Bericht aus Lampedusa – Arci Messina
Im Laufe des Vormittags machen wir uns auf den Weg zu einer Autovermietung, wo wir mit dem Besitzer ins Gespräch kommen. Wir fragen ihn über seine Meinung zum Einfluss der Migrantenströme auf die Insel: seine Meinung ist, dass der Tourismus – der die Haupteinnahmequelle für die Inselbewohner ist- einen starken negativen Rückschlag erleiden könnte, besonders in den Monaten Juli und August.
Auf der einen Seite ist es zwar so, dass bis heute eine große Anzahl von Journalisten, Polizisten, Soldaten, Carabinieri und anderen auf der Insel zugegen ist – fährt der Eigentümer der Autovermietung fort- aber dies sei qualitativ ein komplett anderer „Tourismus“ als der, den die Lampedusaner anstreben. Er erklärt uns außerdem, dass seiner Ansicht nach, die Hotels und Lokale, die aus der aktuellen Situation Nutzen ziehen, ausschließlich jene seien, die mit den Sicherheitskräften Vereinbarungen getroffen haben. Er scheint mit uns einer Meinung zu sein, dass die berichteten Probleme der Einwohner Lampedusas hauptsächlich durch den Umgang der Politik mit dieser Situation sowie die medialen Darstellungen über den „Migrations-Notfall“, die nach Außen transportiert werden, verursacht werden. Am Nachmittag machen wir uns auf den Weg zum Schiffsfriedhof am Porto Nuovo. Der Eingang wird überwacht durch einen Mannschaftswagen der Armee, aber wir schaffen es trotzdem ins Innere zu gelangen und einige Fotos zu schießen.Es scheint uns wichtig zu erwähnen, dass die elektrischen und mechanischen Apparaturen in den Booten fehlen. Es gibt klare Anzeichen dafür, dass auf den Booten improvisierte Lager mit Zelten, Holztischen und Gedeck zu finden waren. Wir gehen weiter in Richtung des Aufnahmelagers Contrada Imbriacola. Über nicht asphaltierte Pfade kommen wir direkt am Lager an. Unsere Präsenz zieht sofort die Aufmerksamkeit der Soldaten an, die sich an acht (jedenfalls soweit wir erkennen können) unterschiedlichen Positionen befinden, die zusammen das Tal des Lagers einkreisen. Wir versuchen uns zu nähern, aber augenblicklich werden wir aufgefordert nicht weiterzugehen. Der Sicherheitsabstand beträgt ungefähr 20m: es scheint so, wie absehbar, dass diese Distanz daran hindern soll, auf irgendeine Art und Weise von außen mit dem Migranten zu kommunizieren. Jede unserer Bewegungen wird überwacht: es wird verhindert, das Lager zu filmen oder zu fotografieren. Ab einem bestimmten Zeitpunkt, bemerken auch die Migranten unsere Präsenz: sie richten Grüße und herzliches Lächeln an uns von einer Treppe, die einen Flügel des Lagers mit dem Innenhof verbindet und von den Fenstern der Zimmer. Von unserer Position können wir drei Haupthallen erkennen. Wir zählen mindestens 50 Migranten: sie sind überwiegend subsaharischer Herkunft. Es ertönt eine Stimme, die eine Liste von Namen wiederzugeben scheint; die Migranten befinden sich im Halbkreis und hören aufmerksam zu. Aus unserer Perspektive können wir nicht erkennen, wen sie anschauen. Vor dem Eingang sind einige Fahrzeuge der Armee, ein Bus der „Cooperative Lampedusa Accoglienza“ (ein Bus des Aufnahmelagers) und ein Rettungswagen geparkt. Der Ärger der Sicherheitskräfte über unsere Präsenz wird immer deutlicher und wir entfernen uns. Es soll gegen 20 Uhr ein Flug gehen, der einige Migranten wegbringt (der Bestimmungsort ist uns unbekannt). Aus diesem Grund bewegen wir uns Richtung Flughafen. Einige von uns versuchen am Schalter Informationen herauszufinden. Die Beamten versuchen auszuweichen indem sie unpräzise antworten, aber letztendlich bestätigen sie, was bereits klar war: einige Flüge mit Migranten starten von hier, aber für heute scheinen keine angesagt zu sein. In der Zwischenzeit haben es zwei von uns geschafft, sich auf die Abflugbahn zu schleichen, die jedoch menschenleer ist. Gegen 22:30 Uhr entschließen wir uns, den Hafen noch einmal abzusuchen: es scheint, kein Boot angesagt zu sein, wie uns im Nachhinein auch ein Mitarbeiter von IOM bestätigt.
Arci Messina