Aufnahme in Palermo: Nicht einmal Respekt Minderjährigen gegenüber
Die Situation in den Aufnahmezentren ist
paradox. Zentren, die für die Erstaufnahme da sein müssten und die sich
stattdessen faktisch in Gefängnisse verwandeln, in denen Migranten monatelang
eingesperrt sind, ohne dass jemand ihnen Hinweise irgendeiner Art gäbe, erst
recht keine Informationen über ihre eigenen Rechte.
In diesen Zentren werden die Menschen ihrer
Menschenwürde beraubt, und was noch schwerer wiegt, ist die Anwesenheit von
unbegleiteten Minderjährigen, die keiner haben will!
Tatsächlich wurden bis heute keine Schritte
unternommen, um zum Beispiel einen Aktionsplan für Minderjährige aufzustellen,
die in immer größerer Zahl ankommen, und für die die Kommunen im Hinterland
keine Verantwortung übernehmen wollen. Treibende Kraft ist dabei ein
ausgewogener Kommunalhaushalt.
Wieder einmal scheint das Aufnahmesystem durch
den Gott des Geldes regiert zu werden. Angesichts dessen, dass sich die
Kommunen nicht bewegen, hat das Innenministerium einen Fachausschuss mit den
verschiedenen institutionellen und nicht institutionellen Akteure einberufen,
um zu entscheiden, was zu tun ist. Es gibt Gerüchte, dass das Ministerium
beschlossen hat, Erste-Hilfe-Zentren für unbegleitete Minderjährige in ganz
Sizilien zu schaffen, mit einer maximalen Kapazität von 100 Minderjährigen.
Außerdem wird klar, dass die Präfektur Palermo
die Maßnahmen koordinieren wird (und allgemein die anderen Präfekturen der
größeren Städte). Offenbar hat auf rücksichtslose „Jagd aufs Gold“ angefangen:
Man sieht Dutzende von Kooperativen, die darum kämpfen, den Zuschlag für die
neuen Einrichtungen zu erhalten.
In Sizilien verbreiten sich immer mehr Zentren
für unbegleitete Minderjährige, oft unter Umständen, die ans Lächerliche
grenzen: Die Trägereinrichtungen sind dabei, Wohnhäuser in Strukturen
umzubauen, die auch unbegleitete Minderjährigen aufnehmen können. Dadurch
entstehen Probleme, die sich mit denen bereits in vielen Einrichtungen
bestehenden überschneiden, wie vor allem Probleme des Zusammenlebens zwischen
jungen Italienern und Ausländern, mit voneinander weit entfernten Bedürfnissen
und Problemen. Viele Trägereinrichtungen stellen sich – übrigens wegen der
Einnahmen – von einem Tag auf den anderen auf die Aufnahme ausländischer
Minderjähriger um, ohne irgendeine Vorbereitung. Sie beachten nicht, dass man
mit den Problemen derer, die aus einer anderen Kultur und aus
Kriegserfahrungen, nicht in der gleichen Weise umgehen kann wie mit einem Kind
mit familiären Problemen, die mit Verbrechen oder allgemeiner mit dem sozialen
Problem Siziliens zusammen hängen.
Das voraussehbare Ergebnis ist die Flucht der unbegleiteten
minderjährigen Flüchtlinge aus diesen Zentren auf der Suche nach älteren Landsmännern,
die sich in ihrer Situation um sie kümmern, um eine zweite Chance zu bekommen,
mit dem Risiko, in die Hände von üblen Menschen zu geraten.
Das System läuft Allen entgegen und hat nicht
einmal Respekt gegenüber Kindern – was dazu führt, dass die Migranten bereits
mit Misstrauen ankommen. Es gibt sogar Minderjährige, die sich als Erwachsene
ausgeben, aus Angst, in eines dieser Zentren zu kommen. Es gibt Minderjährige,
die angeben, von Onkeln oder Verwandten begleitet zu werden, um in der Gruppe
zu bleiben.
Und mit der letzten Ankunft in Palermo am
vergangenen Montag, dem 9. Juni, von etwa 530 Migranten aus Eritrea haben wir
bestätigt bekommen, dass Migranten, die in Sizilien landen, weiter ziehen
wollen, ohne auch nur einen Tag zu bleiben. Sie weigern sich sogar zu trinken
oder zu essen aus Angst, dass ihnen eine Substanz verabreicht wird, die sie
einschlafen lässt!
Das zeigt, dass die Schleuser ein leichtes Spiel
haben und dass die europäischen Staaten das Spiel der Schleuser mitspielen. Es
gibt Grund zur Annahme (doch wir haben keine Beweise), dass es Absprachen
zwischen Staaten und Schleusern gibt, um Geld in der Welt der Einwanderung zu
machen. Die 530 Eritreer hätten am Vortag in Trapani landen sollen, also am
Sonntag, aber es waren keine Plätze mehr verfügbar. Die weitere Folge der
systematischen Desorganisation hat den Präfekten von Trapani gestärkt, ebenso
wie den Bürgermeister von Porto Empedocle (Agrigent), als ob sie erst heute
bemerkt hätten, dass eine ernsthafte und systematische Planung notwendig gewesen
wäre!
Eingeschlossen in einem Laderaum eines
Frachtschiffes war das endgültige Ziel schließlich Palermo, wo sie, obwohl müde
und erschöpft, die Kraft hatten zu protestieren, zu entkommen und nicht in die
Netze unserer falschen Gastfreundschaft zu geraten. Dies gefällt Allen: der
Präfekt hat weniger schwierige Aufgaben zu lösen und die Zentren können andere
EURO-Migranten aufnehmen, während draußen weiterhin die Menschen auf See
sterben, unsichtbar, immer weiter entfernt von unseren Küsten.
Der Krieg gegen die Migranten werden sicherlich
wir im Westen gewinnen, der immer für alles vorbereitet ist!
Die Redaktion von Borderline Sicilia Onlus
Aus dem Italienischen von Johannes
Majoros-Danowski