Immer zu Lasten der Migranten. Unmenschliche Bedingungen in der Sporthalle Spedini in Catania

Während die europäische Regierungen sich auf die Identifizierungs-, Ausweisungs- und Abschiebungsoperationen konzentrieren und die italienischen Politiker sich darum kümmern, „die höchst mögliche Anzahl an Migranten abzuschieben“, sind wir Zeuge der wiederholten und steten Verletzung der Rechten der Flüchtlingen.

Es passiert in Catania, wo Frontex seit Kurzem seinen Sitz eröffnet hat und nach 2 Tagen des Wartens immer noch zirka 200 Migranten in der Sporthalle Spedini ausharren. Unter ihnen Männer, die in großer Eile aus dem Krankenhaus entlassen wurden und immer noch schlecht beieinander sind, vier Frauen und 23 unbegleitete Minderjährigen: Alle müssen in diesem Ort unter unmenschlichen Bedingungen tagelang ausharren.


Photo: Lucia Borghi

Am späten Nachmittag des 2. Juli erreichen wir die Sporthalle und dort finden wir die Flüchtlinge praktisch sich selbst überlassen. Außerhalb des Gebäudes treffen wir ein paar Polizisten und einige Männer des Zivilschutzes, die uns die Situation der letzten Stunden erklären. Der heutige Tag hat ohne Frühstück begonnen, das die Gemeinschaft Sankt Egidio hätte stellen sollen, und die wenigen Kleidungsstücke und Schuhe, die zur Verfügung standen, wurden nicht verteilt, aus Angst, Spannungen unter den Flüchtlingen zu generieren. Es waren in der Tat so wenige Sachen da, die nicht einmal für die Hälfte der Personen gereicht hätten. Sobald wir den Eingang der Sporthalle erreicht haben und einen Gruß andeuten, werden wir regelrecht von ca. 30 jungen Männern aus Nigeria, Gambia und Bengalen eingekreist, die uns mit einfachen Fragen bombardieren, auf die eine Antwort zu finden, immer schwieriger und peinlicher wird.

Nackte Füße, angeschwollen und voll mit Blasen, Arme und Körper, mit dem Schorf der Krätze bedeckt: In diesen Männern steckt aber immer noch viel Kraft, sie wollen fragen und reden. „Ich bin schon seit zwei Tagen hier, trage aber noch die gleiche Kleidung, wie auf dem Boot“, sagt mir A. und er zeigt auf die Flecken von Erbrochenem auf seiner Jeans. „Ich habe keine Schuhe, viele von uns haben keine Schuhe. Am Schlimmsten ist es für mich, dass ich mich nicht duschen und meine Zähne nicht putzen kann“. Worte, die irgendwie unwirklich scheinen, und doch real sind. Die Mitarbeiter des Zivilschutzes erklären uns, dass es keine Seife gibt, und Stoffe oder Kleidungstücke nicht in ausreichender Maße vorhanden sind, weil die Präfektur die Aufträge und vor allen Dingen die finanziellen Mittel nur sehr langsam verteilt. „Es sind die ersten Ankünfte und die Organisation stockt noch“, erklärt mir einer der zwei anwesenden Mitarbeitern. In der Zwischenzeit haben wir erfahren, dass „sehr wahrscheinlich“ heute Nacht eine Gruppe von 120 Personen nach Norditalien, möglicherweise nach Mailand oder eine Stadt in der Toskana, verlegt wird, während für eine weitere Gruppe von 70 Personen eventuell Morgen oder Übermorgen eine Lösung gefunden wird. „Wir hoffen, dass sie in die Busse einsteigen werden dürfen“, erklärt der Mitarbeiter weiter, „weil oft nur wer geduscht hat, in den Bus einsteigen darf“. Worte, die so schwer wie Steine wiegen und keinen Kommentar bedürfen.

L. nähert sich und streckt seinen Arm uns entgegen, um die inzwischen blass gewordene Nummer zu zeigen, die jemand mit dem Filzstift auf seinen Handrücken geschrieben hatte. „Meine Frau ist nach Mailand verlegt worden. Ich war im Krankenhaus und bin erst heute zurückgekommen. Ich will, dass sie wissen, dass wir wieder zusammen sein wollen, wir sind ja zusammen nach hier hingekommen“. Die Menschen sind verwirrt, sie fragen immer wieder nach der Abreise. „ Wir sind seit zwei Tagen hier und ich habe immer noch nicht meine Verwandten informieren können, dass ich hier bin. Was soll ich tun? Wo werden wir hin gefahren? „ A. zeigt auf ein paar junge Männer, die durch die Sporthalle laufen, nur mit weißen Laken bekleidet, die sie als Bettlaken bekommen haben. „Sie haben nicht Mal ein Kleidungsstück“, erklärt er resolut. Zwei weitere Männer nähern sich und zeigen uns die Wunden, die die Krätze auf ihren Körpern hinterlassen hat und für die sie immer noch keine Medikamente bekommen haben, während ein dritter, der ein Auge verloren hat, sich beschwert, dass er keine Möglichkeit mehr hat, mit dem Doktor zu sprechen, der ihn im Krankenhaus behandelt hatte und der ihn entlassen hat, ohne ihm eine Kopie der Diagnose gegeben zu haben.

In der Zwischenzeit wird das Abendessen rein gebracht und die Menschen schreien und streiten sich, um ihren Platz in der langen Reihe zu verteidigen. Eine Gruppe bengalischer jungen Männern wartet liegend. „ Die Lage hier ist unerträglich: Hitze, Müdigkeit, Unruhe. Werden wir noch zusammen bleiben können, wenn wir weiter reisen müssen? „ Ein wenig abseits wartet auch C., der uns anvertraut, falsche Angaben bezüglich seines Alters den Mitarbeitern von Save The Children gegenüber bei der Ankunft gemacht zu haben. Er hält ein Zettel mit verschiedenen Nummern fest in der Hand. Wir versuchen ein paar Worte mit anderen jungen senegalesischen Männern zu wechseln, auch um sie für ein kurzes Moment von der schrecklichen Lage, in der sie sich befinden, abzulenken. Der Ernst der Lage sollte hingegen allen involvierten Institutionen bewusst sein und sie an ihre Verantwortung den Menschen gegenüber mahnend erinnern. Heute Morgen war eine UNHCR-Mitarbeiterin hier und telefonisch versichert sie uns, dass sie die Lage unter Kontrolle haben und dass sofort nach der Ankunft OIM (International Organization for Migration A.d.Ü.) die Rechtsberatung abgewickelt hat. „Das Problem ist, für sie alle einen Platz zu finden“ erzählt der Zivilschutz-Mitarbeiter weiter „aber jeder trägt einen Teil der Schuld“. Und somit wird munter weiter das Spiel gespielt: Jeder schiebt dem Anderen den Ball zu, wobei hier der Mangel und die Verantwortung hin und her geschoben werden. Der Eine sagt, ihm seien die Hände gebunden, der Andere bringt Ausreden vor und spricht abermals von einer Notsituation und der Dritte gibt vor, schlicht und ergreifend nichts zu sehen. Alle zusammen sind sie bemüht, sich ein Alibi zu schaffen und gleichzeitig bereiten sich vor, sich ins Rampenlicht zu stellen und auf Kosten der Migranten nach Vorne zu gehen.

Lucia Borghi
Borderline Sicilia Onlus

Aus dem Italienischen übersetzt von Antonella Monteggia