachsenen in den selben Schlafsälen,
in denen das Licht nie ausgeschaltet wird. Sie werden mit den gleichen
Maßnahmen „bestraft“ wie die Männer und Frauen, die in den vergangenen Tagen
gegen das italienische System der Identifikation und die Regelungen des Dublin-Übereinkommens
über die Bestimmung des Staates, in dem der Asylantrag beantragt werden
kann, protestiert haben, indem sie sich geweigert haben, ihre Fingerabdrücke abzugeben.
In der Zwischenzeit ist die Lage auf der Insel aufgrund
der wiederholten mediatischen Kampagne angespannt, die wieder einmal zu Beginn
der Sommersaison das Image Lampedusas als touristisches Ziel beschädigt hat.
Aber es geht noch weiter. Die Unzufriedenheit zeigt sich
in den harten Kritiken gegenüber dem Bürgermeister, der angeklagt wird, nicht
im Interesse der Bewohner Lampedusas zu handeln, insbesondere nicht auf
durchgreifende Weise in den Tagen des Protests eingegriffen zu haben, um die
diversen betreffenden Interessen zu schützen und die mediatische Welle für
eigene politisch-karriereorientierte Interessen auszunutzen. Und nicht
nur das. In einem Gebiet, in dem viele Bewohner*innen Angst haben, die
Missbilligung über die schlechte Verwaltung der migratorischen Ströme und der
politischen Spekulationen zulasten des wirtschaftlichen Interesses der Insel offen
auszusprechen, weil sie erpressbar sind (wegen gesetzeswidriger
Geschäftstätigkeiten, missbräuchlichem Bauen, Vetternwirtschaft), protestieren
die Straßenfeger trotz Drucks durch Boykott auf der Piazza und trotz der
Boykottversuche seitens diverser institutioneller Seiten. Man muss sich fragen,
wem die Straßenfeger Angst einjagen.
Diese Frage ist schwer zu beantworten, wenn nicht der
Aufstand als alarmierendes Zeichen des Erwachens der Bevölkerung angesehen
wird, die müde ist, zu ertragen, ohne dass sie tatsächlich vertreten werden.
Was würde passieren, wenn 6000 Personen (ohne natürlich die ca. 70 Familien,
die ein direktes Interesse an dem Migrationbusiness haben) auf die Piazza gehen
und schreien würden, dass man sich schämen solle, sowie die eigenen Rechte
geltend machen würde?
Aber vielleicht träumen wir oder vielleicht nicht, da die
Folgen der grausamen Militarisierung Lampedusas sich in immer häufiger
auftretenden Fällen von registrierten Tumoren unter der Bevölkerung
manifestiert (durchschnittlich ein Fall in fast jedem Haushalt).
Germana Graceffo
Borderline Sicilia Onlus