Lampedusa, 3. Oktober 2013. Der Schiffbruch der Wahrheit.
Dieser Bericht beinhaltet und analysiert die Ereignisse, die sich am 3. Oktober 2013 abgespielt haben. Er stellt die auf diesen Tag folgenden politischen und ökonomischen Konsequenzen dar, sowie deren Zusammenhang mit dem wahrheitswidrigen Gebrauch, den die Propaganda der Regierung von den Geschehnissen gemacht hat. Das Dokument basiert auf den Zeug*innenaussagen der ersten Helfer*innen und der wenigen Überlebenden. Viele dieser Aussagen sind bisher ignoriert worden oder haben nur unzureichend Berücksichtigung in offiziellen Ermittlungen gefunden.
Diese Recherchearbeit und Analyse des Massakers vom 3. Oktober 2013 in Lampedusa ist als Hintergrund zu dem von Antonino Maggiore erarbeiteten und von Libera Espressione produzierten Video entstanden, das den Titel „Lampedusa 3. Oktober 2013. Die Tage der Tragödie“ trägt.
Die erste Fassung dieses Dokuments wurde im Jahr 2015 veröffentlicht. Heute veröffentlichen wir eine ergänzte und korrigierte Fassung, angesichts der späteren Entwicklungen rund um die Ereignisse von Lampedusa am 3. Oktober 2013.
Nachdem 5 Jahre seit den Geschehnissen vergangen sind, halten wir es für richtig, die Aufmerksamkeit wach zu halten, und sie insbesondere auf jene Punkte zu lenken, die auf die ökonomischen und politischen Interessen hinweisen, die sich hinter dieser fehlgeschlagenen Rettung und vielen anderen Schiffbrüchen verbergen.
Wir halten die Gesetze der Europäischen Union, die den Mitgliedstaaten auferlegt wurden, um Zugang zu dem Binnenmarkt und dem Schengenraum zu erhalten, für die Ursache der aktuellen Migrationsprobleme im Mittelmeerraum.
Es kann bis zu 10.000 Euro und viele Jahre kosten, bis man in Europa ankommt. Oft flieht man vor Krieg, in anderen Fällen vor der Ausbeutung des eigenen Wohn- und Lebensraums, oder man ist einfach auf der Suche nach Arbeit. Wenn die Gelder, die für die Militarisierung der Grenzen im Namen der Sicherheit oder für das Festhalten der Migrant*innen in den Lagern als gängige Aufnahmepraxis ausgegeben werden, stattdessen in Maßnahmen für die geregelte Einreise oder für die Arbeitspolitik investiert worden wären, hätten wir nicht Tausende von Menschen auf diese Art und Weise sterben sehen.
Aus unserer Sicht bildet das aktuelle Wirtschaftssystem die Ursache der Probleme, denn der Profit wird als Handelsmaxime für jegliches Handeln angewendet. Der neoliberale Kapitalismus, dessen politischer Ausdruck in der EU gesehen werden kann, verursacht täglich Tausende von Opfer, die weder in der Berichterstattung der Tagesnachrichten, noch in den Vertretungen der Staaten Widerhall finden. Sie dienen keinerlei Rechtfertigung von Politiken, im Gegenteil sind sie lediglich dessen Opfer. Niemand wird von ihnen sprechen, niemand ihre Namen nennen.
Dies stellt wahrlich eine der widersinnigsten Folgen des Massakers des 3. Oktobers dar: Die Opfer werden beständig heraufbeschworen, um die Politik jener zu rechtfertigen, die für ihren Tod verantwortlich sind.
Den Opfern des kapitalistischen Imperialismus.
Kollektiv Askavusa
Lampedusa, 1. Oktober 2018
Übersetzung aus dem Italienischen von Alma Freialdenhoven