Die Behörden weisen mögliche Asylsuchende ab und die Zivilgesellschaft stopft die Löcher

Trotz Anzeigen und
Pressemitteilungen geben die Polizeidirektionen weiterhin Maßnahmen zur
Abweisung an der Grenze bekannt. Sie treffen damit willkürlich Gruppen von
Migranten, die gerade erst angelandet sind. Es ist vor allem die
Polizeidirektion von Ragusa, die auf diese Weise in fast zweiwöchentlichem
Rhythmus das CPSA* von Pozzallo teilweise leert. Die letzte kollektive Abschiebung
fand am 10. Oktober statt. Betroffen waren davon 38 Männer aus Gambia, dem
Senegal, Mali und Nigeria. Zu zwanzigst sind sie bis gestern durch die Straßen
von Pozzallo gezogen, haben am Strand geschlafen und hatten keine Ahnung, wohin
sie gehen sollten; vor allen Dingen hatten sie nichts von dem verstanden, was
ihnen zugestoßen war.

Freiwillige aus mehreren Vereinen
und Bürger haben Essen gesammelt und sich mit dem Bürgermeister getroffen; der hat
für gestern Nacht ein Zelt zur Verfügung gestellt. Mit gesammeltem Geld wurden Fahrkarten
nach Catania gekauft. Hier sind die Unterbringungsmöglichkeiten erschöpft. Es ist
schwierig, für die von der Polizeidirektion Catania am 1. Oktober ausgewiesene Gruppe
Schlafplätze zu finden. Wenn man von
Pozzallo weggeht, verschiebt sich das Problem nur in eine große Stadt; in der ist
es zwar leichter ist, unterzutauchen, die Gefahren aber größer sind. Schon
haben sich Schleusernetze organisiert, diese weiteren „Abfälle“ des Systems Aufnahme auf- und abzufangen; sie sind
bereit, den Kreislauf der Ordnungswidrigkeiten zu vergrößern, die Taschen der Anführer
und der organisierten Kriminalität zu füllen. Die Einrichtungen der informellen
Aufnahme, die in diesen Tagen mit großer Kraftanstrengung den Menschen, die sonst
auf der Straße geblieben wären, ein Dach und Mahlzeiten garantiert haben, sind
voll. Anwälte und Rechtsberatungsstellen, die den Abgewiesenen bei der
Beschwerde und den Anträgen auf internationalen Schutz beistehen, gibt es nur
wenige. Es kann nicht der Freiwillige sein, der mit Flicken die Löcher einer rechtswidrigen
Praxis stopft, die von Institutionen und Behörden in Gang gesetzt wurde. Am
8.Oktober hat Borderline Sicilia zusammen mit Centro Astali, dem
Antirassismus-Netz Catania, Catania bene comune, Città felice, Aufnahme und
Solidarität und Asgi sez. Sicilia ein dringendes Treffen mit der Kommune, dem
Ordnungsamt und der Polizeidirektion von Catania gefordert, um dieses Problem
zu diskutieren und sich damit auseinanderzusetzen. Auf diesen Antrag hat es keine
Antwort gegeben.

Eine solche unrechtmäßige Praxis,
die nationalen und internationalen gesetzlichen Bestimmungen zuwider läuft,
muss sofort gestoppt werden. Mit Hilfe von Befragungen durch die Polizei werden
weiterhin systematisch die Flüchtlinge von Wirtschaftsmigranten getrennt; das
geschieht nach Kriterien, die absolut willkürlich sind, die nichts zu tun haben
mit den Modalitäten, die das Gesetz für den Zugang zum Verfahren für
internationalen Schutz vorschreibt. Im CSPA* von Pozzallo, in dem auch die
Agenten von Frontex operieren, fragt die Polizei die Migranten nach dem Motiv
ihrer Reise, indem sie ihnen mögliche Antworten anbietet; die Motive reduzieren
sich dabei auf: „Arbeit“, „Familienzusammenführung“, „Anderes“. Unter der Nennung
„Anderes“ finden sich 90% der Motive, wegen derer die Personen aus ihrem Land weglaufen
und diese Art Reisen unternehmen, d.h. wegen Krieg, Verfolgung, Situationen
allgemeiner Gewalt und Konflikte, erbarmungsloser Diktaturen. Eine Zukunft, um
die man spielt – wie bei einem Quiz um die richtige Antwort.

Wir fragen uns vor allem: Wie
kann es möglich sein, dass eine solche Praxis vollzogen wird, obwohl sowohl an
den Orten der Anlandungen wie auch in den CSPA*, Organisationen anwesend sind,
die das Mandat haben, die Rechte der Asylsuchenden zu schützen?

In den vergangenen Tagen hat
sich ein Jugendlicher, der seinen Abschiebungsbescheid in Pozzallo erhalten
hatte, für Tage außerhalb des CSPA* aufgehalten und auf dem Boden geschlafen.
Wegen eines Unglücks wurde er in das Krankenhaus von Modica gebracht. Aber von
dort ist er nach Pozzallo zurückgekehrt, ohne sich zu bewegen. Man weiß nicht,
was nun aus ihm geworden ist.

Während in diesen Tagen im
Fernsehen die triumphalen Bilder von 18 Eritreern laufen, die in Schweden untergebracht
wurden, ein Ereignis, das gefeiert wird als der Anfang der guten europäischen Durchführung
des Asylrechts, werden auf Sizilien mögliche Asylbewerber zu hunderten im Stich
gelassen und auf die Straße gesetzt.

Redaktion Borderline Sicilia

*CPSA – Zentrum zur Ersten
Hilfe und Erstaufnahme

Aus dem
Italienischen von Rainer Grüber