„Lasst uns rein“! Bericht aus dem Abschiebegefängnis Serraino Vulpitta, Trapani

Heute morgen um 10.30 haben wir uns gemeinsam mit Vertretern verschiedener Vereine im Rahmen der Kampagne “LasciateCIEntrare” (“Lasst und rein”) vor dem Abschiebegefängnis Serraino Vulpitta, Trapani, getroffen. Wir haben erfahren, dass die Präfektur von Trapani im Moment keine Erlaubisse an Journalisten für den Zutritt in das Abschiebegefängnis vergibt. Diese Ablehnung erhalten die Journalisten zwar nicht schriftlich, sie besteht faktisch aber dennoch durch die lange Zeit, die bis zur Bearbeitung der Anträge vergeht. Da man keinen Zutritt in das Abschiebegefängnis erhält, um mit den hier inhaftierten Migranten zu sprechen, kommen diese an die Fenster, um mit uns zu sprechen.
Sie klagen die Isolierung, in der sie hier festgehalten werden, an. Arme und Hände sind die einzigen Körperteile, die durch die Gitterstäbe gelangen, übersät mit Wunden und Narben, die sich die Migranten aus Protest teils selbst zugefügt haben. Sie schreien “Hilfe, Freiheit, wir wollen leben, wir werden wie Tiere behandelt, wir halten es nicht mehr aus”. Und wir erfahren auch von Selbstmordversuchen und Selbstverstümmelung. Ein Junge, so berichtet man uns später am Telefon, hat vor kurzem versucht, sich mit einem Betttuch zu erhängen. Wir sehen einen anderen Jungen mit einem Verband am Unterarm, er hat sich mit Rasierklingen geschnitten.

Auch die Fluchtversuche gehen weiter. Ein Migrant wurde von der Polizei bei seinem Fluchtversuch erwischt und, so wird uns von seinen Kameraden am Telefon erzählt, daraufhin schwer verprügelt. Sie sollen ihm einen Finger und einen Arm gebrochen haben. “Hier sind keine Anwälte, niemand kümmert sich um uns, ihr seid die Ersten, die sich interessieren. Es ist eine Schande!” Fast alle berichten, dass ihre Inhaftierung noch nie von einem Richter überprüft wurde.

Sie kommen aus Tunesien, Albanien, Kolumbien, Ghana, Algerien und sicher auch aus anderen Ländern. Einige von ihnen befinden sich seit sieben, acht Monaten in Vulpitta, oft wurden sie aus anderen CIE nach Trapani gebracht. Sie erzählen, dass sie zuvor in Bari, Rom und Turin waren.

Es befinden sich mehr als 50 Personen in Vulpitta, das für 43 Personen vorgesehen ist. “Wir schlafen auf dem Boden, ohne Matrazen, alles ist dreckig. Ein Bad für 20 Personen, ich habe mich seit Wochen nicht mehr geduscht weil alles so dreckig ist. Das Essen ist widerlich, wir haben Hunger”, erzählen sie uns. Die Polizisten haben einigen von ihnen die Handys abgenommen und die Fotoapparate oder die Fotofunktion der Handys kaputt gemacht. Einige von ihnen befinden sich seit gut acht Monaten in Abschiebehaft, sie haben auch einen Hungerstreik durchgeführt.

Darüberhinaus befinden sich zwei Minderjährige in Vulpitta, einer sei 17 Jahre, berichten sie uns. Absolut illegal.

Sie wollen mit Anwälten sprechen, aber niemand hat ihnen gesagt, dass sie einen Anwalt anrufen können. Keine Information, keine Haftprüfung, kein Recht.

All dies geschieht unter den amüsierten Blicken der Polizeibeamten und des Personals, “sie lachen über uns, provozieren uns. Wir haben Angst vor Missbrauch durch die Polizei.” Sie werden geschlagen, in der Nacht mit Schlagstöcken verprügelt und auch in dieser Nacht, nach dem Gespräch mit uns, fürchten sie das Schlimmste.

Report: Judith Gleitze in Zusammenarbeit mit Alessio Genovese
Foto: J. Gleitze, borderline-europe/Borderline Sicilia, 23.4.2012