„Das Cara von Mineo ist ein Ort des Wahnsinns. Die Zahl der Gäste zu verringern, bringt gar nichts“
Zurück im Zentrum der Polemiken und des Mafiaskandals Mafia Capitale, die Struktur in Mineo ist wieder in den Schlagzeilen, wegen des zweifachen Mord in Palagonia. Hauptverdächtiger ist ein Gast des Zentrums. Die Polemiken richten sich diesmal gegen das Vorhaben die Zahl der Gäste von 3000 auf 2000 zu verringern. Ein Vorschlag der jedoch diejenigen nicht überzeugt, die seit Jahren im Bereich der Aufnahme in der Region arbeiten. „2000 Personen? Es ist absurd, tausende? Es ist immer noch absurd – erklärt Iovino -. Wir sind gegen jede Form von Ghettoisierung, denn der Ort wo das Cara* von Mineo liegt, ist einfach Wahnsinn. Es ist ein Ort, der für die Amerikaner in Ordnung war, aber nicht für jemanden, der hier wie in ein Reservat hineingeworfen wird, ohne irgendeine Änderung. So sind sie geradezu dazu bestimmt Problem zu machen.“
Der Fall Palagonia, fügt Iovino hinzu, hat die Migranten des Cara nicht gleichgültig gelassen, doch von dort aus geht die Verantwortung in Richtung des Gerichts. Für Iovino wurden die Probleme offensichtlich durch eine schlechte Aufnahme geschaffen. „Heute werden die jungen Menschen terrorisiert, die aufrichtig sind, und das ist die Mehrheit von ihnen wirklich, fährt Iovino fort. Eine greifbare Angst, doch die Unaufrichtigen gibt es und viele von ihnen sind es durch diese absurde Aufnahmepraxis geworden. Das Gericht und die Ordnungskräfte machen einen immensen Job, den machen sie überall, doch es ist ein Kampf gegen Windmühlen. Diese Konzentration der Zahlen ist der Grund für all das was an Negativem vorstellbar ist. „Bei ca. 45 Autominuten Entfernung von Catania ist es schwierig sich zu bewegen ohne Geld auszugeben. Sie schließen sich in Gruppen zusammen, um die Rechtsanwaltskanzlei zu erreichen oder die Arztpraxis von Astalli. „Sie kommen hauptsächlich wegen der Anwälte – erklärt Iovino – zum Beispiel als Empfänger einer Ablehnung der in Berufung gehen will, das ist die außerordentlich große Mehrheit. Dann kommen sie natürlich auch wegen des Arztes, denn im Cara sind die Wartezeiten sehr lang und sie wissen, dass es bei uns eine Ambulanz gibt. Aber sie kommen auch hierher, um Verwandte nach Geld zu fragen oder einfach um zu telefonieren.“
In diesen Momenten erzählen die Migranten des Cara den Freiwilligen, was in den letzten Tagen in der Struktur geschehen ist. „Im Cara kommt es zu jeder Form von Untat, klagt Iovino. Es gibt Mädchen, die sich prostituieren, innerhalb und außerhalb der Struktur. Es kommt verbreitet zu illegaler Anwerbung unterbezahlter Landarbeiter, unglaublich und frappierend, auch wenn es scheint, als gäbe es nun mehr Kontrollen.“ Doch anscheinend sind es den Erzählungen zufolge nicht genug. „Wenn die Jungen fliehen, erklärt Iovino, und es fliehen viele von ihnen, wird ihre Ausweiskarte, die ihre Unterbringung im Zentrum bestätigt, nicht zurückgegeben, sondern an verbliebene Gäste der gleichen Nationalität ausgehändigt, sodass sie als noch anwesend resultieren. So wird nicht nur das Tagesgeld ausgezahlt, sondern eine Art ‚abwesende Anwesenheit‘. All das weiß man. Wir wissen das alle seit der Aufdeckung eines übel riechenden Topfes, dessen widerwärtigen Geruch wir von Anfang an anprangern.
Für Iovino sind es jedoch nicht nur die Zahlen, die den Beweis für eine schlechte Aufnahme stellen. Es ist auch die Unfähigkeit wirkliche Integrationsmaßnahmen durchzusetzen. „Wenn sie zu unseren Anwälten kommen, so erzählt er würden sie berichten, dass sie seit Monaten dort sind ohne etwas zu tun zu haben. Sie brauchen häufig Medizin, daher werden sie von unseren freiwilligen Ärzten besucht und oft finden wir heraus, dass sie seit einem Jahr im Cara und noch nicht im nationalen Gesundheitsdienst registriert sind. Einige sprechen nicht ein Wort Italienisch, nach einem Jahr Aufenthalt. So ist die Situation. Das haben wir immer bemängelt.“ Unter diesen Bedingungen entsteht der Nährboden für das Begehen von Rechtswidrigkeiten. „Wir haben aufrichtige und gut integrierte Personen gesehen, die angefangen haben unerlaubt als Taxifahrer zu arbeiten, erzählt Iovino, oder sich 20-30 Prozent des Geldes geben zu lassen, was sie für andere Gäste der gleichen Nationalität von deren Verwandten an sie weiterleiten. So ist ein Zulieferindustrie von schlechtem Ruf und eine kriminelle Mentalität entstanden. Wir reden auch von Rauschgifthandel und von Männern, die ihre Ehefrauen zur Prostitution zwingen.
Sorgen bereitet auch die Schaffung von Hotspots. Von diesen sollen auf Sizilien, wie gestern der Chef der Abteilung für Migration von Viminale, Mario Morcone, bekannt gab, vier von fünf geschaffen werden. „Wir müssen mit diesen Übergangslösungen aufhören, sagt Iovino. Es ist eine dramatische Erfahrung. Wir müssen damit aufhören, alles als Notfall zu betrachten. Die Notfallmentalität ist schuld an diesen negativen Entwicklungen und an der Entstehung von Gemeinschaften, die absolut keine Erfahrung mit Migration haben. „Die Lösung liegt in kleineren Zahlen, mit Migranten, die mitmachen, beschäftigt und interessiert sind an berufsorientierten Kursen oder einfach an Alphabetisierung, erklärt Iovino. So schafft man tugendhafte Kreisläufe.“
*CARA – Centro di accoglienza per richiedenti asilo: Aufnahmezentrum für Asylsuchende
Aus dem Italienischen übersetzt von Viktoria Langer