Triton alleine kann die Seenotrettung nicht leisten
Redattore Sociale – “Die prompte Rettung von Flüchtlingen auf See kann entscheidend für die Lebensrettung vieler von ihnen sein, die sich auch bei widrigen Bedingungen des Meeres und Kälte zum Aufbruch nach Italien über das Meer entscheiden.“
Die das mit Nachdruck sagt ist die Aktivistin von Borderline Sicilia, Judith Gleitze, schon immer engagiert in der Unterstützung der Flüchtlingen, die in den italienischen Zentren Aufnahme finden.
„Die Operation Triton (Frontex) kann die Hilfe für die schiffbrüchigen Flüchtlingen auf See nicht allein leisten“, sagt sie. „Die Schiffe von Triton, die sich nicht weiter als 30 Seemeilen südlich von Lampedusa bewegen dürfen, überlassen die Rettungsaktionen den wenigen Schiffen der italienischen Küstenwache. Leider bewahrheitet sich, was von vielen Stellen bezüglich der Operation schon gesagt worden ist. Auf diese Weise unterstützen wir das Todesurteil für die Flüchtlingen“, fügt sie hinzu. „Der italienischen Marine scheinen die Hände gebunden zu sein, und man kann nicht alles den kleinen Schiffen der Küstenwache überlassen; die tun, was sie können, kaum dass sie Nachricht erhalten haben. Das ganze System gehört offensichtlich auf den Prüfstand“.
Einer der Aktivisten vom Blog Sicilia Migranti, der sich seit eh und je zusammen mit seinen Freiwilligen dafür einsetzt, den Zustand der außerordentlichen Aufnahmezentren auf Sizilien zu überprüfen, übt nochmals Kritik an dem System der Aufnahme. „Auch wenn es nach einer Verlangsamung der Ankünfte der Flüchtlinge an unseren Küsten aussieht, ist das Aufnahmesystem der CAS – außerordentliche Aufnahmezentren – gleich geblieben, mit den gleichen Strukturproblemen wie immer. Es ist kompliziert ein Bild von allen CAS auf der Insel zu zeichnen, von denen viele noch mit Migranten gefüllt sind.“ „Die CAS, einige größer, andere kleiner, müssen nach den geforderten Standards geführt werden“, unterstreicht er. „Wir wissen leider, dass das für viele von ihnen so nicht zutrifft, weil sie nur als Gewinnquellen gesehen werden. Sie sind weit entfernt von den Qualitätskriterien, die vom Gesetz vorgesehen sind, so zum Beispiel die kulturelle Mediation und der Rechtsbeistand.“
Von den CAS spricht man nur, wenn es Proteste der MigrantInnen gibt. Nach einem Protest in diesen Tagen im Zentrum Madonnina di Mascalucia in der Provinz Catania, haben 20 Migranten die Verlegung in ein SPRAR verlangt. Der Vizepräfekt hat sich persönlich darum gekümmert, die Zustände in der Einrichtung zu überprüfen und dann entschieden, die Gruppe in das CARA von Mineo zu verlegen.
Niemand spricht von dem verborgenen und abgeschiedenen „neuen“ Aufnahmezentrum von Rosolini in der Provinz Syrakus, wo die Asylsuchenden seit August den Beginn der Prozedur [des Asylverfahrens, Anm. der Red.] erwarten. „Das CAS von Rosolini zu erreichen ist nicht einfach“, schreibt eine Mitarbeiterin von Borderline Sicilia, „zumindest, wenn man nicht aus der Gegend stammt.
Nachdem man einmal den Ort hinter sich gelassen hat und kurz bevor man sich auf die kurvenreiche Straße begibt, die zu den nahgelegenen Höhlen führt, besteht die einzige Möglichkeit, die Einrichtung zu finden im Fragen der Passanten nach der Ex-Disco Picadilly, die seit kurzem zu einer Einrichtung für MigrantInnen geworden ist. Ein imposantes Gebäude, das aber nie fertig gestellt wurde und früher als Disko und Saal für Empfänge gedacht war. Es liegt an einem Schottersträßchen zwischen den wenigen Bauten vor den Höhlen, die es ringsherum gibt.
In Agrigent ist auch das CAS von Siculiana voll belegt, während in Palermo nur noch 38 Migranten im CAS des Zentrums San Carlo und Santa Rosalia der Caritas verblieben sind; weitere 21 befinden sich in anderen, strikt kirchlichen Aufnahmeeinrichtungen.
Wir möchten dem Artikel die Bemerkung hinzufügen, dass die Seenotrettung grundlegend ist um Menschenleben zu retten; das genügt aber nicht. Solange die europäische Politik und die Gesetze zu Immigration und Asyl nicht radikal geändert werden, werden die Menschen weiter auf See und an anderen Grenzen sterben.
Aus dem Italienischen von Rainer Grüber